Orientierungssatz

1. Wird eine Beschwerde darauf gestützt, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, muß eine konkrete Rechtsfrage bezeichnet und dargelegt werden, warum sie klärungsfähig und klärungsbedürftig ist. Klärungsbedürftigkeit setzt voraus, daß die Beantwortung der Rechtsfrage geeignet ist, der Rechtsfortbildung und der Rechtssicherheit zu dienen. Das ist nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage nicht zweifelhaft oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Für die Beantwortung der Frage, wann eine Offenkundigkeit iS von § 589 Abs 2 der RVO vorliegt, hat das BSG eine große Anzahl von Rechtsfragen bereits geklärt (vgl zB BSG vom 29.5.1984 - 5a RKnU 2/83 = SozR 2200 § 589 Nr 7).

2. Hat der Prozeßbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG keine Beweisanträge, auch nicht als Hilfsantrag zum Sachantrag, gestellt, kann der nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG gerügte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 103 SGG gestützt werden. Das BSG hat bereits häufig entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl zuletzt den Beschluß vom 14.12.1989 - 2 BU 204/89).

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160 Abs 2 Nr 3, § 103; RVO § 589 Abs 2

 

Gründe

Die Klägerin ist mit ihrem auf die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gerichteten Begehren im sozialgerichtlichen Verfahren ohne Erfolg geblieben, weil der Tod ihres Ehemannes nach Auffassung des Landessozialgerichts -LSG- (Urteil vom 9. April 1990) offenkundig nicht durch die bei ihm bestehende Siliko-Tuberkulose herbeigeführt worden sei.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG wendet die Klägerin sich mit der vorliegenden Beschwerde und macht zu ihrer Begründung geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), und das Urteil des LSG beruhe auf Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Die Beschwerde war abzuweisen; sie ist zum Teil unzulässig, zum Teil ist sie unbegründet.

Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Diesem Erfordernis genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Wird die Beschwerde, wie hier, darauf gestützt, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, so genügt es nicht, die Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht anzugreifen. Vielmehr muß eine konkrete Rechtsfrage bezeichnet und dargelegt werden, warum sie klärungsfähig (entscheidungserheblich) und klärungsbedürftig ist. Klärungsbedürftigkeit setzt voraus, daß die Beantwortung der Rechtsfrage geeignet ist, der Rechtsfortbildung und der Rechtssicherheit zu dienen. Das ist nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage nicht zweifelhaft oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Für die Beantwortung der Frage, wann eine Offenkundigkeit iS von § 589 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorliegt, hat das Bundessozialgericht (BSG) eine große Anzahl von Rechtsfragen bereits geklärt (vgl zB BSG SozR 2200 § 589 Nr 7). Die Klägerin legt in ihrer Beschwerdebegründung nicht dar, daß dennoch eine klärungsbedürftige Frage offengeblieben ist. Damit fehlt es der Beschwerde insoweit an der gesetzlich vorgeschriebenen Form.

Die Beschwerde ist ferner unzulässig, soweit sie sich gegen die von dem LSG vorgenommene Würdigung der vorhandenen Beweise richtet. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann die Beschwerde sich auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, nicht berufen.

Dagegen ist die Beschwerde unbegründet, soweit die Klägerin eine Verletzung der Pflicht des LSG, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 SGG), geltend macht. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann der gerügte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Im vorliegenden Fall fehlt es an der schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes (siehe dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 24). Dem Gang des landessozialgerichtlichen Verfahrens ist zu entnehmen, daß im Zeitpunkt der Entscheidung am 9. April 1990 ein Beweisantrag, den das LSG hätte übergehen können, nicht mehr vorlag. Die Klägerin hatte zwar in ihrem Schriftsatz vom 12. März 1990 Beweisanträge formuliert. Das Gericht beabsichtigte nicht, ihnen zu folgen. Dies war bereits der Benachrichtigung zum Verhandlungstermin zu entnehmen und für die durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertretene Klägerin am Schlusse der mündlichen Verhandlung am 9. April 1990 ohne weiteres erkennbar. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin jedoch keine Beweisanträge, auch nicht als Hilfsantrag zum Sachantrag, gestellt. Das BSG hat bereits häufig entschieden, daß es jedenfalls rechtskundig vertretenen Beteiligten obliegt, in der mündlichen Verhandlung alle diejenigen Anträge zur Niederschrift des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (vgl zuletzt den Beschluß vom 14. Dezember 1989 - 2 BU 204/89 -). Fehlt es an einer solchen Antragstellung, ist davon auszugehen, daß die vorher gestellten Verfahrensanträge nicht weiterverfolgt werden. Infolgedessen war ein Beweisantrag, welchen das LSG hätte übergehen können, im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr vorhanden.

Die Beschwerde war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655014

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