Leitsatz (amtlich)

Ist eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit umgewandelt worden, so kann die Rente wegen Berufsunfähigkeit nur entzogen werden, wenn seit der Umwandlung in den Verhältnissen des Versicherten eine weitere Änderung eingetreten ist, die zum Wegfall der Berufsunfähigkeit geführt hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Merkmale der Erwerbsunfähigkeit nach RVO § 1247 Abs 2 umschließen auch die der Berufsunfähigkeit nach RVO § 1246 Abs 2, soweit sie die gesundheitliche Leistungsfähigkeit betreffen (vergleiche BSG 1965-12-09 4 RJ 503/63 = SozR Nr 8 zu § 1278 RVO). Hingegen umschließt die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht die Rente wegen Berufsunfähigkeit. Sie ist somit keine "aufgestockte", sondern eine selbständige Rente.

2. Eine Erwerbsunfähigkeitsrente kann nach RVO § 1286 Abs 1 nicht entzogen werden, ohne daß gleichzeitig auch über das Vorhandensein von Berufsunfähigkeit entschieden wird. Eine solche Entziehung setzt deshalb voraus die Feststellung daß der Rentenempfänger a) nicht mehr erwerbsunfähig ist und b) nicht mehr berufsunfähig ist.

 

Normenkette

RVO § 1247 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1246 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1286 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. Dezember 1966 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer Rentenentziehung betrifft die Frage, ob und wann eine die Entziehung begründende Änderung der Verhältnisse eingetreten sein muß, wenn die ursprüngliche Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt worden ist und nunmehr die Berufsunfähigkeitsrente entzogen werden soll.

Der 1927 geborene Kläger, ohne bestimmten Beruf, erlitt 1961 bei einem Verkehrsunfall einen komplizierten Unterschenkelbruch und wurde mehrfach stationär behandelt. Seit dem 4. November 1963 ist er wieder beim Volkswagenwerk ganztägig mit leichter, im Sitzen auszuführender Maschinenarbeit beschäftigt.

Die Beklagte gewährte dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. März 1962 an. Sie ließ ihn durch Dr. R und Dr. B nachuntersuchen. Diese Ärzte hielten in ihrem Gutachten vom 14. Oktober 1963 ihn für fähig, leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen zu verrichten; die tägliche Arbeitszeit solle 6 Stunden nicht überschreiten. Darauf wandelte die Beklagte die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Januar 1964 an in Rente wegen Berufsunfähigkeit um (Bescheid vom 18. November 1963). Über eine weitere Nachuntersuchung erstatteten dieselben Ärzte das Gutachten vom 10. August 1964. Sie nahmen an, im Befund der Unfallfolgen sei keine Änderung eingetreten; der Kläger sei weiterhin berufsunfähig und solle auch weiterhin mit leichten Arbeiten vorwiegend im Sitzen beschäftigt werden. Die Beklagte entzog die Rente zu Ende Oktober 1964 (Bescheid vom 16. September 1964).

Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat die Klage gegen die Rentenentziehung abgewiesen (Urteil vom 18. August 1965). Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat den Kläger durch die Ärzte Prof. Dr. D, Dr. S und Dr. S begutachten lassen (Gutachten vom 15. Juni 1966). Es hat das Urteil des SG und den Bescheid vom 16. September 1964 aufgehoben; die Revision hat es zugelassen.

Das LSG hat sinngemäß im wesentlichen ausgeführt, der Versicherungsträger, der eine Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt habe (§ 1286 Abs. 1 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO -), könne die umgewandelte Rente nur entziehen, wenn der Versicherte infolge einer seit Erlaß des Umwandlungsbescheides eingetretenen Änderung in seinen Verhältnissen nicht mehr berufsunfähig sei. Der Umwandlungsbescheid unterliege bei einer späteren Entziehung der Berufsunfähigkeitsrente den Einschränkungen des § 1286 RVO (Hinweis auf § 323 ZPO und § 62 BVG). Das LSG hat die Befunde aus den Gutachten vom 14. Oktober 1963, 10. August 1964 und 15. Juni 1966 verglichen und ausgeführt, danach hätten sich die Verhältnisse des Klägers nach Erlaß des Umwandlungsbescheides nicht geändert; die Berufsunfähigkeit sei zur Zeit der Rentenentziehung nicht infolge Änderung der Verhältnisse behoben gewesen. Eine Änderung der Verhältnisse liege auch nicht in der Aufnahme der Tätigkeit als Maschinenarbeiter; denn der Kläger habe diese Tätigkeit schon vor Erlaß des Umwandlungsbescheides aufgenommen. Selbst wenn eine gewisse Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen bejaht werden könnte, fehle es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Änderung und dem Fortfall der Berufsunfähigkeit. Der Kläger hätte Maschinenarbeit von 8 Stunden täglich auch schon zur Zeit der Rentenumwandlung ohne Gefährdung seiner Gesundheit ausüben können. Dies sei bei richtiger ärztlicher Beurteilung des Leistungsvermögens auf Grund der Befunde vom Oktober 1963 erkennbar gewesen. Die unterschiedliche Beurteilung des Leistungsvermögens hinsichtlich der Arbeitszeit sei nach der medizinischen Sachlage nicht gerechtfertigt gewesen. Die Sachverständigen des Gutachtens vom 14. Oktober 1963 hätten sich zwar nicht in der ärztlichen Beurteilung der Auswirkungen des Gesundheitszustandes auf das Leistungsvermögen geirrt, aber verkannt, daß es genügend leichte Arbeitsplätze gebe, die der Kläger ganztägig ausfüllen könnte. Dies habe nicht erst rückwirkend erkannt, sondern schon aus den damals festgestellten Gesundheitsschäden abgeleitet werden können.

Die Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Sie rügt die unrichtige Anwendung des § 1286 RVO, hilfsweise einen Verstoß des LSG gegen die §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie führt aus, unter Rentenumwandlung im Sinne des § 1286 Abs. 1 Satz 3 RVO sei nicht die Entziehung einer Erwerbsunfähigkeitsrente unter gleichzeitiger Erstbewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente zu verstehen, sondern lediglich die teilweise Entziehung einer Erwerbsunfähigkeitsrente, ihre Ermäßigung auf eine Berufsunfähigkeitsrente, die bereits im Zeitpunkt der ursprünglichen Anerkennung der Erwerbsunfähigkeit als bewilligt anzusehen sei. Daher müsse bei der Prüfung, ob eine Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei, von diesem Zeitpunkt ausgegangen werden, d. h. jede nach Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente eingetretene Änderung, die zum Wegfall der Berufsunfähigkeit geführt habe, berechtige zur Rentenentziehung.

Zur Rüge von Verfahrensmängeln bringt die Beklagte unter näheren Ausführungen im wesentlichen vor, das LSG sei durch Verfahrensfehler bei der Prüfung einer Änderung der Verhältnisse zur Zeit des Entziehungsbescheides gegenüber der Zeit des Umwandlungsbescheides zu seinem Ergebnis gekommen. Es hätte aus dem Gutachten vom 15. Juni 1966 nicht schließen dürfen, der Kläger habe im November 1963 bereits ganztags arbeiten können. Im Gutachten vom 14. Oktober 1963 komme zum Ausdruck, daß die ärztliche Beurteilung der Berufsfähigkeit einer erforderlichen ärztlichen Zurückhaltung in der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit entspreche, um nicht einer Überlastung des Klägers Vorschub zu leisten. Das LSG hätte erkennen müssen, daß das Gutachten vom 15. Juni 1966 nur ausdrücke, man habe 1963 aus durchaus angebrachter Vorsicht das Leistungsvermögen des Klägers einschränkender beurteilt, als 1966 bei rückblickender Betrachtung geboten erscheine, nachdem man erkannt habe, daß sich die ausgeübte Beschäftigung nicht nachteilig auf die Gesundheit des Klägers ausgewirkt habe (Hinweis auf SozR Nr. 4 zu § 1286 RVO).

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Auffassung des LSG, nach Umwandlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente könne die Berufsunfähigkeitsrente nur entzogen werden, wenn in den Verhältnissen des Versicherten nach der Umwandlung eine weitere Änderung eingetreten ist, ist zutreffend.

Die Merkmale der Erwerbsunfähigkeit nach § 1247 Abs. 2 RVO umschließen die der Berufsunfähigkeit nach § 1246 Abs. 2 RVO, soweit sie die gesundheitliche Leistungsfähigkeit betreffen. Dies ergeben der Wortlaut dieser beiden Vorschriften (siehe SozR Nr. 8 zu § 1278 RVO) und auch die Entstehungsgeschichte der Neuregelungsgesetze.

Der Regierungsentwurf (BT-Drucks. II/2437) kannte, abgesehen von der Altersrente, lediglich eine einzige "Invalidenrente" (§ 1252 des Entwurfs). Nur bei der Berechnung der Invalidenrente wurden zwei Fälle unterschieden: Der Vomhundertsatz der Invalidenrente von 1 v. H. sollte sich auf 1,5 v. H. erhöhen, wenn der Invalide erwerbsunfähig war (§ 1258 Abs. 1 und 2 des Entwurfs). Nach Eintritt der Invalidität entrichtete Beiträge sollten nur bei der Altersrente berücksichtigt werden (§§ 1259 Abs. 3, 1260 Abs. 7 des Entwurfs).

Zur Entziehung von Rente war in § 1290 Abs. 1 des Entwurfs vorgesehen: Ist der zum Bezug einer Invalidenrente Berechtigte infolge einer Änderung in seinen Verhältnissen nicht mehr invalide, so wird die Rente entzogen; die Rente eines Erwerbsunfähigen wird in eine Invalidenrente nach § 1258 Abs. 1 umgewandelt, wenn der Berechtigte infolge einer Änderung in seinen Verhältnissen nicht mehr erwerbsunfähig, aber noch invalide ist. Dazu ist in der Begründung des Regierungsentwurfs ausgeführt, daß die bisherigen Vorschriften insoweit zu ändern seien, als infolge der Einführung des neuen Begriffs des erwerbsunfähigen Invaliden es nicht mehr möglich sei, einem Berechtigten die Rente zu entziehen, wenn zwar seine Erwerbsunfähigkeit behoben, er aber noch invalide sei. In solchen Fällen sei nur eine Umwandlung der Rente in eine Invalidenrente nach § 1258 Abs. 1 zulässig, d. h. eine Herabsetzung der bisher bezogenen Rente.

Der Ausschuß für Sozialpolitik des Bundestages setzte indessen an die Stelle der vorgesehenen Erhöhung der Invalidenrente bei Erwerbsunfähigkeit eine besondere Rente (Begründung zu BT-Drucks. II/3080 zu §§ 1251, 1252 a). Zur Neufassung des § 1290 des Entwurfs über die Rentenentziehung ist in der Begründung der Stellungnahme des Ausschusses für Sozialpolitik nichts zu der hier rechtserheblichen Frage gesagt.

Beim Verhältnis von Berufsunfähigkeit zu Erwerbsunfähigkeit im Hinblick auf Umwandlung und Rentenentziehung nach § 1286 Abs. 1 RVO ist demnach zu unterscheiden zwischen dem Vorliegen von Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit durch Erfüllen der Merkmale der Einschränkung der Leistungsfähigkeit nach den §§ 1246 Abs. 2, 1247 Abs. 2 RVO einerseits und den Renten wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit andererseits. Während Erwerbsunfähigkeit hinsichtlich der gesundheitlichen Merkmale Berufsunfähigkeit mit einschließt, umschließt die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht die Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Erwerbsunfähigkeitsrente ist nicht eine aufgestockte Berufsunfähigkeitsrente, wie im Regierungsentwurf vorgesehen war, sondern eine eigene, selbständige Rente. Dies zeigt nicht nur § 1247 Abs. 5 RVO, wonach neben einer Erwerbsunfähigkeitsrente eine Berufsunfähigkeitsrente nicht gewährt wird; es zeigt sich auch, wenn Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit nacheinander eintreten. Dann ist die Rentenberechnung durch Berücksichtigung unterschiedlicher Versicherungs- und Ausfallzeiten und Rentenbemessungsgrundlagen verschieden (§ 1255 Abs. 2 und 8, § 1233 Abs. 2 Satz 4, § 1258 Abs. 4 RVO). Es wird eine selbständige, auf den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit abgestellte Erwerbsunfähigkeitsrente festgestellt und berechnet. Sie ist zwar höher als die Berufsunfähigkeitsrente, stellt aber nicht eine Erhöhung der Berufsunfähigkeitsrente dar (anders der Regierungsentwurf in § 1258). Die Berufsunfähigkeitsrente wird nicht gewährt (§ 1247 Abs. 5 RVO), solange die Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt wird (vgl. SozR Nr. 8 zu § 1278 RVO, Nr. 4 und 7 zu § 1254 RVO, Nr. 3 zu § 1253 RVO).

Auch bei der Umwandlung der Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente ist die Berufsunfähigkeitsrente eine gegenüber der Erwerbsunfähigkeitsrente selbständige Rente. Daß ihre Bemessungsgrundlage auf den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit abgestellt ist, erklärt sich daraus, daß die Erwerbsunfähigkeit merkmalmäßig die Berufsunfähigkeit mitumfaßt hat.

Nach § 1286 Abs. 1 RVO wird die Rente entzogen, wenn der Empfänger einer Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit infolge einer Änderung in seinen Verhältnissen nicht mehr berufsunfähig ist; die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 1253 Abs. 1 RVO umgewandelt, wenn der Berechtigte infolge einer Änderung in seinen Verhältnissen nicht mehr erwerbsunfähig, aber noch berufsunfähig ist. Danach kann die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nur entzogen werden, wenn der Empfänger nicht mehr berufsunfähig ist; sie wird in Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt, wenn der Versicherte noch berufsunfähig ist. Eine Entziehung der Erwerbsunfähigkeitsrente, ohne daß gleichzeitig über das Vorhandensein von Berufsunfähigkeit mitentschieden wird, ist nach § 1286 Abs. 1 RVO nicht möglich. Der Wortlaut des § 1286 Abs. 1 RVO läßt es nicht zu, zunächst zur Beseitigung einer vermeintlichen "Aufstockung" nur eine Entziehung der Erwerbsunfähigkeitsrente auszusprechen mit der Folge, daß eine bislang "nicht gewährte" Berufsunfähigkeitsrente von selbst hervorträte und "gewährt" würde, während gleichzeitig die Entscheidung über das Fortbestehen oder den Wegfall von Berufsunfähigkeit unverbindlich hinausgeschoben wird. § 1286 Abs. 1 RVO verlangt zwei verschiedene Prüfungen und Feststellungen und zwar dahingehend, daß der Rentenempfänger nicht mehr erwerbsunfähig ist und zugleich dahingehend, ob er noch berufsunfähig ist oder nicht. Erst dann kann ein Bescheid nach § 1286 Abs. 1 RVO ergehen. Er enthält entsprechend den vorhergehenden zwei Prüfungen zwei Entscheidungen, nämlich einmal die Feststellung, daß der Rentenempfänger nicht mehr erwerbsunfähig ist, und dann die weitere Feststellung, entweder, daß der Versicherte auch nicht mehr berufsunfähig ist, so daß die Rente entzogen wird, oder daß er noch berufsunfähig ist, so daß die Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente umgewandelt wird (vgl. SozR Nr. 13 zu § 1286 RVO). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Erwerbsunfähigkeitsrente eine Berufsunfähigkeitsrente vorausgegangen oder ob sofort Erwerbsunfähigkeit - einschließlich der merkmalmäßig mitumfaßten Berufsunfähigkeit - eingetreten ist, weil die doppelte Prüfung über die Beseitigung der Erwerbsunfähigkeit und die Fortdauer oder Beseitigung auch von Berufsunfähigkeit auf die Zeit der Entscheidung nach § 1286 Abs. 1 RVO abzustellen ist.

Da die Umwandlung der Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente die Feststellung enthält, daß zur Zeit des Umwandlungsbescheides Berufsunfähigkeit besteht und Berufsunfähigkeitsrente gewährt wird, gilt für eine spätere Entziehung dieser Berufsunfähigkeitsrente nun § 1286 Abs. 1 Satz 1 RVO, wonach eine Rente wegen Berufsunfähigkeit entzogen wird, wenn der Empfänger infolge einer Änderung in seinen Verhältnissen nicht mehr berufsunfähig ist. Es kann somit nur eine Änderung in den Verhältnissen des Versicherten rechtserheblich sein, die nach der Umwandlung der Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente eingetreten ist.

Der Bescheid der Beklagten vom 18. November 1963 ist ein Umwandlungsbescheid im Sinne des § 1286 Abs. 1 RVO. In ihm kommen denn auch die zwei verschiedenen, nach § 1286 Abs. 1 RVO erforderlichen Feststellungen - daß keine Erwerbsunfähigkeit mehr, aber noch Berufsunfähigkeit besteht - zum Ausdruck. Die Berufsunfähigkeitsrente kann nur entzogen werden, wenn seit der Umwandlung eine weitere Änderung in den Verhältnissen des Klägers eingetreten ist und er infolgedessen nicht mehr berufsunfähig ist.

Das LSG hat somit § 1286 Abs. 1 Satz 3 RVO im Ergebnis zutreffend angewandt.

Die von der Beklagten gerügten Verfahrensmängel des LSG sind nicht zu finden. Es kann nicht festgestellt werden, daß das LSG sein Recht zur freien Beweiswürdigung durch Verstoß gegen Denkgesetze bei der Beurteilung und Auswertung der ärztlichen Gutachten überschritten hätte (§ 128 Abs. 1 SGG).

Das LSG hat eine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen unter Gegenüberstellung der medizinischen Befunde der verschiedenen Gutachten verneint bzw. als nur so geringfügig und unwesentlich angesehen (Röntgenbilder, Sekretabsonderung), daß sie den Gesundheitszustand insgesamt nicht beeinflußt haben. Dafür hat es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. D (1966) berufen. Es ist nicht zu erkennen, daß das LSG die Ausführungen des Sachverständigen mißverstanden oder außer Acht gelassen hätte (Gutachten S. 7 und 8). Eine Gesetzesverletzung liegt insoweit nicht vor.

Die Beklagte greift die Feststellung des LSG an, dem Kläger hätten schon im November 1963 ganztägige leichte Arbeiten zugemutet werden können und er sei deshalb zu jener Zeit nicht mehr berufsunfähig gewesen.

Es ist nicht ersichtlich, daß das LSG erst nachträglich festgestellte Tatsachen rückblickend für die Beurteilung der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit des Klägers zur Zeit der Rentenumwandlung und der Rentenentziehung verwertet hätte. Anders als in der von der Beklagten angeführten Entscheidung in SozR Nr. 4 zu § 1286 RVO hat das LSG nicht festgestellt, daß eine Tatsache, die bei der Rentenumwandlung vorlag (wie ein Krankheitsverdacht in der angeführten Entscheidung) später weggefallen wäre. Das Gutachten von 1966 in seiner Gesamtheit, insbesondere die Ausführungen auf S. 11 zu der ärztlichen Beurteilung der Leistungsfähigkeit in den Vorgutachten, stehen nicht im Widerspruch zu den Feststellungen des LSG. Das LSG konnte auch die Ausführungen auf S. 12 des Gutachtens in dem Sinne verstehen, daß die Ärzte bei den Untersuchungen 1963 und 1964 den Befunden eine stärkere Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers im Arbeitsleben beigemessen haben, als schon damals notwendig gewesen wäre. Die Ausführungen auf S. 13 des Gutachtens schließen eine solche Betrachtung durch das LSG nicht schlechthin mit der Folge aus, daß die Ausführungen des LSG gegen Denkgesetze oder den klaren Inhalt der Gutachten verstießen. Die unterschiedliche ärztliche Beurteilung der Befunde stellt keine Änderung der Verhältnisse dar.

Die Revision der Beklagten ist somit nicht begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 292

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