Leitsatz (amtlich)

1. Der Begriff der Werbungskosten iS des AFG § 138 Abs 2 ist anhand der Definition des EStG § 9 Abs 1 S 1 auszulegen; dabei sind Sinn und Zweck der Gewährung der Alhi zu beachten.

2. Bei Einnahmen aus verschiedenen Einkunftsarten ist zur Ermittlung des Einkommens iS des AFG § 138 Abs 2 ein Verlustausgleich zulässig; ein Verlustausgleich zwischen mehreren Personen findet nicht statt.

3. Ein Arbeitsloser, dessen Einkommen durch einen Verlustausgleich soweit geschmälert wird, daß er dadurch bedürftig iS des AFG § 134 Abs 1 Nr 3 wird, muß sich von der verlustbringenden Einnahmequelle trennen, wenn dies zumutbar ist.

4. Zur Verteilung von Einkommen auf die Alhi-Zahlungszeiträume.

 

Normenkette

AFG § 134 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25, § 137 Fassung: 1969-06-25, § 138 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25; AlhiV § 6 Fassung: 1974-08-07; EStG § 2; EStG 1974 § 2; EStG § 9 Abs. 1 S. 1; EStG 1974 § 9 Abs. 1 S. 1; AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 15.11.1976; Aktenzeichen L 1 Ar 61/75)

SG Koblenz (Entscheidung vom 13.10.1975; Aktenzeichen S 4 Ar 20/75)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. November 1976 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger bezog in der Zeit vom 2. Juli 1973 bis 12. November 1974 Arbeitslosengeld (Alg). Am 13. November 1974 beantragte er beim Arbeitsamt M Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Die Ehefrau des Klägers ist als Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. Sie lebt mit dem Kläger im gemeinsamen Haushalt. Aus der 1971 geschlossenen Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Der Ehefrau des Klägers gehört ein 1970 gebautes Zweifamilienhaus, in dem die Eheleute wohnen. Ein weiteres 1974 fertiggestelltes Zweifamilienhaus gehört dem Kläger und seiner Frau gemeinsam.

Der Kläger macht geltend, seine Ehefrau habe aus ihrem Haus Mieteinnahmen in Höhe von 690,- DM monatlich, denen aber monatliche Belastungen in Höhe von 2.224,40 DM gegenüberstünden. Daraus ergebe sich ein Verlust in Höhe von 1.534,40 DM monatlich. Dieser Verlust sei bei der Berechnung von Alhi wie bei der Einkommensteuerberechnung von dem Bruttoerwerbseinkommen der Ehefrau in Höhe von 2.105,- DM abzuziehen. außerdem 358,- DM für Sozialabgaben, 84,- DM für Werbungskosten und 45,- DM für Vorsorgeaufwendungen, so daß des anzurechnende Einkommen nur 83,60 DM betrage.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Alhi durch Bescheid vom 12. Dezember 1974 ab und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 1975). Mit Urteil vom 13. Oktober 1975 hat das Sozialgericht (SG) Koblenz die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 15. November 1976 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es ist der Auffassung, bei der Einkommensanrechnung nach § 138 Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sei ein Verlustausgleich wie im Einkommensteuerrecht nicht zulässig. § 138 Abs 2 AFG verweise nicht auf § 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern enthalte für den Bereich der Alhi eine eigene Einkommensdefinition. Darüber hinaus enthalte § 138 Abs 2 AFG auch eine eigene Regelung der von diesem Einkommen abzugsfähigen Aufwendungen.

Die Tatsache, daß im Bundesversorgungsgesetz (BVG), Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und Lastenausgleichsgesetz (LAG) ein ausdrückliches Verbot des Verlustausgleichs enthalten sei, rechtfertige nicht den Umkehrschluß, nach § 138 Abs 2 AFG sei der Verlustausgleich zulässig, weil diese Vorschrift ein solches Verbot nicht enthalte. Vielmehr hätten diese Gesetze ebenso wie § 138 AFG den Begriff des steuerpflichtigen Einkommens nicht übernommen, weil er der Absicht des Gesetzgebers nicht gerecht werde, das tatsächlich zur Verfügung stehende Einkommen voll zu erfassen. Der ausdrückliche Ausschluß des Verlustausgleichs in den anderen Gesetzen verdeutliche jedenfalls die Erwägung des Gesetzgebers, daß es grundsätzlich nicht vertretbar sei, einen Hilfesuchenden auf Kosten der Allgemeinheit in den Stand zu setzen, sich oder einem anderen, auf dessen Einkommen es bei der Prüfung der Hilfsbedürftigkeit ankomme, eine Einkunftsart zu erhalten, in der mit Verlust gearbeitet wird.

Bei der Alhi müsse diese grundsätzliche Erwägung ebenso gelten, weil es sich bei ihr um eine besondere staatliche Hilfe für den Fall der Arbeitslosigkeit handele, die nach § 137 Abs 1 AFG, soweit erforderlich, nur den Lebensunterhalt des Arbeitslosen und seiner Frau sicherstellen solle, nicht aber die Erfüllung sonstiger Verbindlichkeiten, wie etwa aus dem Erwerb oder der Errichtung eines Wohnhauses als Familienheim. Die Notwendigkeit, im Falle längerer Arbeitslosigkeit ein noch nicht vollbezahltes Eigenheim unter Umständen mit Verlust veräußern zu müssen, könne und solle durch die Gewährung von Alhi nicht ausgeschlossen werden.

Für den Kläger ergebe sich ein Alhi-Satz von wöchentlich 204,- DM (1974) bzw 273,- DM (1975 und 1976). Da das anzurechnende Einkommen der Ehefrau bei einem Freibetrag von 75,- DM mit wöchentlich 443,58 DM weit über diesen Sätzen liege, entfalle ein Alhi-Anspruch des Klägers.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 138 Abs 2 AFG und führt hierzu insbesondere aus: Der in § 138 Abs 2 AFG verwendete Begriff des Einkommens entspreche dem steuerrechtlichen Einkommensbegriff in § 2 Abs 2 Satz 2 EStG. Hätte der Gesetzgeber einen vom EStG abweichenden Steuerbegriff normieren wollen, hätte er in § 138 Abs 2 AFG den Verlustausgleich ausgeschlossen, wie bei §§ 33 BVG, 76 BSHG und 267 LAG. Auch in der Rechtsprechung bestehe die Ansicht, der Einkommensbegriff in § 138 Abs 2 AFG entspreche im wesentlichen dem des Einkommensteuerrechts. Aus der Tatsache, daß bei Einnahmen aus Vermietung ua auch Schuldzinsen abgesetzt werden können, schließt er auf die Zulässigkeit auch des Verlustausgleichs nach § 138 Abs 2 AFG.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 15. November 1976 und des SG Koblenz vom 13. Oktober 1975 sowie die Bescheide vom 12. Dezember 1974 und 4. Februar 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 13. November 1974 Alhi zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, bei der Einkommensanrechnung nach § 138 AFG sei ein Verlustausgleich nicht vorzunehmen. Die Einkommensdefinition in § 138 Abs 2 AFG unterscheide sich von der des § 2 Abs 2 EStG. § 138 AFG nehme nicht auf diese Vorschrift Bezug, sondern bestimme selbständig, was als Einkommen gelte und welche Einkünfte vom Einkommen abzuziehen seien. Aus der Formulierung des § 138 Abs 2 AFG ergebe sich, daß das jeweilige Einkommen um diejenigen Werbungskosten gemindert wird, die zur Erzielung dieses Einkommens erforderlich waren. Wegen des Hauseigentums des Klägers und seiner Ehefrau hätte außerdem geprüft werden müssen, ob nicht von vornherein die Bedürftigkeit für bestimmte Zeiten zu verneinen gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und infolge der Zulassung im Urteil des LSG statthaft (§ 160 Abs 1 SGG). Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Nach den bisherigen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger der geltend gemachte Alhi-Anspruch zusteht.

Wie das LSG festgestellt hat, sind die Voraussetzungen für die Gewährung der Alhi unstreitig erfüllt mit Ausnahme der Bedürftigkeit. Nach § 134 Abs 1 Nr 3 AFG kann dem Kläger nur Alhi gewährt werden, wenn er bedürftig ist.

Der Arbeitslose ist bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen, für die ein Anspruch auf Familienzuschlag besteht (für seinen Ehegatten), nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 AFG nicht erreicht (§ 137 Abs 1 AFG). Er ist nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder das Vermögen seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist (§ 137 Abs 2 AFG).

Nach § 138 Abs 1 Satz 1 AFG sind im Rahmen der Bedürftigkeit als Einkommen zu berücksichtigen das Einkommen des Arbeitslosen einschließlich der Leistungen, die er von Dritten erhält oder beanspruchen kann, soweit es nicht nach § 115 AFG anzurechnen ist (Nr 1) und das Einkommen des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, soweit es 75,- DM in der Woche übersteigt (Nr 2). Als Einkommen gelten alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung und Bundesanstalt oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang und der Werbungskosten (§ 138 Abs 2 AFG).

Beim Kläger sind als Einkünfte die Leistungen aus dem Recht auf freien Brand zu berücksichtigen. Diese Leistungen sind nicht Einkommen iS des § 115 AFG, denn es handelt sich nicht um ein Einkommen, das der Arbeitslose während des Bezugs von Alg bzw Alhi aus einer unselbständigen Tätigkeit erzielt hat. Von dieser Bestimmung sind nur Einkommen aus einer während des Bezugs von Alg oder Alhi geleisteten Tätigkeit erfaßt (Hennig/Kühl/Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, Anm 3 zu § 115; Schönefelder/Kranz/Wanka, Arbeitsförderungsgesetz, Rdnr 10 zu § 115). Nur in einem solchen Falle rechtfertigt sich der Anreiz zur Erwerbstätigkeit, den das Gesetz mit der Zubilligung eines Freibetrages von 15,- DM wöchentlich gemäß § 115 AFG schaffen wollte. Außerdem sind Einkommen des Klägers die Mieteinnahmen aus dem Haus, das den Eheleuten gemeinsam gehört, soweit es seinem Eigentumsanteil entspricht und etwa noch vorhandene weitere Einkünfte. Das Einkommen der Ehefrau des Klägers hat das LSG mit brutto 27.727,- DM im Jahre 1974 und 32.946,- DM im Jahre 1975 festgestellt. Es hat davon zutreffend Sozialabgaben und Steuern abgezogen. Vom Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau sind gemäß § 138 Abs 2 AFG weiterhin die Werbungskosten abzuziehen. Das LSG hat keine ausreichenden Feststellungen getroffen, aus denen sich die Höhe der Werbungskosten im Sinne dieser Bestimmung ergibt.

Wenn auch der Begriff des "Einkommens" in § 138 Abs 2 AFG zur Verdeutlichung des bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigenden Einkommens eine eigene Definition gefunden hat, so enthält diese Begriffsbestimmung dennoch durch die Einbeziehung der von den Einkünften abzuziehenden Werbungskosten eine auf das Steuerrecht Bezug nehmende Komponente. Dadurch, daß - wenn auch im Rahmen von Sinn und Zweck der Gewährung von Alhi - die Vorschriften der §§ 137 und insbesondere 138 AFG die wirtschaftliche Notwendigkeit der Gewährung von Alhi in die Betrachtung einbeziehen, kann der in § 138 Abs 2 AFG verwendete Begriff der "Werbungskosten" nur unter Hinzuziehung steuerrechtlicher Vorschriften vernünftig ausgelegt werden. Ohne einen solchen Anhalt wäre der materielle Inhalt dieses Begriffs nur schwer oder gar nicht zu ermitteln. Der Begriff der Werbungskosten ist anhand der Definition des § 9 Abs 1 Satz 1 EStG auszulegen, denn diese Vorschrift entspricht einem wirtschaftlichen Tatbestand und ergibt sich nicht nur aus speziell steuerrechtlichen Erfordernissen und Zielrichtungen (ähnlich Bayerisches LSG, DBl C der Bundesanstalt für Arbeit - BA - Nr 700 zu § 150 AVAVG; Hennig/Kühl/Heuer aaO, Anm 3b zu § 138, die zwar die Werbungskosten als steuerrechtlichen Begriff ansehen, aber keine Geltung von Einzelheiten einer steuertechnischen Ausgestaltung annehmen; Schönefelder/Kranz/Wanka aaO, Rdnr 6 zu § 138 AFG). Werbungskosten iS des § 138 Abs 2 AFG sind danach Aufwendungen zur Erwerbung, Erhaltung und Sicherung von Einnahmen. Dieser umfassende Begriff muß allerdings aus Sinn und Zweck der Gewährung von Alhi notwendig im Rahmen des § 138 Abs 2 AFG eine Einschränkung finden. Wenn das Einkommen zur Feststellung der Bedürftigkeit eines Arbeitslosen ermittelt werden soll, dh jene Einkünfte zu ermitteln sind, die es dem Arbeitslosen ermöglichen, seinen (und seiner Familie) Lebensunterhalt zu bestreiten, so können nur solche Werbungskosten im Rahmen des § 138 Abs 2 AFG Berücksichtigung finden, die die Einkünfte des Arbeitslosen effektiv - unter Berücksichtigung einer vernünftigen Wirtschaftsführung - schmälern. Das LSG hat somit zutreffend angenommen, daß die Werbungskosten nicht entsprechend § 9a EStG im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung mit einem Pauschbetrag zu berücksichtigen sind. Es entspricht auch ferner nicht der Vorschrift des § 138 Abs 2 AFG, als Werbungskosten in diesem Sinne die erhöhten Abschreibungen für Wohngebäude nach § 7b EStG anzuerkennen; denn diese erhöhten Abschreibungen dienen der verstärkten Förderung des Wohnbaus und haben nichts mit dem Zweck der Bedürftigkeitsprüfung nach §§ 134 ff AFG zu tun. Werbungskosten nach § 138 Abs 2 AFG sind hingegen die Schuldzinsen aus der Herstellung der beiden dem Kläger und seiner Ehefrau gehörenden Zweifamilienhäuser, da beide Häuser dem Erwerb von Einnahmen dienen. Ebenso sind Werbungskosten für diese Häuser die zu zahlenden Steuern, Abgaben und Gebühren (zB Gebühren für Müllabfuhr, Wasser, Kanalbenutzung, Straßenreinigung und Kaminkehrer sowie Versicherungsbeiträge uä), soweit sie sich nicht auf einen eigenen Verbrauch beziehen (zB Wassergeld für den Kläger und seine Ehefrau). Schließlich sind als Werbungskosten auch die "normalen" Absetzungen für Abschreibung anzuerkennen. Sie dienen nur der Verteilung von Aufwendungen zur Erwerbung, Erhaltung und Sicherung von Einnahmen auf mehrere Jahre entsprechend der Abnutzung des Wirtschaftsgutes.

Grundsätzlich sind die Werbungskosten jedenfalls von denjenigen Einnahmen abzuziehen, mit denen sie im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dabei ist aber zwischen Einnahmen und Werbungskosten des Arbeitslosen und seiner Ehefrau zu unterscheiden. Im Rahmen des § 138 AFG findet keine Zusammenveranlagung der Ehegatten statt. Dies ergibt sich schon daraus, daß in § 138 Abs 1 AFG das Einkommen des Arbeitslosen und dasjenige seines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten bei der Bedürftigkeitsprüfung unterschiedlich behandelt wird.

Allerdings ist damit noch nichts darüber gesagt, ob und inwieweit bei Einnahmen aus verschiedenen Quellen ein bei einer Einnahmequelle durch den Abzug von Werbungskosten entstehender Verlust auf die andere Einnahmequelle im Rahmen des § 138 Abs 2 AFG übertragen werden kann, insoweit also ein sogenannter Verlustausgleich stattfinden darf. Er ist allerdings im Einkommensteuerrecht ausdrücklich zugelassen, während er in anderen Gesetzen, zB in § 10 der VO zur Durchführung des § 76 des BSHG vom 23. November 1976 (BGBl I 3234) ausdrücklich ausgeschlossen ist. Nach § 2 Abs 2 des EStG 1974 (BGBl I 1993) war Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben und nach Abzug der Sonderausgaben. Im EStG 1975 idF vom 5. September 1974 (BGBl I 2165) ergibt sich der Verlustausgleich aus dem Wortlaut des § 2 EStG dadurch, daß vor Ermittlung des Einkommens die Summe der Einkünfte ermittelt wird. Der § 138 Abs 2 AFG verweist aber nicht auf das EStG, und zwar auch nicht stillschweigend hinsichtlich der Begriffe des Einkommens und der Einkünfte. Da das EStG den Einkommensbegriff ausschließlich in einer für die Zwecke der Besteuerung möglichst geeigneten Weise umgrenzt (Blümich/Falk, EStG, 10. Aufl, S. 193), kann § 138 Abs 2 AFG hinsichtlich eines Verlustausgleichs nicht ohne weiteres anhand dieser Begriffsbestimmung ausgelegt werden. Die Bestimmung verwendet vielmehr mit den Worten Einkommen und Einkünfte eigenständige Begriffe, die nicht mit den Begriffen des Steuerrechts übereinstimmen (Hennig/Kühl/Heuer aaO, Anm 3 zu § 138; Schönefelder/Kranz/Wanka aaO, Rdnr 4 zu § 138; aA Krebs, AFG, Anm 26 zu § 138; der Begriff entspricht im wesentlichen dem des EStG). Im Hinblick auf die bereits oben erwähnte wirtschaftliche Betrachtungsweise, insbesondere darauf, daß dem Arbeitslosen grundsätzlich ein gewisses Einkommen zur Gewährleistung des Unterhaltes zur Verfügung stehen soll, erscheint es gerechtfertigt - mangels entgegenstehender gesetzlicher Bestimmungen -, einen Verlustausgleich in dem gekennzeichneten Sinne bei der Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 AFG zuzulassen. Daß hierbei der Arbeitslose nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG auf Einkommen verwiesen wird, das er nur erzielen "kann", steht dem nicht entgegen, hat jedoch - worauf unten noch näher einzugehen ist - für den Verlustausgleich besondere Wirkung. Daraus folgt, daß, wenn durch einen Überschuß von Werbungskosten bei einer Einnahmequelle Verluste entstehen, diese bei anderen Einnahmequellen ausgeglichen werden müssen. Die Einnahmen aus anderen Einnahmequellen stehen insoweit nicht mehr für den Lebensunterhalt zur Verfügung, so daß sie bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht angerechnet werden können. Beim Arbeitslosen selbst erfährt dieser Grundsatz allerdings eine wesentliche Einschränkung dahin, daß er sich von verlustbringenden Einnahmequellen trennen muß, wenn dies ihm zumutbar ist.

Die Forderung an den Arbeitslosen, sich von verlustbringenden Einnahmequellen zu trennen, entspricht einem Grundsatz der Alhi. Danach richtet sich das anzurechnende Vermögen und Einkommen des Arbeitslosen nicht unbedingt nach den Ist-Verhältnissen. Es sind vielmehr auch die Soll-Verhältnisse zu berücksichtigen. Das wirtschaftliche Verhalten des Arbeitslosen wird nicht einfach hingenommen, sondern es wird von ihm verlangt, daß er seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zum Erwerb von Einkommen und zum Einsatz von Vermögen für den Einkommenserwerb ausnützt. Nach § 134 Abs 1 Nr 1 AFG setzt der Anspruch auf Alhi voraus, daß der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Das Gesetz verlangt damit von ihm, daß er seine Leistungsfähigkeit einsetzt, um Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit zu erzielen. Nach § 137 Abs 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Mit den Worten "bestreiten kann" wird klargemacht, daß der Arbeitslose sein Vermögen zum Lebensunterhalt einsetzen muß. Er muß also zB Kapital zur Einkommenserzielung nutzen, etwa ein Haus durch Vermietung (Schönefelder/Kranz/Wanka aaO, Rdnr 9 zu § 137). Deshalb ist es auch nicht zufällig, wenn nach § 138 Abs 1 Nr 1 AFG auch Einkommen angerechnet wird, das der Arbeitslose von Dritten nur beanspruchen kann.

Wenn das LSG aber mit der von ihm erwähnten Literatur aus diesen zutreffenden Überlegungen entnimmt, daß der Verlustausgleich grundsätzlich ausgeschlossen sei, so unterstellt es damit zu Unrecht ohne weiteres die Erfüllbarkeit der Forderung an den Arbeitslosen. Einkommen, mit dem der Arbeitslose Werbungskosten iS des § 138 Abs 2 AFG bestreiten muß, steht ihm für den Lebensunterhalt nicht zur Verfügung und kann nicht auf den Bedarf angerechnet werden, solange es ihm nicht möglich und zumutbar ist, sich von der verlustbringenden Einnahmequelle zu trennen.

Wenn der Senat damit nicht nur die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Verwertung genügen läßt, sondern darüber hinaus die Zumutbarkeit verlangt, so stützt er sich insoweit auf den Rechtsgedanken der Alhi-Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl I 1929). Nach § 6 Abs 2 und 3 Alhi-Verordnung wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es verwertbar und die Verwertung zumutbar ist. Insbesondere brauchen nach § 6 Abs 3 der Alhi-Verordnung bestimmte Gegenstände, wie zB angemessener Hausrat oder ein Hausgrundstück, das der Eigentümer bewohnt, nicht verwertet zu werden. Es erscheint angemessen, diese Gegenstände auch bei der Einkommensanrechnung zu schützen und den Arbeitslosen nicht zu zwingen, sie zur Vermeidung von Verlusten zu veräußern. Ob das gleiche auch für Vermögen gilt, das nur wegen seines Wertes geschützt wird (§ 6 Abs 3 Satz 2 Nrn 2 und 3 der Alhi-Verordnung), kann hier dahingestellt bleiben, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen beim Vermögen des Klägers nicht vorliegen. Das LSG wird aber zu prüfen haben, ob die übrigen Voraussetzungen des § 6 Abs 2 und 3 der Alhi-Verordnung in bezug auf jene Einnahmequelle des Klägers zutreffen, die für ihn verlustbringend ist.

Uneingeschränkt zulässig ist der Verlustausgleich hingegen beim Ehegatten des Arbeitslosen. Nach den Vorschriften über die Alhi besteht kein Anhaltspunkt, daß vom Ehegatten verlangt wird, er solle auf die Bedürftigkeit des Arbeitslosen Rücksicht nehmen und sein eigenes wirtschaftliches Verhalten entsprechend einrichten und der Bedürftigkeit anpassen. Der Ehegatte ist nicht verpflichtet, etwa wegen der Arbeitslosigkeit des anderen Ehegatten selbst eine Arbeit aufzunehmen, auch braucht er keine Einkommensquellen zu erschließen. Nach § 138 Abs 1 Nr 2 AFG werden im Gegensatz zu Nr 1 bei ihm keine Leistungen berücksichtigt, die er nur beanspruchen kann. Das Gesetz geht vielmehr bei ihm vom Ist-Einkommen und vom Ist-Vermögen aus, nicht von den Soll-Verhältnissen. Unterhaltsrechtlich ist allerdings der Ehegatte verpflichtet, durch seine Arbeit und mit seinem Vermögen zum Unterhalt der Familie beizutragen (§ 1360 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Das AFG verlangt aber vom Arbeitslosen nicht unbedingt, daß er die Unterhaltspflicht des Ehegatten voll in Anspruch nimmt, bevor er Alhi begehrt. Vielmehr schont das AFG den Ehegatten, auch wo er zivilrechtlich noch zur Leistung verpflichtet ist und verlangt nicht, daß der Ehegatte seine Erwerbsfähigkeit, sondern nur, daß er das tatsächliche Einkommen einsetzt.

Mithin sind vom Nettoeinkommen der Ehefrau des Klägers aus unselbständiger Tätigkeit die auf das ihr allein gehörende Haus entfallenden Werbungskosten insoweit absetzbar, als sie die Einnahmen aus dem Haus übersteigen. Hinsichtlich des anderen Hauses, das beiden Ehegatten gemeinsam gehört, ist zunächst eine gesonderte Berechnung für jeden Ehegatten vorzunehmen; dies ergibt sich aus der oben dargestellten unterschiedlichen Behandlung der Einkommen des Arbeitslosen und seines Ehegatten bei der Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 Abs 1 AFG. Das Ergebnis der Gegenüberstellung von Einnahmen und Werbungskosten im oben gekennzeichneten Sinne bei diesem Haus ist nach den - dem Senat nicht bekannten - Eigentumsverhältnissen anteilig dem einzelnen Ehegatten - sei es Verlust oder Überschuß - zuzurechnen und im Rahmen des § 138 Abs 2 AFG bei den anderen Einkünften entweder hinzuzurechnen oder abzuziehen. Beim Kläger selbst wird - wie oben dargelegt - ein möglicher Verlust mit anderen Einnahmen nur dann ausgeglichen, wenn die Veräußerung oder Belastung des Hauses unzumutbar ist. Dagegen wird bei der Ehefrau der möglicherweise aus der Gesamtberechnung über die Einnahmen aus Hausvermögen vorhandene Verlust von den anderen Einnahmen vollständig abgezogen. Da wegen der unterschiedlichen Behandlung von Einkommen des Arbeitslosen und seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten nach § 138 Abs 1 und 2 AFG jeweils gesondert das Einkommen festzustellen ist, es somit darauf ankommt, wer im einzelnen welches zu berücksichtigende Einkommen hat, ist es allerdings nicht zulässig, über den oben gekennzeichneten Verlustausgleich hinaus einen weiteren Ausgleich unter den Ehegatten selbst vorzunehmen. Zwar mag der - nicht arbeitslose - Ehegatte bereit sein, aus seinen verbleibenden Einkünften wirtschaftliche Verluste des arbeitslosen Ehegatten auszugleichen, um eine (zumutbare) Veräußerung des verlustbringenden Wirtschaftsgutes durch den Arbeitslosen abzuwenden, möglicherweise ist der nicht arbeitslose Ehegatte - wie allgemein bei hypothekarischen Verbindlichkeiten - gesamtschuldnerisch neben dem Arbeitslosen zur Leistung verpflichtet. Dies ändert jedoch nichts daran, daß nach § 138 Abs 1 AFG die Einkommensverhältnisse beider Ehegatten gesondert festzustellen sind und der Arbeitslose insoweit nach den Verhältnissen zu beurteilen ist, die er zumutbar erreichen kann. Werden - wie dargelegt - die Ehegatten nach dem AFG nicht gemeinsam bei der Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 AFG "veranlagt", so scheidet auch ein Verlustausgleich unter den Ehegatten aus. Eine andere Betrachtungsweise - also die Zubilligung eines Verlustausgleichs zwischen den Einnahmen beider Ehegatten - würde letztlich mittelbar zur Finanzierung von Verlusten von Ehepartnern durch die Alhi führen.

Das Gesetz selbst enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, in welchen Zeiträumen das ermittelte Einkommen bei der Bedürftigkeitsprüfung anzusetzen ist. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß einerseits monatlich wiederkehrende Einnahmen (aus unselbständiger Tätigkeit und Vermietung), andererseits einmalige Einnahmen (zB Kohledeputat) vorhanden sind, ferner Werbungskosten, die in verschiedenen Zeitabschnitten (wie Hypothekenzinsen, Grundgebühren usw), möglicherweise auch in unregelmäßigen Abständen (zB Aufwendungen zur Gebäudeerhaltung) anfallen. Um eine den realen wirtschaftlichen Verhältnissen etwa angepaßte Bedürftigkeitsprüfung vornehmen zu können, ist daher ein Verfahren anzuwenden, welches einerseits dem Grundgedanken der Alhi, andererseits den wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung trägt, wie sie dem täglichen Leben entsprechen. Daraus folgt: Beim Kläger ist der freie Brand in dem Alhi-Zahlungszeitraum anzurechnen, in dem die Leistung erbracht wurde (vgl BSG SozR 4100 § 137 Nr 1). Diese Einnahmen können nicht auf die Wochen des ganzen Jahres umgelegt werden. Dazu kommen etwaige weitere Einnahmen des Klägers. Nach den oben dargelegten Grundsätzen wird das LSG feststellen müssen, welche Mieteinnahmen aus dem gemeinsamen Haus der Eheleute jährlich angefallen sind und welche Werbungskosten iS des § 138 Abs 2 AFG ihnen gegenüberstehen. Mieteinnahmen und Werbungskosten sind anteilig dem Kläger zuzuschreiben. Ein Verlust wird bei Vorliegen der oben dargelegten Voraussetzungen mit Einnahmen aus anderen Quellen ausgeglichen. Dabei sind Einkünfte oder Verluste des Jahres aus dem Haus durch zwölf zu teilen und den Alhi-Zahlungszeiträumen dieses Jahres entsprechend ihrer Dauer zuzurechnen. Wenn also etwa der Kläger nur für zwei Monate eines Kalenderjahres die übrigen Anspruchsvoraussetzungen der Alhi erfüllt, sind zwei Zwölftel der Jahreseinkünfte oder -verluste gleichmäßig auf die Alhi-Zahlungszeiträume umzulegen.

Bei der Ehefrau des Klägers muß das LSG ermitteln, ob neben den bereits festgestellten noch weitere Einnahmen in Betracht kommen; dazu würde etwa ein Lohnsteuerjahresausgleich aus einem vorangegangenen Kalenderjahr gehören. Weiter muß das LSG die anzurechnenden Werbungskosten ermitteln. Die Einnahmen der Ehefrau aus unselbständiger Tätigkeit können nicht gleichmäßig auf die Monate des Jahres verteilt werden, denn sie sind vermutlich in einzelnen Monaten, insbesondere im November oder Dezember wegen möglicher Weihnachtszuwendungen höher gewesen als in anderen Monaten. Im jeweiligen Zahlungszeitraum ist aber das Einkommen anzurechnen, das in diesem Zahlungszeitraum angefallen ist, wobei allerdings das monatliche Einkommen auf soviel Alhi-Zahlungszeiträume verteilt wird, wie es dem Monat entspricht. Die im Kalenderjahr angefallenen Werbungskosten sind auf das Jahr gleichmäßig umzulegen und etwaige Verluste entsprechend auf das Einkommen in den Alhi-Zahlungszeiträumen anzurechnen.

Der Alhi-Anspruch des Klägers wäre schließlich insoweit nicht begründet, als mit Rücksicht auf sein Vermögen und das Vermögen seiner Ehefrau die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist (§ 137 Abs 2 AFG). Das LSG wird deshalb ggf ferner feststellen müssen, ob und inwieweit die Voraussetzungen des § 6 der Alhi-Verordnung vorliegen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 60

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