Leitsatz (amtlich)

Das für die Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister erforderliche Nachpraktikum ist von der Förderung nach dem AFG nicht ausgeschlossen; denn es ist Bestandteil der Bildungsmaßnahme und entspricht in seiner Ausgestaltung den Anforderungen von AFG § 34 iVm AFuU § 5 (Fassung: 1969-12-18).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Unterweisung des Nachpraktikanten durch einen geprüften Masseur ist praktische Unterweisung durch eine Lehrkraft iS von AFuU § 5 Abs 1 Fassung: 1969-12-18 und ganztägiger Unterricht iS von AFG § 44.

Der Anspruch auf Unterhaltsgeld wird durch eine Entlohnung für die Zeit der praktischen Tätigkeit nicht ausgeschlossen. AFG § 47 Abs 2 enthält kein Aufstockungsverbot, sondern begrenzt die Leistungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit lediglich der Höhe nach.

2. Der Antrag auf Förderung einer Umschulung umfaßt die gesamte Bildungsmaßnahme (hier: Lehrgang und Praktikum); ein später für einen Abschnitt der Bildungsmaßnahme gestellter Antrag hat keine selbständige Bedeutung.

In der Bewilligung von Leistungen nur bis zum Abschluß eines Abschnittes der Bildungsmaßnahme (hier: des Lehrgangs) liegt keine Ablehnung von Leistungen für einen späteren zur Gesamtmaßnahme gehörenden Umschulungsabschnitt (hier: des Praktikums).

 

Normenkette

AFG § 47 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 34 S. 1 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 24 Fassung: 1971-09-09, § 5 Abs. 1 Fassung: 1969-12-18; AFG § 47 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 44 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-06-25

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. September 1974 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 25. Mai 1973 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte ein Nachpraktikum zu fördern hat, das der Kläger durchlaufen muß, um "Masseur und medizinischer Bademeister" zu werden.

Der Kläger war nach Abschluß der mittleren Reife zunächst vier Jahre bei der Bundeswehr. Er wurde dort als Krankenpfleger ausgebildet und eingesetzt. Danach begann er eine Ausbildung zum "Masseur und medizinischen Bademeister". Vom 5. Oktober 1970 bis 14. September 1971 durchlief er einen Lehrgang an der staatlich anerkannten Massageschule des Städtischen Krankenhauses F und schloß ihn mit der vorgeschriebenen Prüfung ab. Die Beklagte förderte diesen Lehrgang durch die Gewährung von Unterhaltsgeld - Uhg - (zuletzt 205,80 DM wöchentlich) und Zahlung der notwendigen Kosten, soweit nicht der Berufsförderungsdienst der Bundeswehr ebenfalls Leistungen für diesen Lehrgang erbrachte. Anschließend bewilligte die Beklagte dem Kläger noch für die Zeit vom 17. September 1971 bis 30. September 1971 Uhg gemäß § 44 Abs. 5 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Ab 1. Oktober 1971 (bis zum 31. März 1973) nahm der Kläger an einem Nachpraktikum teil, das außer dem Lehrgang und der Prüfung noch erforderlich ist, um als Masseur und medizinischer Bademeister tätig werden zu dürfen. Er erhielt in dieser Zeit eine monatliche Entlohnung von 932,49 DM brutto.

Der Antrag des Klägers, ihm auch für die Dauer der praktischen Tätigkeit Leistungen nach dem AFG weiter zu gewähren (eingegangen am 11. Juli 1972), wurde abgelehnt (Bescheid vom 13. Juli 1972 und Widerspruchsbescheid vom 10. August 1972). Die Beklagte vertrat die Auffassung, daß das Nachpraktikum nicht der Ausbildung diene, sondern lediglich abzuleisten sei, um die Erlaubnis zur Ausübung des Berufes zu erhalten. Es sei daher nicht der beruflichen Bildungsmaßnahme zuzuordnen.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage hatte Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - Fulda vom 25. Mai 1973). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Bei dem Nachpraktikum handele es sich um eine Maßnahme (der Umschulung) mit berufsbegleitendem Unterricht. Uhg könne der Kläger dafür nicht erhalten, da er während der Maßnahme weder an ganztägigem Unterricht (Vollzeitunterricht) teilnehme noch durch den Unterricht ein Drittel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ausfiele (§§ 44 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 2 AFG). Nach § 21 Abs. 3 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Masseure und für Masseure und medizinische Bademeister vom 7. Dezember 1960 - APO - (BGBl I 1960, 880) seien lediglich 150 Unterrichtsstunden verbindlich vorgeschrieben. Lege man diese Stundenzahl auf die 1 1/2 jährige Dauer des Nachpraktikums um, ohne Zeiten des Urlaubs oder sonstiger Arbeitsbefreiung zu berücksichtigen, so besuche der Kläger wöchentlich durchschnittlich nur zwei Stunden. Der Gewährung von Uhg stehe darüber hinaus die Vorschrift des § 47 Abs. 2 AFG entgegen, wonach Leistungen insoweit nicht zu gewähren seien, als der Arbeitgeber gleichartige Leistungen erbringe oder voraussichtlich erbringen werde. Der Kläger erhalte aber während der Dauer des Nachpraktikums ein festes Arbeitsentgelt.

Mit der - zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Er macht geltend, die angefochtene Entscheidung beruhe auf einer unrichtigen Anwendung des § 47 Abs. 1 und 2 AFG und des § 44 AFG, und bringt hierzu insbesondere vor: Entgegen der Ansicht des LSG handele es sich bei der Durchführung des Praktikums um einen "ganztägigen Unterricht" im Sinne von § 44 Abs. 1 AFG. "Ganztägiger Unterricht" liege nämlich nicht nur dann vor, wenn ganztägig Lehrstunden zur Vermittlung theoretischer Kenntnisse erteilt würden. Auch die praktische Unterweisung sei als Unterricht zu werten. Diese Auslegung ergebe sich aus § 5 Abs. 1 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 - AFuU 1969 -, der auf § 34 Abs. 1 AFG verweise. Eine andere Begriffsbestimmung sei auch nicht aufgrund des § 21 Abs. 3 der APO für Masseure und Masseure und medizinische Bademeister vom 7. Dezember 1960 möglich, da sich der dort verwendete Begriff Unterricht nicht mit dem des § 44 AFG decke. § 21 APO spreche lediglich den theoretischen Unterricht an, während § 44 AFG auch die praktische Unterweisung erfasse. Während des gesamten Praktikums habe er - der Kläger - unter Ausbildung und Aufsicht von Lehrkräften gestanden, die ihm entweder theoretische Kenntnisse vermittelt oder praktische Unterweisung erteilt hätten. Entgegen der Ansicht des angefochtenen Urteils stehe § 47 Abs. 2 AFG einer Förderung nicht entgegen. Da die Leistungen nach § 47 Abs. 1 AFG über die vom Arbeitgeber während der Praktikantenzeit gewährte Vergütung hinaus gingen, sei eine Gleichstellung der Leistungen des Arbeitgebers mit denen des AFG nicht möglich. Darüber hinaus könne das geleistete Entgelt nicht als Arbeitsentgelt angesehen werden. Die Ausbildungsverträge des Klägers enthielten lediglich die Verpflichtung zur Zahlung einer Ausbildungsbeihilfe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte nach Klageantrag zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest, daß der eigentliche Bildungsgang durch Ablegen der staatlichen Prüfung beendet gewesen sei. Das Nachpraktikum diene nur noch der Erlangung einer Erlaubnis zur Führung einer Berufsbezeichnung bzw. zur Ausübung eines Berufes und könne nicht als Teil einer Gesamtbildungsmaßnahme gelten - so ausdrücklich § 6 Abs. 3 Satz 2 AFuU 1971 -. In seiner Durchführung trage das Nachpraktikum außerdem auch nicht den Charakter einer beruflichen Bildungsmaßnahme. Weder die - zeitlich unmöglich durchgängige und daher zwangsläufig oberflächliche - Aufsicht noch der theoretische Unterricht von umgerechnet lediglich zwei Wochenstunden könnten dazu führen, hier eine Unterrichtung im Sinne des § 34 AFG i. V. m. § 5 Abs. 1 AFuU 1969 zu sehen. Die Voraussetzung, daß nach einem festen Lehrplan eine Wissensvermittlung durch Lehrkräfte erfolge, sei für die Dauer des Praktikums nicht erfüllt. Es stelle vielmehr eine Beschäftigung dar, deren Inhalt in erster Linie die Erbringung von Arbeitsleistung sei, hinter der der Unterricht zurückstehe. Mit der Bestimmung des § 5 Abs. 1 AFuU 1969, daß die praktische Unterweisung durch Lehrkräfte zu erfolgen habe, sei an die handwerkliche Ausbildung gedacht worden. Hier sei insbesondere die praktische Ausbildung in einer Lehrwerkstatt unter Anleitung einer ausgebildeten Lehrkraft gemeint gewesen. Es widerspräche dem geltenden allgemeinen Bildungssystem, wenn darüber hinaus jede ausgelernte Kraft als Lehrkraft im Sinne des § 5 AFuU 1969 anzusehen sei. Gegen die Zugehörigkeit des Praktikums zur Umschulungsmaßnahme spreche ferner, daß sie nicht mit einem qualifizierenden Abschluß ende. Etwas anderes könne auch nicht aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Förderung der Umschulung zum Volksschullehrer entnommen werden (vgl. u. a. Urteile vom 21. Mai 1974 und 24. September 1974 -7 RAr 15/72 sowie 37/72 und 56/74). Der Vorbereitungsdienst des Volksschullehrers ende zwingend mit der Ablegung einer zweiten Staatsprüfung, während der geprüfte Masseur seine Beschäftigung als Praktikant ohne jede Leistungskontrolle durchführe und abschließe. Auch nach dem Berufsbildungsgesetz schließe ein Bildungsgang mit der jeweiligen Prüfung ab (§§ 14 Abs. 2, 46 Abs. 1, 47 Abs. 2 BBiG). Die Tatsache, daß ein die Berufsausübung regelndes Gesetz vor die Anerkennung oder Erlaubnis ein Praktikum gesetzt habe, besage nicht, daß dieses noch zur Berufsausbildung gehöre. Das zeige sich am Beispiel der Medizinalassistenten- oder Apothekerapprobantenzeiten, die nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (§ 2 Abs. 4 BAföG) nicht förderbar seien. Das Anerkennungspraktikum sei darüber hinaus auch nicht mit dem Vorbereitungsdienst des Volksschullehrers vergleichbar. Anders als beim Volksschullehrer finde auch der Masseur ohne Erlaubnisurkunde Arbeitsplätze, die der Zielsetzung des § 47 Abs. 1 AFG durchaus gerecht würden. Abschließend sei darauf hinzuweisen, daß bei einer Einbeziehung des Nachpraktikums zusätzlich zum Vorpraktikum und Schulbesuch zu einer Gesamtbildungsmaßnahme Bildungsgänge nicht mehr gefördert werden können, die die Beklagte bisher fördere. Es werde dann die Höchstförderungsdauer von drei Jahren überschritten. Eine Teilförderung sei aber aufgrund des Urteils des erkennenden Senats vom 29. März 1973 (BSGE 36, 1) nicht möglich.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat zu Unrecht eine Förderung für die Dauer des Nachpraktikums bereits dem Grunde nach abgelehnt.

Die Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister ist für den Kläger inhaltlich eine Umschulung. Für die Abgrenzung zwischen Fortbildung und Umschulung ist entscheidend, ob die im bisherigen Beruf erlernten Fertigkeiten in den angestrebten Beruf mit übernommen werden (Fortbildung) oder ob diese Fertigkeiten entweder nicht oder nur unwesentlich für die andere geeignete berufliche Tätigkeit im Sinne des § 47 Abs. 1 AFG Bedeutung haben, insoweit also ein Beruf mit neuem Inhalt erlernt wird. Im Verhältnis zu dem vom Kläger bisher erlernten und ausgeübten Beruf eines Krankenpflegers hat der angestrebte Beruf eines Masseurs und medizinischen Bademeisters einen anderen Inhalt. Die Tätigkeiten des Krankenpflegers erstrecken sich im allgemeinen auf die Grundpflege, hauswirtschaftliche Arbeiten sowie die Gesundheitsfürsorge für Kranken (Blätter für Berufskunde Bd. 2, 2 - II A 10, S. 1). Die Tätigkeit des Masseurs und medizinischen Bademeisters vollzieht sich demgegenüber auf dem Bereich der Therapie, speziell der Physiotherapie. Hier unterstützt er den Arzt bei dessen Aufgaben, Krankheiten zu heilen oder zu lindern (Blätter für Berufskunde Bd. 2, 2 - II A 12, S. 1). Selbst wenn sich hier und da einige Berührungspunkte zum Krankenpfleger ergeben sollten, so zeigt doch die unterschiedliche Aufgabenstellung, daß aus dem Beruf des Krankenpflegers keine wesentlichen Kenntnisse und Fertigkeiten in den Beruf des Masseurs und medizinischen Bademeisters mit übernommen werden können.

Als Umschulung ist dabei nicht nur der vorgeschriebene Lehrgang nebst Prüfung zu bewerten, sondern auch das anschließende Nachpraktikum. Eine getrennte Betrachtung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der Lehrgang nebst Prüfung allein noch nicht zu einem auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf führt. Nach dem Gesetz über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 (BGBl I, 985) darf nur derjenige einen der genannten Berufe ausüben, der erstens an einem Lehrgang teilgenommen, zweitens die Prüfung bestanden und drittens das Nachpraktikum abgeleistet hat. Vor Erfüllung dieser drei Voraussetzungen darf er entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht in geringerem Umfang als (eine schlechter bezahlte) Hilfskraft im Bereich der Massage usw. tätig werden. Im Hinblick auf die mit diesen Therapieformen verbundenen Gefahren wurde früher sogar die Auffassung vertreten, daß sie nur von Ärzten auszuführen sei (vgl. Blätter für Berufskunde Bd. 2, 2 - II A 12, Ziff. 3). Wenn diese Bereiche inzwischen für medizinische Hilfskräfte geöffnet worden sind, so wird aus diesen Überlegungen deutlich, daß die gesetzlich vorgesehenen Anforderungen unabdingbare Mindestvoraussetzungen sind, die erfüllt sein müssen, bevor jemand - sei es selbständig oder unselbständig - überhaupt als Masseur, als Krankengymnast oder als Masseur und medizinischer Bademeister tätig werden kann. Wenn aber somit feststeht, daß durch den Abschluß des Lehrgangs - ohne Nachpraktikum - noch kein auf dem Arbeitsmarkt verwertbarer Beruf erreicht ist, kann dieser Bildungsstand auch nicht Ausgangspunkt für die Überlegung sein, ob weitere Bildungsbemühungen als Fortbildung oder Umschulung einzustufen sind.

Das gleiche Ergebnis folgt aber auch daraus, daß Lehrgang, Prüfung und Nachpraktikum gesetzlich zu einem einheitlichen Bildungsgang verbunden sind. Die Tatsache, daß sie von unterschiedlichen Maßnahmeträgern durchgeführt werden, ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung.

Die Feststellung, daß Lehrgang und Prüfung allein noch zu keinem auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf führen, hat zugleich zur Folge, daß das Nachpraktikum zur Umschulungsmaßnahme gehört und bei der Ermittlung der Maßnahmedauer zu berücksichtigen ist. Die Begrenzung der Förderung von Maßnahmen auf solche, die nicht länger als drei Jahre dauern (§ 47 Abs. 3 Satz 2 AFG, § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969), soll bewirken, daß Umschulungen in möglichst kurzer Frist zum Abschluß gebracht werden, um den betroffenen Arbeitnehmer möglichst bald dem Arbeitsmarkt wieder zuzuführen (vgl. dazu BSGE 36, 1, 3). Die Förderung der Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister wird durch die Dreijahresgrenze nicht ausgeschlossen; denn die gesamte Ausbildung des Klägers umfaßt nur 2 1/2 Jahre (ein Jahr Lehrgang und einundeinhalbes Jahr Praktikum). Da die Lehrgangsdauer zwei Jahre übersteigt, kann die Ausbildung allerdings nur gefördert werden, wenn das Bildungsziel nicht auf andere Weise verwirklicht werden kann (§ 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969). Diese Voraussetzung ist ebenfalls gegeben, da der Ausbildungslehrgang gesetzlich festliegt und das vom Kläger angestrebte Berufsziel auf andere (kürzere) Weise nicht erreicht werden kann.

Die von der Beklagten vertretene Meinung, das hier streitige Praktikum könne deshalb nicht mit dem voraufgegangenen Lehrgang (und der anschließenden Prüfung) als eine einheitliche Bildungsmaßnahme angesehen werden, weil dann die Umschulung zu anderen Berufen, bei denen ebenfalls ein Praktikum durchlaufen werden müsse und die die Beklagte bisher gefördert habe, wegen Überschreitens der zeitlichen Grenze von drei Jahren nicht mehr gefördert werden dürften, geht fehl. Sie verkennt dabei, daß die Frage, ob bei einer in Abschnitten gegliederten beruflichen Bildung alle oder nur einzelne dieser Abschnitte zur Bildungsmaßnahme gehören, sich danach beantwortet, mit welchem Abschnitt - einzeln oder insgesamt -, das angestrebte Ziel erreicht, also ein auf dem Arbeitsmarkt verwertbarer Beruf erlangt wird. Das ist im Einzelfall jeweils zu prüfen. Entscheidend ist dabei nicht, wie die Beklagte offenbar meint, ob die Bildungsmaßnahme bei einer notwendigen Zusammenfassung der verschiedenen Abschnitte die Höchstgrenze von drei Jahren überschreitet oder nicht. Ist dies - im einzelnen - der Fall, so tritt die vom Gesetz gewollte Folge ein, daß die Bildungsmaßnahme nicht gefördert werden kann.

Die Förderung scheitert auch nicht an der inhaltlichen Ausgestaltung des Nachpraktikums. Dabei kann dahinstehen, ob § 6 Abs. 3 AFuU 1971 - der sich mit dem Nachpraktikum befaßt - eine solche Förderung zuließe und ob diese Vorschrift mit dem Gesetz vereinbar ist, denn auf den vorliegenden Fall ist noch die AFuU in der Fassung vom 18. Dezember 1969 anzuwenden. Der Kläger hat seinen Antrag auf Förderung des Nachpraktikums zwar erst im Juli 1972, also nach Inkrafttreten der AFuU 1971 (1. Januar 1972) gestellt. Nach § 24 dieser Anordnung ist die Neufassung lediglich auf Antragsteller anzuwenden, die vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an in eine Maßnahme eintreten. Für Antragsteller, die vor diesem Zeitpunkt eine Maßnahme begonnen haben, werden die bewilligten Leistungen weitergewährt. Das gleiche gilt für Antragsteller, denen vor Inkrafttreten der Anordnung Leistungen nach bisherigem Recht zugesagt worden sind. Dem Kläger sind zwar für das Nachpraktikum vor Inkrafttreten der AFuU 1971 weder Leistungen bewilligt noch zugesagt worden. Da es jedoch als Teil eines einheitlichen Bildungsganges anzusehen ist, der Kläger in die Bildungsmaßnahme vor dem 1. Januar 1972 eingetreten ist und ihm für die Umschulungsmaßnahme bereits Leistungen bewilligt worden sind, ist nach § 24 Abs. 2 AFuU 1971 noch das bisherige Recht maßgebend. Für die Förderung der Teilnahme an einem Praktikum trifft die AfuU 1969 jedoch keine speziellen Bestimmungen.

Für die Frage, ob die inhaltliche Ausgestaltung des Nachpraktikums eine Förderung zuläßt, kommt es im vorliegenden Fall auf Inhalt und Ausgestaltung der gesamten Umschulungsmaßnahme an, da das Praktikum nur einen Teil der Umschulungsmaßnahme darstellt und somit nicht isoliert unter den Voraussetzungen des § 34 Satz 1 AFG (und des § 44 AFG) betrachtet werden kann. Beide Vorschriften sehen eine Förderung nur für Maßnahmen mit Unterrichtscharakter vor. Nach § 5 Abs. 1 AFuU 1969 ist Unterricht im Sinne des § 34 Satz 1 AFG die Vormittlung theoretischer Kenntnisse und die praktische Unterweisung durch Lehrkräfte. Das bedeutet aber nicht, daß damit die Förderung allein auf die Zeiten der Teilnahme an schulmäßigen Unterrichtsveranstaltungen beschränkt ist. Hiervon geht die Beklagte offenbar selbst nicht aus, wenn es sich bei der praktischen Unterweisung um kürzere, in den theoretischen Unterricht eingebettete Zeiten handelt, die der Sammlung praktischer Erfahrung dienen und für die Ausbildung vorgeschrieben sind. Es kann jedoch bei der Beurteilung des Unterrichtscharakters einer Bildungsmaßnahme keinen Unterschied machen, ob praktische Erfahrung vor, während oder nach einer schulmäßigen (theoretischen) Unterrichtung aufgeteilt in größere oder kleinere Abschnitte erlangt wird. Wann innerhalb einer Bildungsmaßnahme die praktische Tätigkeit eingebaut wird, ist eine Frage pädagogischer oder institutioneller Zweckmäßigkeit. Der Gesetzgeber hat sich bei der Ausbildung von Masseuren und medizinischen Bademeistern jedenfalls dazu entschieden, das Praktikum - also die Sammlung praktischer Erfahrung - erst im Anschluß an die Vermittlung des theoretischen Wissens in einem besonderen Ausbildungsabschnitt vornehmen zu lassen. Entscheidend ist somit, daß die Gesamtmaßnahme - hier also Lehrgang mit Prüfung und Praktikum - durch den Unterrichtscharakter geprägt ist. Das ist hier der Fall. Zunächst einmal liegt das Schwergewicht der Ausbildung in dem einjährigen Lehrgang an der Massageschule, der durchgängig Unterrichtscharakter hat. Ebenso hat das Praktikum - wenn auch in abgeschwächter Form - Unterrichtscharakter. Der Praktikant wird während dieser Zeit sowohl weiterhin theoretisch geschult als auch durch eine fachlich ausgebildete Aufsichtsperson in der praktischen Anwendung der erworbenen theoretischen Kenntnisse unterwiesen. Der Unterrichtscharakter des Nachpraktikums wird - entgegen der Auffassung der Beklagten und des LSG - nicht allein durch die vorgeschriebene Zahl von mindestens 150 Unterrichtsstunden bestimmt, sondern auch durch den Umfang der praktischen Unterweisung. Dies folgt aus § 10 des oa. Gesetzes vom 21. Dezember 1958, wonach die praktische Tätigkeit in einer zur Annahme von Praktikanten ermächtigten Krankenanstalt oder einer hierzu ermächtigten medizinischen Badeanstalt unter Aufsicht eines geprüften Masseurs oder medizinischen Bademeisters abzuleisten ist. Hieraus wird deutlich, daß die Zeit der praktischen Tätigkeit nicht nur dazu dienen soll, allgemeine berufliche Erfahrungen zu sammeln, sondern in einer qualifizierten Lehrstätte unter Anleitung und Unterrichtung einer gleichermaßen qualifizierten Fachkraft das theoretisch erworbene Wissen in die Praxis fachgerecht umzusetzen; insoweit bleibt der Praktikant Auszubildender. Diese Zielsetzung wird ferner darin deutlich, daß nach § 21 Abs. 5 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Masseure und für Masseure und medizinische Bademeister vom 7. Dezember 1960 (BGBl I 1960 S. 880) der Praktikant nach Ableistung der praktischen Tätigkeit oder eines jeden ihrer Abschnitte vom Leiter der Anstalt und dem ausbildenden Masseur oder medizinischen Bademeister eine Bescheinigung über die ordnungsgemäße Leistung erhält. Abschnitte, die nicht ordnungsgemäß geleistet wurden, sind nach § 22 Abs. 1 von den Praktikanten zu wiederholen. Bei Berücksichtigung dieser Regelungen erscheint es nicht zulässig, der hier streitigen Umschulungsmaßnahme insgesamt den Charakter einer Unterrichtsveranstaltung abzusprechen. Dies gilt auch, soweit nach § 5 Abs. 1 AFuU 1969 gefordert wird, daß die Vermittlung theoretischer und praktischer Kenntnisse durch "Lehrkräfte" erfolgen soll. Wenn - wie im vorliegenden Fall - der Gesetzgeber in § 10 Satz 2 des o. a. Gesetzes die Unterweisung des Praktikanten in einer besonders ausgewählten Lehranstalt in der praktischen Tätigkeit durch einen "geprüften Masseur" vorsieht, so hat er damit zum Ausdruck gebracht, daß dieser Personenkreis fachlich geeignet ist, den mit theoretischem Wissen versehenen Praktikanten ordnungsgemäß und fachgerecht zu unterweisen. Eine diese gesetzliche Anforderung überschreitende Qualifikation kann im Hinblick auf den Begriff der "Lehrkräfte" im Sinne des § 5 Abs. 1 AFuU 1969 unter Berücksichtigung des Unterrichtscharakters der Gesamtmaßnahme von der Beklagten nicht verlangt werden. Da somit nach allem die Umschulungsmaßnahme (Lehrgang und Praktikum) mit ganztägigem Unterricht durchgeführt worden ist (§ 34 Satz 1 AFG), steht dem Kläger grundsätzlich das von ihm begehrte Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 1 AFG zu.

Dieser Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger für die Zeit der praktischen Tätigkeit eine Entlohnung von der ausbildenden Anstalt erhalten hat. Der Kläger begehrt nur die Aufstockung seines Lohnes um den diesen Lohn übersteigenden Teil des Uhg nach dem AFG. Dem steht - entgegen der Auffassung des LSG - die Vorschrift des § 47 Abs. 2 AFG nicht entgegen. Danach sind Leistungen nach Absatz 1 "insoweit" nicht zu gewähren, als der Arbeitgeber gleichartige Leistungen erbringt oder voraussichtlich erbringen wird. Aus dieser Vorschrift ergibt sich - wie in § 37 AFG gegenüber anderen leistungspflichtigen öffentlich-rechtlichen Stellen - die Nachrangigkeit der Förderungspflicht der Beklagten, wenn der Umschüler während der Umschulungsmaßnahme gleichartige Leistungen von seinem Arbeitgeber erhält; das Wort "soweit" in § 47 Abs. 2 AFG hat - ebenso wie in § 37 AFG - die Bedeutung, daß die nachrangige Leistung nach dem AFG nicht völlig, sondern nur in der Höhe der Leistung des Arbeitgebers an den Umschüler ausgeschlossen wird (vgl. dazu BSG in SozR 4100 Nr. 1 zu § 37 AFG). Der Anspruch auf den übersteigenden Teil der nachrangigen Leistung nach dem AFG bleibt dem Berechtigten erhalten.

Dem Kläger steht Uhg seit Beginn des Praktikums (1. Oktober 1971) zu, obwohl er erst im Juli 1972 die Förderung des Nachpraktikums begehrt hat. Zwar ist nach § 21 Abs. 1 AFuU 1969 die Gewährung von Leistungen grundsätzlich erst ab Antragstellung möglich. Den für die Förderung maßgeblichen Antrag hat der Kläger aber bereits schon vor Beginn der Gesamtmaßnahme gestellt. Sein Förderungsantrag vom 18. September 1970 bezog sich bereits auf Lehrgang, Prüfung und Nachpraktikum, er enthielt damit schon das Begehren auf die zustehenden Leistungen für die gesamte Umschulungsmaßnahme. Der am 11. Juli 1972 eingegangene Antrag konnte nur die Bedeutung einer erneuten Bekräftigung und Konkretisierung seines bisher schon geltend gemachten Anspruchs haben. Im übrigen ist davon auszugehen, daß ein Antrag - sofern nichts anderes zum Ausdruck kommt - die Förderung der gesamten Ausbildungsmaßnahme umfaßt (BSG vom 29. August 1974 -7 RAr 28/73 = SozR 4460 § 21 Nr. 1 AFuU). Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß dem Kläger in den früheren Bescheiden Leistungen nur bis zum Abschluß des Lehrgangs und der Prüfung gewährt worden sind. Darin liegt keine Ablehnung von Leistungen für einen späteren zur Gesamtmaßnahme gehörenden Umschulungsabschnitt, also hier dem Praktikum.

Da somit die Voraussetzungen für die Förderung des Nachpraktikums als Teil einer Umschulungsmaßnahme vorliegen, ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das - im Ergebnis zutreffende - Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649224

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