Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiladung des Verletzten. Ersatzanspruch bei Familienversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein noch nicht schulpflichtiges Kind steht auf dem Wege zu einer behördlich angeordneten Schulreifeuntersuchung nicht unter Unfallversicherungsschutz.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Entscheidung des Unfallversicherungsträgers über den Entschädigungsanspruch der KK hat gegenüber dem Entschädigungsanspruch des Verletzten keine Bindungswirkung. Er ist daher nicht nach SGG § 75 Abs 2 notwendig beizuladen.

2. Der RVO § 1504 setzt voraus, daß der Verletzte bei einem Träger der gesetzlichen KV versichert ist.

3. Sind von der KK Leistungen der Familienhilfe erbracht worden, kann sich ihr Ersatzanspruch gegen den Träger der UV nur auf eine entsprechende Anwendung des RVO § 1510 gründen, denn es besteht in einem solchen Fall ein auftragsähnliches Verhältnis zwischen der KK und dem Unfallversicherungsträger.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. b Fassung: 1971-03-18, § 550 Abs. 1 Fassung: 1974-04-01; SchulPflG NW § 4; SGG § 75 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 77 Fassung: 1953-09-03; RVO §§ 1504, 1510 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 14.06.1977; Aktenzeichen I UBf 47/76)

SG Hamburg (Entscheidung vom 02.09.1976; Aktenzeichen 25 U 603/74)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 14. Juni 1977 und des Sozialgerichts Hamburg vom 2. September 1976 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

 

Tatbestand

Das am 1. Dezember 1966 geborene Kind U S (St.) wurde am 26. Februar 1973 auf dem Wege zu einer Schulreifeuntersuchung in Begleitung seiner Mutter durch einen Unfall verletzt. Anfang Februar 1973 hatten alle Eltern einzuschulender Kinder des im Kreis K-K gelegenen Wohnortes des St. eine Aufforderung erhalten, ihre Kinder zu einer Einschulungsuntersuchung vorzustellen. Die Untersuchung wurde vom Gesundheitsamt in K durchgeführt.

Mit der Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten den Ersatz von Kosten in Höhe von 1.500,- DM, die sie aus Anlaß des Unfalles für St. aufgewendet hat. Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat den Beklagten zur Zahlung dieses Betrages verurteilt (Urteil vom 2. September 1976). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14. Juni 1977). Zur Begründung hat es ausgeführt: Anspruchsgrundlage sei § 1504 RVO iVm § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO. Zwar sei § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO seinem Wortlaut nach nicht anwendbar, da St. zur Zeit des Unfalls nicht "Schüler" gewesen und der Unfall nicht "während des Schulbesuchs" eingetreten sei. Der Wortlaut sei jedoch für die Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift nicht allein entscheidend. In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Unfallversicherung für Schüler und Studenten (BT-Drucksache VI/1333, A-Allgemeiner Teil) sei herausgestellt, daß die Aufnahme der Schüler in die Unfallversicherung u.a. von dem Gedanken getragen sei, die Unfallverhütung erheblich zu verstärken. Wenn aber die Unfallverhütung im schulischen Bereich eine so herausragende Rolle spiele, sei allen darauf beruhenden Maßnahmen eine innere Beziehung zum Schulbesuch zuzusprechen, und die Teilnahme an solchen Maßnahmen werde im allgemeinen unter Unfallversicherungsschutz stehen. Der Begriff "Besuch allgemeinbildender Schulen" sei demnach weit zu fassen.

Dazu gehörten z.B. auch Schulausflüge, Schulreisen, Tätigkeiten in der Schülerverwaltung, Mitwirkung an kulturellen Schuleinrichtungen usw. Die Teilnahme an schulärztlichen Untersuchungen, z.B. zur Erkennung von Haltungs-, Ernährungs- und Zahnschäden, werde ebenfalls generell als eine schulische Veranstaltung gewertet; hierbei bestehe ebenso Versicherungsschutz wie Beamte bei der Teilnahme an einer dienstlich veranlaßten Untersuchung (z.B. Röntgenreihenuntersuchungen und andere ärztliche Untersuchungen vorbeugenden Charakters) der Unfallfürsorge unterlägen. Entscheidend sei, ob Umstände gegeben seien, die eine wesentliche innere Beziehung zwischen der Ausbildung in der Schule und der jeweiligen schulischen Veranstaltung herstellten. Das Wort "während" in § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO sei daher nicht zeitlich aufzufassen. Der zeitliche Zusammenhang sei ebensowenig maßgeblich wie bei der Definition des Arbeitsunfalls. Wenn aber bei schulärztlichen Untersuchungen Unfallversicherungsschutz bestehe, sei es naheliegend, Schultauglichkeitsuntersuchungen vor Aufnahme in die Schule den schulärztlichen Untersuchungen gleichzustellen, wenn sie - wie vorliegend - durch § 4 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen zwingend vorgeschrieben seien. Da Schultauglichkeitsuntersuchungen teilweise auch erst nach der Einschulung durchgeführt werden, würde andernfalls der Unfallversicherungsschutz von Zufälligkeiten des Zeitpunktes der Einschulung bzw. der ärztlichen Untersuchung abhängen. Ein derartiges Ergebnis wäre sachlich nicht zu rechtfertigen. Allerdings komme der Einschulung bei einem Schüler durchaus eine besondere Bedeutung zu, da erst hierdurch ein besonderes Gewaltverhältnis zur Schule begründet werde. Jedoch sei das Bestehen von Rechtsbeziehungen nicht in jedem Fall für den Unfallversicherungsschutz entscheidend. Bei einem Arbeitnehmer könnte auch schon vor der Arbeitsaufnahme nach § 539 Abs 1 Nr 11 RVO Unfallversicherungsschutz bestehen, soweit eine ärztliche Untersuchung oder Behandlung aufgrund von Arbeitsschutz- oder Unfallverhütungsvorschriften vorzunehmen sei. Es dürfe sich hierbei wie auch bei der Einschulungsuntersuchung nur nicht um allgemeine gesundheitspolitische Aufgaben handeln. Im vorliegenden Fall habe aber eine Einschulungsuntersuchung aufgrund eines Schulgesetzes stattgefunden. Unerheblich sei, daß die Untersuchung vom zuständigen Gesundheitsamt durchgeführt worden sei. Eine derartige Schultauglichkeitsuntersuchung könne auch mit einer Arbeitsschutz- oder Unfallverhütungsmaßnahme iS des § 539 Abs 1 Nr 11 RVO verglichen werden. Sie habe den Sinn, Schäden von dem einzuschulenden, geistig oder körperlich unreifen Kind vorzeitig abzuwenden sowie Schäden bei den künftigen Mitschülern und den Schuleinrichtungen zu vermeiden. Die Schultauglichkeitsuntersuchung könne somit auch als Maßnahme der Unfallverhütung angesehen werden. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Es werde gerügt, daß der verletzte St. nicht gemäß § 75 Abs 2 SGG zum Verfahren beigeladen worden sei. Abgesehen davon habe das Kind auf dem zum Unfall führenden Weg nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Die Schulpflicht des Kindes St. habe nach dem Landesschulpflichtgesetz Nordrhein-Westfalen erst am 1. August 1973 begonnen. Am Unfalltag sei das Kind noch nicht eingeschult gewesen und habe noch keine Schule besucht. Den Gesetzesmaterialien könne nicht entnommen werden, daß der Unfallversicherungsschutz über den eigentlichen Schulbesuch hinaus auf die Vorbereitungen zum Schulbesuch ausgedehnt werden soll. Entgegen der Auffassung des LSG komme dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schulbesuch eine entscheidende Rolle zu. Dem § 4 des Schulgesetzes könne auch nicht die generelle Verpflichtung zur Schultauglichkeitsuntersuchung entnommen werden. Die Vorschrift betreffe lediglich die Fälle der von irgendeiner Seite gewünschten oder für notwendig erachteten Zurückstellung des schulpflichtigen Kindes. Die Schultauglichkeitsuntersuchung sei auch keine Untersuchung aufgrund von Arbeitsschutz- oder Unfallverhütungsvorschriften iS des § 539 Abs 1 Nr 11 RVO. Sie gehöre vielmehr zu den Vorbereitungshandlungen, die wie Vorbereitungshandlungen für die Arbeitsaufnahme, unfallversicherungsrechtlich nicht geschützt seien.

Der Beklagte beantragt,

die Urteile des SG Hamburg vom 2. September 1976 und des LSG Hamburg vom 14. Juni 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des LSG Hamburg vom 14. Juni 1977 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, daß die Teilnahme an Schultauglichkeitsuntersuchungen vor der Einschulung eines Kindes als schulische Veranstaltungen zu gelten hätten. Denn die Schultauglichkeitsuntersuchung erfolge schon im Rahmen der Schulpflicht; sie schaffe die Voraussetzung für den verpflichteten Bewerber, der Schulpflicht nachzukommen. Zutreffend habe das LSG darauf hingewiesen, daß es auf den zeitlichen Zusammenhang mit dem Schulbesuch nicht ankomme.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).

Das LSG hat keine Feststellungen darüber getroffen, welche Beziehungen rechtlicher Art zwischen dem Kind St. und der Klägerin vorgelegen haben, die der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der für das Kind aus Anlaß des Unfalls vom 26. Februar 1973 aufgewendeten Kosten durch den Beklagten geben könnten. Das LSG sieht als Grundlage des Ersatzanspruches der Klägerin § 1504 RVO an. Diese Vorschrift setzt jedoch voraus, daß der Verletzte bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist (BSGE 39, 24, 25). Es besteht jedoch kein Anhalt dafür, daß das Kind St. zur Zeit des Unfalls Mitglied der Klägerin war. Dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils kann entnommen werden, daß der Vater des Kindes St. bei der Klägerin für den Fall der Krankheit versichert ist, demnach von der Klägerin Leistungen der Familienhilfe erbracht worden sind. Für diesen Fall - und davon ist das SG ausgegangen - kann sich der Ersatzanspruch der Krankenkasse nur auf eine entsprechende Anwendung des § 1510 RVO gründen (BSGE aaO). Bereits das Reichsversicherungsamt hat in ständiger Rechtsprechung ein auftragsähnliches Verhältnis zwischen der Krankenkasse und dem Träger der Unfallversicherung angenommen, wenn die Krankenkasse im Rahmen der Familienhilfe Leistungen aus Anlaß eines Arbeitsunfalls erbringt (AN 1937, 231; EuM 44, 55, 56 und 162, 163; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl S 964 i). Der erkennende Senat hat sich dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (zuletzt Urteil vom 27. Juni 1978 - 2 RU 87/77 - SozR 2200 § 549 Nr 6).

Eine Beiladung des Kindes St. war nicht nach § 75 Abs 2 SGG notwendig. Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, ist in einem Rechtsstreit, bei dem zu entscheiden ist, ob ein Träger der Unfallversicherung einer Krankenkasse Aufwendungen zu erstatten hat, die dieser aus Anlaß eines Arbeitsunfalls entstanden sind, der Verletzte nicht nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG beizuladen (Urteile vom 25. November 1977 - 2 RU 95/76 -, vom 31. Mai 1978 - 2 RU 5/78 - und vom 13. Juli 1978 - 8 RU 84/77 -). Denn die in dem Streit über den Ersatzanspruch zu erwartende Entscheidung greift nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des Verletzten ein. Der Anspruch des Verletzten auf Entschädigung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls ist mit dem Ersatzanspruch nicht identisch. Eine Entscheidung des Trägers der Unfallversicherung über den Entschädigungsanspruch des Verletzten hat der Krankenkasse gegenüber für deren Ersatzanspruch keine Bindungswirkung (BSGE 24, 155; Brackmann aaO S 967 mit weiteren Nachweisen). Das gilt auch umgekehrt.

Die Bejahung oder Verneinung der Vorfrage für den Ersatzanspruch der Klägerin, ob der Unfall des Kindes St. ein Arbeitsunfall gewesen ist, bedeutet keine unmittelbare Einwirkung in die Rechtssphäre des Kindes St. Es mußte daher im Verfahren über den Ersatzanspruch der Klägerin nicht notwendig beigeladen werden.

Der Ersatzanspruch der Klägerin ist nicht begründet. Das Kind St. hat am 26. Februar 1973 keinen Arbeitsunfall erlitten. Nach § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO sind Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen gegen Arbeitsunfall versichert. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß das Kind St. zur Zeit des Unfalls noch nicht "Schüler" war und der Unfall sich auch nicht "während des Besuchs" einer allgemeinbildenden Schule ereignet hat. Das Kind St. hat daher bei der zum Unfall führenden Fahrt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Entgegen der Auffassung des LSG läßt sich der Versicherungsschutz nicht aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes herleiten.

In der amtlichen Begründung zu § 1 Nr 1 Buchst a des Gesetzentwurfs über die Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten (BT-Drucksache VI/1333, S 4) ist u.a. ausgeführt: "Der Versicherungsschutz (der Schüler) erstreckt sich auf den Unterricht (einschließlich der Pausen) und andere schulische Veranstaltungen (etwa Schulausflüge, Schulreisen oder die Tätigkeit in der Schülermitverwaltung) sowie auf Wege zu und von der Schule oder dem Ort, an dem eine Schulveranstaltung stattfindet. Den Umfang des Versicherungsschutzes haben Praxis und Rechtsprechung für Berufs- und Fachschüler bereits in diesem Sinne abgegrenzt". In diesem Zusammenhang hat der erkennende Senat unter Darlegung der Entstehungsgeschichte des § 539 Abs 1 Nr 14 RVO schon früher ausgeführt (BSGE 35, 207, 210 f.), daß der Gesetzgeber weder bei den Schülern allgemeinbildender Schulen noch bei den Lernenden der in dieser Vorschrift aufgeführten sonstigen Einrichtungen einen umfassenden Versicherungsschutz ohne Rücksicht auf den organisatorischen Verantwortungsbereich der Einrichtungen eingeführt hat. Vielmehr muß grundsätzlich auch eine unmittelbare zeitliche und räumliche Beziehung zu den in § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO genannten Einrichtungen gegeben sein. Durch § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO ist sonach kein allgemeiner Versicherungsschutz in dem Sinne begründet worden, daß bei allen Tätigkeiten, die irgendwie mit der Schule etwas zu tun haben, Unfallversicherungsschutz besteht (BSGE 41, 149, 151; Brackmann aaO S 483 m). Daß Schüler "während" des Besuchs allgemeinbildender Schulen versichert sind, verdeutlicht die grundsätzliche Bindung des Versicherungsschutzes an den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Demgemäß ist der Versicherungsschutz bei Unfällen z.B. im Zusammenhang mit der Verrichtung von Hausaufgaben und privatem Nachhilfeunterricht (BSGE 41, 149, 151) verneint worden. Solange ein Kind - wie hier - noch nicht einmal schulpflichtig ist, steht es außerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs einer Schule. Der Versicherungsschutz beginnt grundsätzlich erst dann, wenn das Kind Teil und Glied der Schule, also "Schüler", ist (vgl Vollmar, Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten, 2. Auflg S 17).

Ein Versicherungsschutz auf dem Wege zur Schulreifeuntersuchung (Einschulungsuntersuchung) läßt sich auch nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 539 Abs 1 Nr 11 RVO rechtfertigen. Nach dieser Vorschrift sind Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die aufgrund von Arbeitsschutz- oder Unfallverhütungsvorschriften ärztlich untersucht oder behandelt werden. Dazu rechnen z.B. die Erstuntersuchung von Jugendlichen vor Eintritt in das Berufsleben (§ 32 Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12. April 1976 - BGBl I 965) oder die Untersuchung auf Seetauglichkeit (§ 81 Seemannsgesetz vom 26. Juli 1957 - BGBl II 713). Gerade diese Vorschrift macht deutlich, daß bei den dort genannten Untersuchungen ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung kein Versicherungsschutz bestehen würde, falls die Untersuchungen vor Aufnahme einer Beschäftigung durchgeführt oder von nichtbetrieblichen, übergeordneten Stellen angeordnet werden würden, es bei ihnen demnach an einem inneren Zusammenhang mit der Beschäftigung in einem Unternehmen fehlt (vgl Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflg. § 539 Anm 70). Im Hinblick darauf, daß für Schüler, wie dargelegt, kein umfassender Versicherungsschutz eingeführt worden ist, scheidet eine entsprechende Anwendung des § 539 Abs 1 Nr 11 RVO aus. Nach der Auffassung des Senats muß es dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, den Umfang der Schülerunfallversicherung auf solche Bereiche zu erweitern, die auch in der allgemeinen Unfallversicherung erst aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen in den Versicherungsschutz einbezogen worden sind. Deshalb verbietet sich auch der vom SG gezogene Vergleich mit § 81 Abs 3 Nr 1 des Soldatenversorgungsgesetzes idF der Bekanntmachung vom 5. März 1976 (BGBl I 458), wonach zum Wehrdienst auch das Erscheinen zur Feststellung der Wehrtauglichkeit, zu einer Eignungsprüfung oder zur Wehrüberwachung auf Anordnung einer zuständigen Dienststelle gehören. Dieser Vorschrift ist für die Schülerunfallversicherung nichts zu entnehmen.

Unerheblich ist, daß das LSG aufgrund irrevisiblem Landesrechts (§ 4 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen) festgestellt hat, die Untersuchung des Kindes St. sei zwingend vorgeschrieben gewesen. Auch im allgemeinen Erwerbsleben besteht kein Versicherungsschutz für Tätigkeiten, die regelmäßig der Aufnahme einer Beschäftigung vorausgehen, selbst wenn es sich um solche handelt, mit denen gesetzlichen Erfordernissen genügt wird, wie z.B. bei dem Besorgen einer Lohnsteuerkarte (BSGE 11, 154) oder einer Aufenthaltserlaubnis (BSGE 36, 222). Sie unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den zahlreichen weiteren Verrichtungen, die vor Aufnahme einer Beschäftigung notwendig sind, aber gleichwohl nicht unter Versicherungsschutz stehen (vgl. Brackmann aaO S 480 y).

Nach allem mußten daher die Urteile des LSG Hamburg sowie des SG Hamburg aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

Eine Kostenentscheidung entfällt (§ 193 Abs 4 SGG).

 

Fundstellen

Breith. 1980, 17

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