Leitsatz (amtlich)

Die Berufung betrifft auch dann "nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume" (SGG § 146), wenn ein Träger der Rentenversicherung mit ihr die Feststellung erstrebt, daß ein anderer Träger der Rentenversicherung zur Festsetzung und Gewährung einer Rentenleistung für einen abgelaufenen Zeitraum zuständig sei.

 

Normenkette

SGG § 55 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 146 Fassung: 1958-06-25

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. November 1964 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der im April 1899 geborene Beigeladene erhielt von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) von März 1961 an ein vorzeitiges Altersruhegeld nach einjähriger Arbeitslosigkeit (§ 1248 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Im Sommer 1961 nahm er eine Beschäftigung auf, für die Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung bestand; dementsprechend wurden für ihn Beiträge an die Klägerin entrichtet. Nachdem die erwähnte Beschäftigung am 30. September 1962 ihr Ende gefunden hatte, beantragte der Beigeladene die Wiedergewährung des im Sommer 1961 weggefallenen Altersruhegeldes. Über die Zuständigkeit zur Leistung an den Beigeladenen kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Klägerin und der Beklagten. Mit Bescheid vom 7. März 1963 gewährte die Klägerin dem Beigeladenen das vorgezogene Altersruhegeld vom 1. Oktober 1962 an "unter Vorbehalt" in der im Jahre 1961 von der Beklagten gezahlten Höhe. Danach erhob sie Klage auf Feststellung,

daß die Beklagte der für die Feststellung und Zahlung des vorzeitigen Altersruhegeldes an den Beigeladenen zuständige Versicherungsträger sei.

Diese Klage wurde vom Sozialgericht (SG) Berlin durch Urteil vom 28. Juli 1964 als unbegründet abgewiesen. In der Zwischenzeit hatte die Klägerin mit Bescheid vom 20. Mai 1964 in unstreitiger Zuständigkeit dem Beigeladenen Altersruhegeld nach § 25 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - (Vollendung des 65. Lebensjahres) vom 1. April 1964 an bewilligt.

Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt hat, ist vom Landessozialgericht (LSG) Berlin durch Urteil vom 27. November 1964 als unzulässig verworfen worden, weil das Rechtsmittel nur Rente für einen abgelaufenen Zeitraum betreffe (§ 146 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die von der Klägerin hiergegen eingelegte, vom LSG nicht zugelassene Revision ist nicht statthaft. Die zur Begründung der Statthaftigkeit nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG erhobene Rüge, das LSG hätte über die Berufung sachlich entscheiden müssen, ist nicht gerechtfertigt; das Berufungsgericht hat mit Recht den Ausschlußgrund des § 146 SGG als gegeben angesehen.

Obwohl der Berufungsantrag der Klägerin mit ihrem Klageantrag dem Wortlaut nach übereinstimmt, hat er nicht die gleiche Tragweite wie dieser. Zur Zeit der Einlegung der Berufung war dem Beigeladenen bereits das - unstreitig von der Klägerin zu zahlende - Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bewilligt. Für die Zukunft konnte also kein Zuständigkeitsstreit mehr auftreten; dieser bestand nur noch für die - zurückliegende - Zeit vom 1. Oktober 1962 bis 31. März 1964 hinsichtlich des Anspruchs auf ein vorzeitiges Altersruhegeld. Die Berufung betraf daher den Zuständigkeitsstreit wegen einer Rente für abgelaufene Zeiträume. Für solche Streitigkeiten ist nach § 146 SGG die Berufung ausgeschlossen. Dem steht nicht entgegen, daß im vorliegenden Rechtsstreit der Rechtsschutz nicht im Wege einer Leistungs- oder Verpflichtungsklage, sondern einer Feststellungsklage begehrt wird. Auf die Klageart stellt es § 146 SGG weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Sinn und Zweck ab. Wenn mit der Berufung die Feststellung begehrt wird, daß die Leistungspflicht hinsichtlich einer Rente für einen bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitraum einem anderen Versicherungsträger obliege, so "betrifft" das Rechtsmittel die Rente für jenen abgelaufenen Zeitraum. Dem LSG ist auch darin beizupflichten, daß seine Rechtsauffassung dem Sinn und Zweck der hier auszulegenden Vorschrift entspricht; denn die - die Berufungswürdigkeit ausschließende - Bedeutung des Rechtsstreits für einen der beteiligten Versicherungsträger ist nicht anders zu beurteilen, als wenn der Beigeladene das unter Vorbehalt gezahlte Altersruhegeld oder die Feststellung der Zuständigkeit im Rechtswege verlangt hätte.

Die hier vertretene Auffassung, daß es bei den Berufungsausschlußvorschriften auf die Klageart nicht ankommt, liegt erkennbar auch der Entscheidung BSG 17, 186, 187 zugrunde. Darin ist bei einer Feststellungsklage, die sich auf wiederkehrende, mehr als dreizehn Wochen dauernde Leistungen bezog, die Berufung als statthaft angesehen worden; hätte es sich um Leistungen für einen kürzeren Zeitraum gehandelt, so wäre die Berufungsfähigkeit des Anspruchs - ebenso wie bei einer entsprechenden Leistungsklage - augenscheinlich verneint worden. Der Klageart ist auch in anderen - vergleichbaren - Fällen bei der Prüfung prozessualer Erfordernisse keine ausschlaggebende Bedeutung beigelegt worden (vgl. BSG 17, 153 und die von Mellwitz, Sozialgerichtsgesetz, Ergänzungsband, Erl. 5 zu § 144 angeführten Entscheidungen).

Aus den früheren Vorschriften der RVO über den Ausschluß von Rechtsmitteln läßt sich für die gegenteilige Rechtsauffassung der Klägerin entgegen ihrer Meinung nichts herleiten, weil dem Verfahren in der Sozialversicherung vor 1954 die Feststellungsklage im Sinne des heutigen Rechts fremd war.

Die somit nicht statthafte Revision muß als unzulässig verworfen werden (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Von einem Ausspruch über die Erstattungsfähigkeit etwaiger Kosten des Beigeladenen hat der Senat abgesehen, weil der Beigeladene sich im Revisionsverfahren nicht geäußert hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380074

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