Verfahrensgang

SG Schleswig (Urteil vom 18.05.1962)

 

Tenor

Auf die Sprungrevision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Mai 1962 aufgehoben. Die Beklagte hat dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Oktober 1959 bis 30. Juni 1960 Waisenrente zu gewähren; die Bescheide der Beklagten werden, soweit sie dem entgegenstehen, aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger, geb. am 15. Juli 1939, bezog von der Beklagten Waisenrente aus der Angestelltenversicherung seines verstorbenen Vaters. Die Beklagte bewilligte dem Kläger die Rente über das 18. Lebensjahr hinaus, weil er sich in der Berufsausbildung, und zwar in einer Buchdruckerlehre befand. Die Lehrzeit sollte vom 1. Mai 1957 bis 30. April 1960 dauern; sie wurde jedoch bis zum Frühjahr 1961 verlängert, weil der Kläger in der Zeit vom 13. August 1959 bis zum 20. Juli 1960 wegen der Folgen eines Mopedunfalls arbeitsunfähig krank war.

Die Beklagte gewährte dem Kläger die Waisenrente auch für die verlängerte Lehrzeit; sie entzog sie ihm jedoch für die Zeit vom 1. Oktober 1959 an (6 Wochen nach Beginn der Krankheit) bis 30. Juni 1960, weil die Berufsausbildung des Klägers in dieser Zeit durch Krankheit unterbrochen gewesen sei. Die Beklagte forderte ferner von dem Kläger einen Betrag von 384,50 DM als „zu Unrecht erhaltene RentenzahlungZ zurück.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, die Beklagte habe ihm die Waisenrente für die Zeit vom 1. Oktober 1959 bis 30. Juni 1960 zu Unrecht entzogen, sie sei deshalb auch nicht berechtigt, die Rentenbeträge, die bereits für die Zeit vom 1. Oktober 1959 bis zum 30. April 1960 gezahlt worden seien, zurückzufordern.

Das Sozialgericht (SG) Schleswig wies mit Urteil vom 18. Mai 1962 die Klage ab: Die Beklagte habe die Zahlung der Waisenrente für die Zeit vom 1. Oktober 1959 bis 30. Juni 1960 mit Recht nach § 44 Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) verweigert, weil sich der Kläger in dieser Zeit wegen Krankheit tatsächlich nicht in Berufsausblidung befunden habe. Der Begriff der Berufsausbildung sei eng auszulegen, da er eine Ausnahme von der Regel darstelle, nach der Waisengeld nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt werde. Daher könne eine mit Arbeitsunfähigkeit verbundene längere Erkrankung, wie die des Klägers, nicht als Lehrzeit und somit nicht als Berufsausbildung angesehen werden, selbst wenn Lehrling und Lehrherr den gegenteiligen Willen erkennen ließen. Eine solche Erkrankung bewirke vielmehr eine rechtserhebliche Unterbrechung oder Beendigung des Lehrverhältnisses. Dies gelte um so mehr, wenn der Lehrling – wie der Kläger – verpflichtet sei, die für die Lehre ausgefallene Zeit der Erkrankung nachzuholen.

Die Berufung wurde zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am 8. Juni 1962 zugestellt.

Am 3. Juli 1962 legte der Kläger Sprungrevision ein und fügte die Einwilligungserklärung der Beklagten vom 15. Juni 1962 bei: er begründete das Rechtsmittel nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist am 10. August 1962. Er rügte die Verletzung materiellen, hilfsweise formellen Rechts (§ 44 Abs. 1 AVG, §§ 103 und 128 Sozialgerichtsgesetz –SGG–). Er habe sich auch während der vorübergehenden Erkrankung, deren zeitliche Dauer von vornherein absehbar gewesen sei, weiter in Berufsausbildung befunden. Bei der Beurteilung dieser Frage komme es entscheidend darauf an, ob trotz seiner Erkrankung die rechtlichen Beziehungen zwischen ihm und dem Lehrherrn nach dem Willen beider Beteiligten aufrechterhalten geblieben seien und ob die Ausbildung sofort nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Lehrlings fortgesetzt worden sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt gewesen. Eine Unterbrechung seiner Ausbildung im Rechtssinne habe auch schon deshalb nicht eintreten können, weil nach § 1 Nr. 5 des Lehrvertrags eine Erkrankung während der Lehrzeit von mehr als 3 Monaten keine Unterbrechung der Lehre darstelle. Im übrigen müßten grundsätzlich Erkrankungen von voraussehbarer Dauer, wie sie im Leben jederzeit auftreten könnten, genauso wie Freizeit und Urlaub als von vornherein in den Ausbildungsplan eingeschlossene Vorfälle angesehen werden, gleichgültig ob wegen ihnen das Lehrverhältnis gegebenenfalls verlängert werden müsse oder nicht.

Der Kläger beantragte,

das Urteil des SG Schleswig vom 18. Mai 1962 aufzuheben und ihm die Waisenrente auch für die Zeit vom 1. Oktober 1959 bis 30. Juni 1960 zuzusprechen sowie der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des SG-Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG Schleswig zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragte,

die Sprungrevision zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§§ 124 Abs. 2, 153, 165 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Sprungrevision ist zulässig (§ 161, 164 SGG). Sie ist auch begründet.

Streitig ist ob der Kläger auch für die Zeit vom 1. Oktober 1959 bis 30. Juni 1960, in der er seine Buchdruckerlehre wegen einer Krankheit – nach einem Unfall – „aussetzenZ mußte, einen Anspruch auf Waisenrente hat. Dies ist – entgegen der Auffassung des SG – zu bejahen.

Nach § 44 Abs. 1 AVG in der hier maßgeblichen Fassung (vor der Änderung durch das Bundeskindergeldgesetz –BKGG– vom 14. April 1964 -BGBl I 265 ff- und das Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres vom 17. August 1964 -BGBl I 640 ff-) erhalten Waisenrente Kinder eines verstorbenen Versicherten

  1. in jedem Fall bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres,
  2. darüber hinaus längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur unverheiratete Kinder, die sich entweder in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder die bei Vollendung des 18. Lebensjahres infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, solange dieser Zustand andauert.

Die Zahlung der Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus stellt demnach die Ausnahme von der Regel dar (vgl. BSG 15, 134); sie ist dies auch nach der heute geltenden Fassung der Vorschrift; die gesetzliche Regelung der Waisenrente geht offensichtlich davon aus, daß sich Kinder nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres grundsätzlich durch eigene Erwerbsarbeit selbst ernähren und unterhalten können (vgl. BSG 21, 185). Dieser Grundgedanke liegt nicht nur dem Recht der Angestelltenversicherung zugrunde, auf ihm beruhen auch Vorschriften im Recht anderer Zweige der Sozialversicherung, im Beamtenrecht, im Versorgungsrecht und im Kindergeldgesetz. Den §§ 44 Abs. 1 und 39 AVG (Regelung des Kinderzuschusses zur Versichertenrente) entsprechen teils wörtlich, teils inhaltlich, zumindest in den Grundzügen u. a. die §§ 1267, 1262, 595, 583 Abs. 1, 2 und 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) die §§ 67 und 60 Reichsknappschaftsgesetz (RKG), § 164 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz, § 18 Abs. 2 und 3 Bundesbesoldungsgesetz, § 45 Abs. 4 Bundesversorgungsgesetz, § 2 Abs. 1 Kindergeldgesetz (KGG). Dem SG und der Beklagten ist zuzustimmen, wenn sie davon ausgehen, daß Ausnahmevorschriften grundsätzlich nur auf die von ihnen geregelten Ausnahmetatbestände angewandt und nicht ausdehnend ausgelegt werden dürfen. Auf den hier vorliegenden Tatbestand trifft indes die Ausnahmevorschrift des § 44 Abs. 1 AVG durchaus zu. Dem Wortlaut dieser Vorschrift läßt sich nämlich entgegen der Ansicht des SG und der Beklagten nicht entnehmen, daß ein Anspruch auf Waisenrente nach Vollendung des 18. Lebensjahres nur besteht, wenn die Schul- oder Berufsausbildung – von Urlaub oder ganz kurzen Krankheiten abgesehen – nicht nur rechtlich lückenlos fortdauert, sondern auch tatsächlich ununterbrochen durchgeführt wird. Das Wort „befindenZ, das im Gesetz verwandt wird, zwingt jedenfalls nicht zu dieser Auffassung. Auch § 69 AVG vermag eine derartige Auslegung des § 44 Abs. 1 AVG nicht zu stützen; dieser Vorschrift läßt sich nichts Näheres darüber entnehmen, wann sich jemand noch in der Ausbildung „befindetZ und wann nicht mehr. Die Frage, ob bei über 18 jährigen Waisen die tatsächliche Unterbrechung ihres Ausbildungsverhältnisses durch – längere – Krankheit auch gleichzeitig die Veränderung ihres sozialen Status in der Weise zur Folge hat, daß sie sich während der Krankheitszeit nicht mehr in Ausbildung befinden, kann daher nur aus dem Sinn und Zweck des § 44 Abs. 1 AVG entschieden werden. Keine wesentliche Hilfe vermag hierbei die Auffassung des Reichsversicherungsamtes (RVA) zu dem früheren – ähnlich lautenden – § 1259 RVO aF zu bieten (AN 1930 S. 25 Nr. 3605; bestätigt in EuM 29 S. 134 und ausgedehnt auf eine laufende Schulausbildung in AN 1931 S. 327). Das RVA ist der Ansicht gewesen, daß in der Regel nur kurze, nicht länger als etwa 6 Wochen währende Krankheiten nicht „die Untrerbrechung des LehrverhältnissesZ (der Schulausbildung) und somit den Wegfall der Rentenbezugsberechtigung zur Folge hätten. Für diese Ansicht war die Überlegung maßgebend, daß Lehrverhältnisse nach der damaligen Rechtsprechung i.V.m. §§ 72 Abs. 1 Nr. 3 und 77 Handels-Gesetzbuch bzw. §§ 127 b und 123 Gewerbeordnung nach Ablauf der Probezeit bei länger als 6 Wochen dauernder Krankheit des Lehrlings fristlos – wegen wichtigen Grundes – vom Lehrherrn gekündigt werden konnten; ferner sah das RVA als bedeutsam an, daß bei längerer Krankheit die versäumte Lehrzeit nachgeholt werden müsse. Indes kann die bloße Möglichkeit der fristlosen Kündigung nicht von vornherein die Auflösung eines laufenden Berufsausbildungsverhältnisses zur Folge haben. Die theoretische Möglichkeit der Auflösung des Ausbildungsverhältnisses rechtfertigt es nicht anzunehmen, daß eine durch Krankheit verursachte voraussichtlich vorübergehende Unterbrechung der Ausbildung zum Wegfall der Waisenrente führen müsse. Im übrigen führt auch die Verlängerung einer „normalenZ Ausbildungszeit (vor dem 25. Lebensjahr) grundsätzlich nicht zum Verlust des Waisenrentenanspruchs nach § 44 Abs. 1 Satz 2 AVG (z. B. Fortsetzung der Ausbildung nach erfolgloser Abschlußprüfung, Ausbildungswechsel), vielmehr muß der „VersicherungsträgerZ Verzögerungen des Ausbildungsabschlusses in der Regel in Kauf nehmen. Es trifft ferner nicht zu, daß der Wortlaut des § 44 Abs. 1 AVG idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes unverändert aus den früheren, zur Zeit der zitierten Entscheidungen des RVA geltenden entsprechenden Vorschriften der RVO übernommen worden wäre und der Gesetzgeber deshalb in Kenntnis der Rechtsprechung des RVA mit dem angeblich gleichen Wortlaut auch den Sinn, den ihm das RVA seinerzeit gab, übernommen hätte. Die Vorschriften über die Waisenrente in der RVO, im AVG und im RKG waren seit 1930 bis zum Erlaß der Rentenneuregelungsgesetze im Gegenteil mehrfach mit erkennbarer verschiedener rechtspolitischer Zielsetzung geändert worden (vgl. hierzu mit ausführlichen Angaben BSG 15, 134 ff und 17, 35 ff). Ab 1955/1956 wurden sie dann entscheidend durch die Kindergeldgesetzgebung beeinflußt bzw. abgeändert (vgl. KGAG vom 7.1.1955 -BGBl I 17- und KGEG vom 23.12.1955 -BGBl I 841 ff-). Ihr rechtspolitischer Zweck läßt sich daher für die ab 1957 geltende Fassung nur noch i.V.m. der sozialpolitischen Zielsetzung der Kindergeldgesetzgebung ermitteln. Deren Grundgedanke aber ist, den durch das Vorhandensein von Kindern bedingten erhöhten Aufwand einer Familie auszugleichen (BVerfG 11, 115), solange sich diese Kinder nicht selbst unterhalten können bzw. von ihnen spätestens erwartet werden kann, daß sie dies tun. Für Zeiten, in denen Kinder krank sind, hat die Funktion des Familienlastenausgleichs erhöhte Bedeutung. Bei der Waisenrente steht wie bei jeder Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die „UnterhaltsersatzfunktionZ im Vordergrund (vgl. u. a. BSG in SozR Nr. 8, 9 und 17 zu § 1265 RVO; Nr. 13 zu § 1267 RVO und BSG 9, 36, 38). Die Waisenrente wegen Schul- und Berufsausbildung nach Vollendung des 18. Lebensjahres hat darüber hinaus nach den heute geltenden sozialpolitischen Anschauungen noch – ähnlich wie das Kindergeld für die entsprechende Altersstufe – die Aufgabe, dem Kind und seinem Erziehungsberechtigten die Entscheidung für eine möglichst qualifizierte Berufsausbildung – die auch im allgemeinen Interesse liegt – zu ermöglichen oder zu erleichtern sowie die Realisierung der gewählten Ausbildung (mit) zu gewährleisten. Sie kann diesen Zweck nur erfüllen, wenn sichergestellt ist, daß die Waise, die sich im Vertrauen auf die Weitergewährung der Rente einem bestimmten Ausbildungsweg ohne Erwerbsmöglichkeit unterworfen hat, nicht plötzlich wegen einer längeren Krankheit aus dieser Ausbildung gegen ihren Willen durch Entzug der Rente herausgerissen wird. Abgesehen davon, daß die Folgen eines derartigen Entzugs der Waisenrente während der Ausbildungszeit sozialpolitisch unerwünscht sein müssen – erhöhte Gefahr des endgültigen Abbruchs der begonnenen Ausbildung –, widersprächen sie auch dem Zweck der Hinterbliebenenrente, den notwendigsten Unterhalt (teilweise) sicherzustellen, den sonst der Versicherte für das unterhaltsbedürftige Kind aufgebracht hätte oder hätte aufbringen müssen, gerade auch in Krankheitszeiten (vgl. §§ 1601, 1602 und 1610 Abs. 1 und 2 BGB). Dies gilt um so mehr, als der Wegfall der Waisenrente insoweit in der Regel nicht durch andere soziale Leistungen ausgeglichen wird. Die Waise, die in Schul- oder Berufsausbildung steht (vgl. u.a. BSG 14, 285 ff; 21, 185 ff und vom 30.6.1964 – 7 RKg 4/62), darf deshalb, auch wenn sie das 18. Lebensjahr schon vollendet hat, nicht dadurch zum Ausscheiden aus dem – selbst gewählten – Lebensbereich der Lernenden, Auszubildenden gezwungen werden, daß ihr die Waisenrente für Krankheitszeiten entzogen wird; das auch dann nicht, wenn sie sich wegen der Krankheit vorübergehend tatsächlich nicht der Ausbildung widmen kann. Ihre Ausbildung ist weder beendet noch abgebrochen, sie ist lediglich für die Dauer der Krankheit unterbrochen. Abgebrochen ist die Ausbildung nur, wenn sie wegen Krankheit deshalb nicht mehr erfolgreich fortgesetzt und beendet werden kann, weil die Krankheit ihrer Natur nach oder durch ihren Verlauf die Fortsetzung der Ausbildung unmöglich macht (z. B. wegen des Verlusts bestimmter Gliedmaßen oder Sinnesorgane, die für die Ausübung des erwählten Berufes unerläßlich sind: wegen des Auftretens von schweren Berufserkrankungen, die einen Berufswechsel erzwingen; wegen schwerer Geisteskrankheiten); in solchen Fällen entfällt auch der Anspruch auf die „verlängerte WaisenrenteZ. Überall dort aber, wo nach der Art der Erkrankung damit gerechnet werden kann, daß die Waise nach absehbarem Heilverlauf soweit gesundheitlich wiederhergestellt wird, daß sie die begonnene Berufsausbildung fortsetzen kann, muß jedenfalls das Ausbildungsverhältnis in der Regel als im Sinne des § 44 Abs. 1 AVG fortbestehend, die Waise folglich als noch in Berufs- oder Schulausbildung befindlich angesehen werden. Dies gilt jedoch nur in den Fällen, in denen die rechtliche Grundlage des Ausbildungsverhältnisses fortbesteht, der Lehrvertrag nicht gekündigt oder das Ausbildungsverhältnis nicht von der Waise aus beendet wurde und sowohl Ausbildender wie Waise den erkennbaren Willen haben, nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit die Ausbildung sofort fortzusetzen.

Im vorliegenden Fall läßt sich aus den Feststellungen des SG nicht entnehmen, daß eine endgültige und vollständige gesundheitliche Wiederherstellung des Klägers nicht in durchaus absehbarer Zeit zu erwarten gewesen ist. Der Unfall des Klägers hat nach den Feststellungen des SG nur eine vorübergehende gesundheitliche Beeinträchtigung im Sinne der obigen Ausführungen zur Folge gehabt; diese vorübergehende Arbeitsunfähigkeit hat daher nicht den Wegfall des Rechts auf Waisenrente nach § 69 AVG bewirken können. Der Anspruch des Klägers auf diese Rente ist somit – weil auch das Lehrverhältnis nicht aufgehoben worden ist – für die Krankheitszeit vom 1. Oktober 1959 bis 30. Juni 1960 gerechtfertigt. Soweit der Kläger die Rente für diese Zeit nicht bereits erhalten hat, ist sie ihm nachzuzahlen. Das Urteil des SG ist daher aufzuheben (§ 170 Abs. 2 SGG); die Bescheide der Beklagten sind aufzuheben, soweit sie den Entzug der Waisenrente für die Zeit der Krankheit des Klägers betreffen. Damit ist auch der Rückforderung die Grundlage entzogen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

Dr. Haueisen, Dr. Schwarz, Sonnenberg

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926729

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