Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweispflicht des Arbeitgebers beim Schlechtwettergeld. Lohnlisten. Rückforderung von Schlechtwettergeld. Vorbehalt der Rückforderung von Schlechtwettergeld. Rückforderungsanspruch. Aufzeichnungen auf der Baustelle. Amtsermittlungspflicht der BA

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber erbringt den ihm obliegenden Nachweis für das Vorliegen von Voraussetzungen zum Bezug des Schlechtwettergeldes (AFG § 72 Abs 3) in erster Linie durch richtig und vollständig angefertigte Aufzeichnungen, wie sie von der BA im Rahmen gesetzlicher Ermächtigung vorgeschrieben werden. Fehlt es an solchen Aufzeichnungen, so können auch andere betriebliche Unterlagen und Beweismittel zugrundegelegt werden, wenn sie gleich sicheren Aussagewert besitzen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die nach AFG § 79 Abs 3 aF iVm SWGAnO § 7 vorgeschriebenen Aufzeichnungen stellen selbst keine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch auf Schlechtwettergeld dar, sondern haben den Charakter eines - nicht ausschließlichen - Beweismittels für den geltend gemachten Anspruch. Bei den Besonderheiten des Schlechtwettergeldverfahrens sind an den Nachweis von Art und Umfang des Arbeitszeitausfalls besondere Anforderungen zu stellen, denen orts- und zeitnahe Aufzeichnungen am ehesten entsprechen. Neben den von der Bundesanstalt für Arbeit formularmäßig vorgeschriebenen Aufzeichnungen können auch andere Unterlagen des Betriebes herangezogen werden, wenn sie nach ihrem Inhalt und der Art ihrer Erstellung einen ebenso sicheren Aussagewert besitzen. Dasselbe gilt für andere Beweismittel, ausnahmsweise auch Zeugenaussagen, sofern sie entsprechend beweiskräftig sind.

 

Normenkette

AFG § 71 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 72 Abs. 3 Fassung: 1969-06-25, § 75 Fassung: 1969-06-25, § 79 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, Abs. 5 Fassung: 1969-06-25, § 142 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 151 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 152 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1969-06-02; SWGAnO § 7 Fassung: 1969-09-09; AFG § 79 Abs. 3 Fassung: 1969-06-25

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. August 1973 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung von Schlechtwettergeldleistungen an die Beklagte.

Der Kläger ist Inhaber eines Baugeschäftes. Für die Schlechtwetterperiode 1969/70 beantragte und erhielt er für die auf seinen Baustellen beschäftigten Arbeitnehmer Schlechtwettergeld (SWG). In den Bewilligungsbescheiden wies die Beklagte ausdrücklich darauf hin, daß die Abrechnungslisten über die SWG-Abrechnungszeiträume mit den Arbeitszeit- und Lohnunterlagen des Betriebes noch nicht verglichen worden waren. Das SWG wurde daher entsprechend dem Hinweis ausdrücklich nur unter dem Vorbehalt gezahlt, daß etwa zu Unrecht geleistete Beträge an das Arbeitsamt zurückzuzahlen sind, wenn sich nachträglich herausstellen sollte, daß die Voraussetzungen für die Gewährung des SWG dem Grunde oder der Höhe nach nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind. Dabei nahm die Beklagte auf eine Verpflichtungserklärung des Klägers vom 25. November 1969 zur Rückzahlung und auf den entsprechenden Inhalt eines Merkblattes über SWG Bezug.

Eine am 13. Oktober 1970 durchgeführte Überprüfung der von dem Kläger geführten SWG-Abrechnungslisten durch die Beklagte ergab, daß die auf den Baustellen geführten Tagesberichte und Wochenzettel teilweise keine Angaben über Beginn und Ende von Arbeitsversuchen an Ausfalltagen enthielten. Aus diesem Anlaß forderte die Beklagte vom Kläger das für diese Tage gewährte SWG einschließlich der darauf entfallenden anteiligen Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt DM 2.604,75 zurück (Bescheid vom 16. Oktober 1970; Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 1970). Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts - SG - Kiel vom 16. September 1971; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts - LSG - vom 24. August 1973). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die Rückzahlungspflicht seien erfüllt. Zwar stehe nicht fest, daß die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von SWG nicht vorgelegen hätten. Das könne aber dahinstehen; denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides komme es hierauf nicht an. Vielmehr sei allein entscheidend, ob der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von SWG in der vorgeschriebenen Form nachgewiesen habe. Den aufgrund von § 79 Abs. 3 AFG in der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über das Verfahren bei der Gewährung von SWG vom 9. September 1969 (ANBA 1969, 734 - SWG-Anordnung) ausgestalteten förmlichen Nachweis habe der Kläger weder bis zum Erlaß des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides noch später geführt. Der Kläger habe selbst eingeräumt, daß die auf seinen Baustellen gefertigten Tagesberichte und Wochenzettel im Zeitpunkt der Betriebsprüfung am 13. Oktober 1970 keine Eintragungen über den Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung von Arbeitsversuchen enthalten hätten. Eine nachträgliche Eintragung, wie sie der Kläger vorgenommen habe, könne nicht als ausreichend angesehen werden, weil die Ergänzungen nicht von den Ausstellern der Tagesberichte und Wochenzettel auf der Baustelle, sondern von fremder Hand vorgenommen wären. Bei den genannten Vorschriften handele es sich um Beweisvorschriften mit dem Zweck, anspruchsbegründende Vorgänge, die ausnahmslos in der Sphäre des Arbeitgebers stattfänden und vom Arbeitsamt daher kaum ausreichend kontrolliert werden könnten, festzuhalten. Da die Uhrzeiten für Beginn und Ende der Arbeitszeiten aber leicht vergessen werden könnten, habe es nicht genügt, dem Arbeitgeber die Nachweispflicht aufzuerlegen. Vielmehr habe er darüber hinaus verpflichtet werden müssen, den Nachweis mit einem zuverlässigen Beweismittel zu führen. Der Gesetzgeber habe zu diesem Zweck in § 79 Abs. 3 AFG die Bundesanstalt ermächtigt, Aufzeichnungen von Arbeitsstunden während der Schlechtwetterzeit vorzuschreiben. Nach § 7 SWG-Anordnung müsse dies zeit- und ortsnah geschehen. Diese Regelung überschreite nicht die Ermächtigung des § 79 Abs. 3 AFG. Somit gehöre der vom Arbeitgeber zu führende Nachweis durch Aufzeichnungen zu den Voraussetzungen im Sinne von § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG, deren Nichterfüllung zur Rückzahlung verpflichte. Zwar äußere sich weder das AFG noch die SWG-Anordnung darüber, welche Folgen die Nichterfüllung der Nachweispflicht habe; nach Sinn und Zweck der Aufzeichnungsvorschriften habe es einer derartigen ausdrücklichen Regelung jedoch nicht bedurft. Wie auch in anderen Rechtsgebieten verbinde sich mit einer Beweisführungspflicht die Last des Verpflichteten, den Nachteil der Nichterweislichkeit der von ihm nachzuweisenden rechtsbegründenden Tatsachen zu tragen. Der Kläger habe auch gewußt oder doch zumindest grobfahrlässig verkannt, daß er verpflichtet war, dem Arbeitsamt gegenüber den Nachweis der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen zu führen. Das Arbeitsamt habe ihn durch Rundschreiben vom Oktober 1969 noch vor Beginn der Schlechtwetterzeit darauf hingewiesen, daß es bei Nichterfüllung dieser Pflicht berechtigt sei, die gewährte Leistung zurückzufordern. Nach alledem sei der Tatbestand des § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG erfüllt. Dieser Auffassung stehe nicht entgegen, daß der Sachverhalt nach dem Amtsermittlungsgrundsatz durch das Gericht von Amts wegen zu ermitteln sei und es nach freier Beweiswürdigung entscheidet, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch gegeben seien, ohne dabei in den Beweismitteln beschränkt zu sein. Denn die Beteiligten stritten nicht darum, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für SWG vorgelegen hätten, sondern darum, ob die Beklagte das dem Kläger gezahlte SWG zurückfordern durfte. Das dürfe die Beklagte nicht erst dann, wenn feststehe, daß die Voraussetzungen für das SWG nicht vorgelegen haben, sondern schon dann, wenn der Arbeitgeber die Voraussetzungen nicht in der vorgeschriebenen Form nachgewiesen habe.

Mit der - zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §§ 72 Abs. 3, 79 Abs. 3 AFG idF vom 25. Juni 1969. Im wesentlichen wendet er sich dagegen, daß das LSG sich nicht ausreichend mit der Frage beschäftigt habe, ob die Anordnung der Beklagten von der Ermächtigung des § 79 Abs. 3 AFG gedeckt sei. Das LSG habe festgestellt, daß die Anordnung der Beklagten dem Rahmen der Ermächtigung entspreche. Es habe sich aber nicht damit auseinandergesetzt, daß nach der Ermächtigungsnorm nur Aufzeichnungen zu führen seien, nicht aber, wie es in der Anordnung stehe, daß dies auf der Baustelle zu geschehen habe. Die Anordnung sei durch die Ermächtigung nicht gedeckt. Der Gesetzgeber hätte zwar festlegen dürfen, daß auf den Baustellen Aufzeichnungen zu führen seien. Das habe er jedoch nicht getan, sondern vielmehr nur die Beklagte in ihrer Anordnung. Das sei rechtsstaatlich unzulässig. Das LSG könne auch nicht darauf abheben, daß Aufzeichnungen von fremder Hand stammten, wenn sie von Bediensteten des Klägers gemacht würden. Beweis sei angeboten für das Vorhandensein der Aufzeichnungen. Wenn diese später im Büro gewissenhaft ergänzt würden, so sei das kein Mangel. Darüber hinaus würden durch die Poliere die Arbeitszeiten festgehalten. Dies müsse der Nachweispflicht des Klägers genügen. Schließlich sei auch darauf hinzuweisen, daß es sich bei den Anforderungen der Beklagten um neue Regelungen handele. Es sei dem Kläger nicht zuzumuten, jede neue Regelung zu verfolgen und wahrzunehmen. Wenn daher der Kläger in jedem Fall durch Vorlegen der Aufzeichnungen von den Polieren die Arbeitszeiten nachweisen könne, so läge auf seiten des Klägers noch keine grobe Fahrlässigkeit darin, daß diese Zeiten nicht ausdrücklich in die SWG-Bögen eingetragen seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. August 1973 und des Sozialgerichts Kiel vom 16. September 1971 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1970 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und führt ergänzend aus: Bei den Voraussetzungen des § 79 Abs. 3 AFG handele es sich um materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzungen. Um der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, diese Anspruchsvoraussetzungen anhand des Zeitpunkts des Beginns und der Beendigung der Arbeiten am Ausfalltag und der Anzeigenerstattung zu prüfen, habe § 7 SWG-Anordnung die beanstandete Fassung erhalten. Die neutrale Fassung des Gesetzes schließe auch Aufzeichnungen über die zeitliche Verteilung der geleisteten Arbeitsstunden ein. Fehlten die für die Ausfalltage maßgebenden exakten Zeitangaben, so sei es der Verwaltung und den Gerichten objektiv unmöglich, das Vorliegen der in § 75 Abs. 3 AFG genannten materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen nachzuprüfen. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache seien von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten wolle.

Der Rückforderungsanspruch stütze sich zunächst auf die Verpflichtungserklärung des Klägers vom 25. November 1969 sowie auf die Bescheide des Arbeitsamtes Kiel vom 14. Januar 1970 und vom 23. April 1970. Der Kläger habe das zu Unrecht gewährte SWG aber auch gemäß § 78 AFG i. V. m. § 71 AFG zu erstatten, weil er die Leistungsüberzahlung durch die Unterlassung entsprechender Aufzeichnungen grobfahrlässig bewirkt habe. Gerade bei Rechtsänderungen habe sich der Arbeitgeber besonders sorgfältig mit Neuerungen und Änderungen gegenüber der früheren Rechtslage vertraut zu machen. Zu diesem Zwecke seien auch von den Innungen und Arbeitsämtern Informationsmaterialien ausgegeben worden. Außerdem müsse auf die maßgebenden Erläuterungen in den Ziffern 17, 20 und 21 des dem Kläger ausgehändigten Merkblatts hingewiesen werden, dessen Beachtung mit jedem Antrag auf Gewährung von SWG bestätigt werde. Würden trotz der umfassenden Aufklärung wesentliche Pflichten nicht erfüllt, so sei auch bei großzügiger Beurteilung davon auszugehen, daß die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem besonders schweren Maß außer acht gelassen worden und damit grobe Fahrlässigkeit gegeben sei. Die Rückforderung des Betrages von DM 2.604,75 könne darüber hinaus auch auf die speziellen Rechtsvorschriften im AFG gestützt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1970. Der Bescheid enthält zwei Verfügungssätze, nämlich in Bezug auf im einzelnen angegebene Schlechtwettertage die (teilweise) Aufhebung früherer Bewilligungsbescheide und die Rückforderung der dadurch entstandenen Leistungsüberzahlung (vgl. BSGE 37, 155, 157). Hiergegen wendet sich der Kläger.

Für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides kommt es entgegen der Meinung des LSG darauf an, ob materiell-rechtlich die Voraussetzungen zum Bezug von SWG für die in Rede stehenden Zeiten vorgelegen haben oder nicht. Nur sofern sie nicht vorgelegen haben oder später weggefallen sind, durfte die Beklagte die Bewilligungsentscheidungen entsprechend aufheben (§ 151 Abs. 1 AFG). Erst danach durfte sie die zu Unrecht erbrachten Leistungen durch Geltendmachen ihres der Bewilligung beigegebenen Vorbehalts zurückfordern. Der Senat hat die Zulässigkeit von Vorbehaltszahlungen im Bereich der Schlechtwettergeldregelung bereits anerkannt und entschieden, daß sich die Beklagte in Fällen dieser Art auf die Zahlung unter Vorbehalt als ausreichende Rechtsgrundlage für einen Rückforderungsanspruch berufen kann (vgl. SozR Nr. 1 zu § 68 AFG, BSGE 37, 155, 158). So ist es auch hier. Der den Bewilligungsbescheiden der Beklagten beigegebene Vorbehalt der Rückforderung bei überzahlten Leistungen ist lediglich davon abhängig gemacht worden, daß - wie im Rahmen des § 151 Abs. 1 AFG - die Voraussetzungen - nicht vorgelegen haben oder später wieder weggefallen sind. Hiermit deckt sich die Erklärung des Klägers vom 25. November 1969, in der er sich zur Rückzahlung zuviel erhaltener Beträge verpflichtete, wenn und soweit die Überzahlung u. a. durch die Zahlung unter Vorbehalt der späteren Rückforderung entstanden ist. Auf die Frage eines Verschuldens des Klägers käme es danach für den Rückforderungsanspruch der Beklagten aufgrund ihres Vorbehalts nicht an.

Ein vom Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen unabhängiges Rückforderungsrecht der Beklagten ergibt sich entgegen der Auffassung des LSG auch nicht aus § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG. Danach ist eine zu Unrecht empfangene Leistung insoweit zurückzuzahlen, als der Empfänger wußte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß die Voraussetzungen für die Leistung nicht vorlagen. Es kann hier offen bleiben, ob der Arbeitgeber überhaupt Empfänger der Leistung (das ist das SWG) im Sinne § 152 Abs. 1 AFG ist; jedenfalls käme es auch für den Rückforderungstatbestand des § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG darauf an, daß die Voraussetzungen für die Leistung nicht vorlagen. Hierbei handelt es sich, ebenso wie bei dem vorbehaltenen Rückforderungsanspruch, um die Frage nach den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs. Entsprechendes gilt für den Erstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber nach § 71 AFG, dessen Regelung auch im Bereich des SWG Anwendung findet (vgl. § 78 AFG idF des Gesetzes vom 25. Juni 1969 - BGBl I 582 -). Die Vorschriften des AFG in dieser Fassung (AFG aF) und die SWG-Anordnung vom 9. September 1969 sind auch maßgebend für die Frage, ob im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für den Bezug von SWG vorgelegen haben.

Nach § 75 Abs. 1 Ziff. 2 i. V. m. Abs. 3 AFG aF ist die Gewährung von SWG u. a. zulässig, wenn die Arbeit spätestens drei Stunden nach betriebsüblichem Beginn der Arbeitsschicht aus zwingenden witterungsbedingten Gründen abgebrochen werden muß. Diese Regelung einer betrieblichen Voraussetzung für den Anspruch auf SWG macht es erforderlich, Beginn und Ende derartiger Arbeitsversuche genau festzustellen. Diesem Gedanken entspricht die Regelung in § 7 SWG-Anordnung über das Führen von entsprechenden Aufzeichnungen durch den Arbeitgeber. Allerdings kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, daß es der Kläger unterlassen hat, auf seinen Baustellen die erforderlichen Unterlagen anzufertigen. § 7 SWG-Anordnung ist nämlich nicht rechtens, soweit dort vorgeschrieben wird, daß der Arbeitgeber die Aufzeichnungen "auf der Baustelle" zu führen hat. Dieser den Ort der Erstellung von Aufzeichnungen vorschreibende Teil der Anordnung ist von der Ermächtigung des Gesetzes in § 79 Abs. 3 AFG aF nicht mehr gedeckt. Nach dieser Vorschrift kann die Bundesanstalt für Arbeit bestimmen, daß Aufzeichnungen zu führen und wie lange diese aufzubewahren sind. Mag diese Ermächtigung noch das Recht umfassen, Näheres zum Inhalt und zur Form von Aufzeichnungen vorzuschreiben, so gilt dies nicht mehr für die Frage, wo die Aufzeichnungen herzustellen sind. Es ist von der Beklagten auch weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, daß dem Führen der Aufzeichnungen "auf der Baustelle" eine entscheidende Bedeutung für das Festhalten und Feststellen des witterungsbedingten Arbeitszeitausfalles beikäme. Hinzu kommt, daß die Beklagte bei Prüfung der betrieblichen Unterlagen selbst unmittelbar nach Einreichung der Abrechnungslisten für SWG nicht mehr feststellen könnte, ob die Arbeitszeitnachweise auf der Baustelle oder an einem anderen Ort, z. B. im Lohnbüro, gefertigt worden sind. So geht die Beklagte auf Seite 4 ihres Rundschreibens vom Oktober 1969, durch welches der Kläger nach den Feststellungen des LSG über seine Pflichten beim SWG-Bezug belehrt worden ist, auch ihrerseits davon aus, daß die Zahlung von SWG nicht möglich sei, wenn die Unterlagen "bei Prüfungen nicht lückenlos und ordnungsgemäß geführt vorgelegt werden könnten". § 88 Abs. 3 AFG idF des Zweiten Änderungsgesetzes zum AFG vom 19. Mai 1972 (BGBl I 791), der die Regelung von § 7 SWG-Anordnung in das Gesetz aufnimmt, enthält schließlich gleichermaßen nicht die Verpflichtung, die fraglichen Aufzeichnungen "auf der Baustelle" zu führen.

Der Anspruch auf SWG für die in Rede stehenden Tage scheitert ferner nicht bereits daran, daß die vom Kläger geführten Arbeitszeitunterlagen für die fraglichen Zeiten keine Angaben über Beginn und Ende der behaupteten Arbeitsversuche enthalten. Die nach § 79 Abs. 3 AFG aF i. V. m. § 7 SWG-Anordnung vorgeschriebenen Aufzeichnungen stellen selbst keine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch auf SWG dar. Sie haben vielmehr die Funktion, die Überprüfung von Leistungsvoraussetzungen zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. BT-Drucks. V/2291 zu § 73 Abs. 3; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm. zum AFG, § 88 Rdn. 26; Krebs, Komm. zum AFG, § 88 Rdn. 14). Daraus erhellt, daß die Aufzeichnungspflicht eine zwar wesentliche Regelung des Verwaltungsverfahrens bei der Geltendmachung von SWG-Leistungen darstellt, ihre Verletzung aber noch nichts über das Bestehen oder Nichtbestehen des SWG-Anspruchs als solchen aussagt (a. A. ohne nähere Begründung Schönefelder/Kranz/Wanka aaO).

Die Aufzeichnungen nach § 79 Abs. 3 AFG i. V. m. § 7 SWG-Anordnung haben den Charakter eines Beweismittels für den geltend gemachten Anspruch. Während die Mitwirkungspflicht des Antragstellers bei anderen Ansprüchen nach dem AFG auf die Angabe und Glaubhaftmachung von Tatsachen beschränkt ist (vgl. § 142 AFG), verpflichtet § 79 Abs. 5 AFG aF i. V. m. § 72 Abs. 3 AFG den Arbeitgeber, dem Arbeitsamt die Voraussetzungen für die Gewährung von SWG nachzuweisen. § 72 Abs. 3 AFG enthält gegenüber § 142 AFG die speziellere Regelung (lex specialis); d. h., für den Bereich des SWG genügt es nicht, daß der Arbeitgeber das Vorliegen von anspruchsbegründenden Tatsachen lediglich glaubhaft macht, vielmehr hat er die Anspruchsvoraussetzungen zu beweisen. Das ist ein wesentlich höherer, nämlich ein an Gewißheit grenzender Grad der Wahrscheinlichkeit, als er bei Glaubhaftmachung gefordert wird (so wohl auch Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, vor § 142 Rdn. 1 und 2, widersprüchlich dazu aber § 72 Rdn. 20 und § 88 Rdn. 19; ebenso Krebs aaO, § 72 Rdn. 15 und § 88 Rdn. 18, widersprüchlich dazu jedoch möglicherweise § 142 Rdn. 2). Diese in § 72 Abs. 3 AFG dem Arbeitgeber auferlegte Beweispflicht stellt für die Beklagte eine verfahrensmäßige Begünstigung dar. Im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht (vgl. Grundsätzliche Entscheidung des Reichsversicherungsamtes Nr. 3208, Amtliche Nachrichten 1928 IV 245; BSGE 3, 5, 9; s. auch § 144 AFG) kann die Beklagte infolge der Regelung des § 72 Abs. 3 AFG, der dem Arbeitgeber für den Bereich des SWG eine Beweisführungspflicht auferlegt, höhere Beweismittelanforderungen zur Feststellung der Leistungsvoraussetzungen stellen.

Dabei ist jedoch nicht gesagt, daß der Nachweis von witterungsbedingten Arbeitsausfällen durch den Arbeitgeber nur und ausschließlich auf eine Weise geführt werden dürfte und könnte, nämlich durch die von der Beklagten vorgeschriebenen Aufzeichnungen. Der § 72 Abs. 3 AFG enthält keine Regelung über die Art der Beweisführung. Auch § 79 Abs. 3 AFG aF spricht ebenso wie § 7 SWG-Anordnung nur von Aufzeichnungen, die der Arbeitgeber zu führen und aufzubewahren hat. Nach Sinn und Zweck dieser Unterlagen ergibt sich zwar, daß sie der dem Arbeitgeber auferlegten Beweisführungspflicht dienen sollen. Hierbei wird dem vom LSG hervorgehobenen Gedanken Rechnung getragen, daß es wegen der Besonderheiten des witterungsbedingten Arbeitsausfalls im Baugewerbe während der Schlechtwetterzeit erforderlich ist, möglichst sichere Beweismittel für die rasch wechselnden Gegebenheiten zur Verfügung zu halten. Insofern wirken die Aufzeichnungen auch als Beweiserleichterung für den Arbeitgeber. Richtig und vollständig angefertigt ergeben sie für die entsprechenden Tatsachen nämlich den Beweis, den der Arbeitgeber nach § 72 Abs. 3 AFG zu erbringen hat.

Die Anordnung, solche Aufzeichnungen zu führen, hat jedoch nicht den Charakter einer absoluten Beweiseinschränkung. § 7 SWG-Anordnung ist insoweit nur eine Ordnungsvorschrift. Das zeigen auch die Bußgeldvorschriften des AFG. Nach § 230 Abs. 1 Ziff. 2 AFG aF handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 72 Abs. 3 Satz 1 oder entgegen § 79 Abs. 5 AFG i. V. m. § 72 Abs. 3 Satz 1 AFG einen Nachweis nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erbringt. Nach Ziff. 3 des § 230 AFG aF handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Anordnung zur Führung und Aufbewahrung von Arbeitszeitnachweisen gem. § 79 Abs. 3 AFG aF zuwider handelt. Wären die Aufzeichnungen das einzige zulässige Beweismittel, dann würde bei ihrem Fehlen neben Ziff. 3 auch stets die Ziff. 2 erfüllt sein, da ein Nachweis nach § 79 Abs. 5 AFG aF i. V. m. § 72 Abs. 3 Satz 1 AFG nie erbracht würde. Dann wiederum wäre die Ziff. 3 von § 230 Abs. 1 AFG aF überflüssig. Danach hat der Gesetzgeber durchaus Fälle gesehen, in denen zwar keine Aufzeichnungen gefertigt worden sind - also § 230 Abs. 1 Ziff. 3 AFG aF erfüllt ist -, dennoch aber ein erforderlicher Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen geführt sein kann, so daß keine Ordnungswidrigkeit nach § 230 Abs. 1 Ziff. 2 AFG aF vorliegt. Sind aber Nachweis- und Aufzeichnungspflichtverletzung als zwei eigenständige Bußgeldtatbestände aufgeführt, kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie durch ein und dieselbe Unterlassung stets verwirklicht wären.

Die schon erwähnten tatsächlichen Besonderheiten des SWG-Verfahrens machen es jedoch erforderlich, an den - infolge der nachträglichen Überprüfung der Unterlagen durch die Beklagte - oft zeitlich erst wesentlich später zu führenden Nachweis von Art und Umfang des Arbeitszeitausfalles besondere Anforderungen zu stellen. Orts- und zeitnahe Aufzeichnungen sind hier das am ehesten geeignete Beweismittel. Dabei braucht es sich jedoch nicht nur um die von der Beklagten formularmäßig vorgeschriebenen Aufzeichnungen zu handeln. Auch andere Unterlagen des Betriebes, z. B. Lohnlisten und dergleichen, denen die erforderlichen Daten zu entnehmen sind, können herangezogen werden, wenn sie vom Inhalt und von der Art ihrer Erstellung gleich sicheren Aussagewert besitzen wie Aufzeichnungen nach § 7 SWG-Anordnung. Dasselbe gilt für andere Beweismittel, ausnahmsweise auch Zeugenaussagen, sofern sie entsprechend beweiskräftig sind. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung des Tatsachengerichts. Der Senat vermag die Bedenken der Beklagten und der Vordergerichte wegen eines erhöhten Verwaltungsaufwandes und Manipulationsrisikos nicht zu teilen. Schon wegen des Beweiswertes der vorgeschriebenen Aufzeichnungen und der bei ihrem Fehlen für den Arbeitgeber entstehenden Beweisschwierigkeiten wird das Berufen auf andere Beweismittel auf Einzelfälle beschränkt bleiben, z. B. wenn die zunächst ordnungsgemäß geführten Aufzeichnungen unverschuldet verloren gegangen oder vernichtet worden sind. Kann der Arbeitgeber den nach der Anordnung erforderlichen Aufzeichnungen gleichwertige, wenn auch andere schriftliche Beweismittel vorlegen, ist nicht erkennbar, woraus daher für die Beklagte ein höherer Verwaltungsaufwand entstehen soll. Könnte der Arbeitgeber ferner auch die vorgeschriebenen Aufzeichnungen risikolos unredlich führen, wird die Gefahr des Mißbrauchs dadurch nicht größer, daß er mit Hilfe anderer Beweismittel ebenso verfährt. Demgegenüber darf jedenfalls der Grundsatz nicht zurücktreten, daß berechtigte Sozialleistungsansprüche ihrem Sinn und Zweck nach erfüllt werden sollen, wenn ihre Voraussetzungen sich mit dem nach dem Gesetz erforderlichen Grad der Gewißheit beweisen lassen.

Ist nach allem davon auszugehen, daß der Rückforderungsanspruch der Beklagten nur gegeben ist, wenn ein Anspruch des Klägers auf SWG-Leistungen für die fragliche Zeit nicht besteht, so mußte das LSG nach dem Grundsatz der Amtsermittlung gem. § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die hierfür erforderlichen Beweis erheben und einer Beweiswürdigung nach § 128 SGG unterziehen. Insbesondere durfte es die vom Kläger als Ersatz für fehlende Aufzeichnungen angebotenen anderen Beweise für die behaupteten Arbeitszeitausfälle nicht unbeachtet lassen. Da es somit an ausreichenden Feststellungen durch das LSG fehlt, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1649115

BSGE, 23

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge