Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 18.03.1957)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. März 1957 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

Das angefochtene Urteil hat die Revision nicht zugelassen. Die Revision wäre deshalb nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wäre (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 des SozialgerichtsgesetzesSGG –).

In dieser Hinsicht hat die Revision geltend gemacht, bei der Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG.) habe Landessozialrichter Dr. W. mitgewirkt, obwohl er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen sei (§ 202 SGG in Verbindung mit § 551 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung – ZPO –). Den Ausschluß Dr. W. vom Richteramt leitet der Kläger einmal aus § 17 Abs. 2 SGG (in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 2 SGG) her, wonach u. a. „Mitglieder der Vorstände … der Kassenärztlichen Vereinigungen … nicht Sozialrichter sein” können. Zwar trifft es zu, daß Dr. W. mehrere ehrenamtliche Funktionen in der kassenärztlichen Selbstverwaltung ausübt. Er ist Vorsitzender einer Kreisstelle der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) und in dieser Eigenschaft zugleich Mitglied des Geschäftsausschusses der zuständigen Bezirksstelle (§ 9 Abs. 2 Buchst. b der Satzung der KVH); ferner gehört er dem Landes-Finanzausschuß der KVH an. In allen diesen Funktionen ist Dr. W. nicht Vorstandsmitglied der KVH. Nach der Satzung der KVH sind die Aufgaben des Vorstands, der neben der Vertreterversammlung allein Organ der KVH ist (§ 6 der Satzung; s. auch § 7 zur ausschließlichen Vertretungsberechtigung des Vorsitzenden der Landesstelle), von den Aufgaben der Kreisstellen und Bezirksstellen (§§ 8 ff. der Satzung) als unterer Verwaltungsbezirke scharf geschieden. Ebensowenig macht die Mitarbeit Dr. W. im Landes-Finanzausschuß diesen zum Vorstandsmitglied. Im Gegenteil ist Voraussetzung für die Tätigkeit im Landes-Finanzausschuß, der „zur Gestaltung und Überwachung des Finanzwesens der KVH” gebildet ist (§ 27 Abs. 1 Satz 1 der Satzung), daß die Mitglieder dieses Ausschusses nicht dem Vorstand der KVH angehören (§ 27 Abs. 1 Satz 3 der Satzung). Dahinstehen kann, ob eine Betätigung als Vorstandsbeigeordneter, wie in der Vertreterversammlung der KVH am 25. Mai 1957 zur Entlastung des Vorstandsvorsitzenden beschlossen wurde, einen Arzt vom Amt des Sozialrichters (Landessozialrichters) nach § 17 Abs. 2 SGG ausschließt. Abgesehen davon, daß die diese Revisionsrüge begründenden Tatsachen erst mit Schriftsatz vom 9. Juni 1959, demnach lange nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgetragen sind (vgl. § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG), greift diese Rüge schon deshalb nicht durch, weil die Mitwirkung Dr. Walthers an dem angefochtenen Urteil vor seiner Bestellung zum Vorstandsbeigeordneten gelegen hat.

Auch mit dem zweiten Gesichtspunkt, Dr. W. sei als Bediensteter der KVH nach § 17 Abs. 3 SGG (in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 2 SGG) vom Amt des Landessozialrichters ausgeschlossen gewesen, kann die Revision nicht durchdringen. Was sie in dieser Hinsicht zur Begründung vorträgt 9 daß nämlich Dr. W. Tagegelder und Spesenersatz von der KVH bezogen habe, vermag ihre Auffassung nicht zu stützen. Für den Begriff des Bediensteten ist wesentlich, daß er in abhängiger Stellung gegen Entgelt tätig ist. Ehrenamtliche Mitarbeiter, die nur Ersatz ihrer Auslagen in pauschalierter Form erhalten, beziehen kein Entgelt.

Ob der Kläger, wie er vorträgt, Dr. W. in der Verhandlung vor dem LSG. wegen Besorgnis der Befangenheit hätte ablehnen können (§ 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 ZPO), hat der Senat nicht zu entscheiden, weil der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift Dr. W. nicht abgelehnt hat.

Auch die Rüge der Revision, das LSG. habe zu Unrecht die Revision nicht zugelassen und von der Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG.) gemäß Art. 100 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit § 80 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) abgesehen, ist nicht geeignet, einen Mangel des Verfahrens des LSG. zu begründen. Nur wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, kann das BVerfG. angerufen werden (Art. 100 Abs. 1 GG). Das LSG. hat aber die von der Revision für verfassungswidrig gehaltene Regelung der KVH über die erweiterte Honorarverteilung (Altersversorgung) für grundgesetzgemäß erachtet, so daß es in dieser Sache die Entscheidung des BVerfG. nicht einholen durfte. Ob die sachrechtliche Auffassung des LSG. insoweit zutreffend ist, kann vom Revisionsgericht mangels Statthaftigkeit der Revision nicht nachgeprüft werden. – Ebensowenig kann nach der feststehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG.) die Entscheidung des LSG. über die Nichtzulassung der Revision auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden; auch die unrichtige Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision begründet keinen Verfahrensmangel (Beschl. des BSG. vom 11.6.1955 in SozR. SGG § 162 Bl. Da 1 Nr. 1; BSG. Bd. 2 S. 45 [47] und S. 81 [82 ff.]; Bd. 3 S. 275) Zwar ist der Revision zuzugeben, daß es im vorliegenden Rechtsstreit nahe gelegen hätte, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier zur Entscheidung stehenden – vom BSG. noch nicht entschiedenen – Rechtsfrage die Revision zuzulassen. Indessen könnte allenfalls erwogen werden, bei einer offenbar gesetzwidrigen Nichtzulassung der Revision die Bindung des Revisionsgerichts an diese Nebenentscheidung des LSG. zu verneinen (vgl. für den Fall der offenbar gesetzwidrigen Zulassung der Revision BSG. 10 S. 240). Für eine solche Offensichtlichkeit fehlt es aber in dem angefochtenen Urteil an einem Anhalt.

Da somit keiner der geltend gemachten Revisionsgründe durchgreift, ist die Revision nicht statthaft und nach § 169 Satz 2 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Unterschriften

Richter Dr. Rottmann, Dr. Langkeit

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926341

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