Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.11.1997; Aktenzeichen L 12 Ar 1583/96)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden Württemberg vom 20. November 1997 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die für die Zulassung der Revision auf einen Verfahrensmangel im angefochtenen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) gestützte Rüge ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Auf, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend Rechnung getragen.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Kläger macht geltend, das LSG habe nicht in der Sache entscheiden dürfen, sondern die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil durch Prozeßurteil als unzulässig verwerfen müssen; weder für den für die Beklagte als Bevollmächtigter aufgetretenen stellvertretenden Geschäftsführer K …, der die Berufungsschrift unterzeichnet habe, noch für den Mitarbeiter, der den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrgenommen habe, sei von der Beklagten eine schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht worden, wie es § 73 Abs 2 SGG erfordere. Es sei dabei unerheblich, ob eine Generalvollmacht vorgelegen habe, weil sich die Beklagte darauf nicht berufen habe.

Damit bezeichnet der Kläger indes keinen Verfahrensmangel, auf dem das angefochtene Berufungsurteil beruhen kann. Zwar kann es einen wesentlichen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darstellen, wenn das Gericht in der Sache entscheidet, anstatt die Klage bzw das Rechtsmittel als unzulässig abzuweisen bzw zu verwerfen (vgl BSGE 36, 181, 182 mwN). Der Kläger hat indes nicht schlüssig dargelegt, daß die Voraussetzungen für das Vorliegen eines solchen Verfahrensfehlers hier gegeben sind.

Mit seinem Vortrag will der Kläger offenbar dartun, daß die von den genannten Personen für die Beklagte vorgenommenen Prozeßhandlungen – Einlegung der Berufung und Stellung eines Sachantrags in der mündlichen Verhandlung – unwirksam seien, weil deren Vertretungsmacht nicht in der in § 73 Abs 2 SGG vorgesehenen Form nachgewiesen worden sei. Hierzu wäre es aber zunächst erforderlich gewesen, darzulegen, daß § 73 Abs 2 SGG auf diesen Sachverhalt überhaupt Anwendung finde. Dies hat der Kläger indes versäumt, obwohl hierfür besondere Veranlassung bestanden hätte.

Nach § 71 Abs 3 SGG handeln für rechtsfähige und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie für Behörden ihre gesetzlichen Vertreter, Vorstände oder besonders Beauftragte. Die Beklagte ist als Träger der Sozialversicherung (Versicherungsträger) eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl § 29 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB IV≫), die gemäß § 35 SGB IV durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird. Der Vorstand wiederum bedient sich zur Erfüllung seiner Aufgaben sowohl im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren der Bediensteten des Versicherungsträgers, die als „besonders Beauftragte” iS des § 71 Abs 3 SGG allein aufgrund innerdienstlicher Regelung des Versicherungsträgers auch in sozialgerichtlichen Verfahren handlungsberechtigt sind. Solche innerdienstlichen Regelungen sind ausdrücklich oder stillschweigend bei jedem Versicherungsträger üblich (vgl BSG SozR 2200 § 551 Nr 34 mwN). Diese besonders Beauftragten iS des § 71 Abs 3 SGG sind keine Prozeßbevollmächtigten iS des § 73 Abs 1 SGG, deren Bevollmächtigung gemäß § 73 Abs 2 SGG durch Einreichung einer schriftlichen Vollmacht bis zur Verkündung der Entscheidung nachzuweisen wäre. Ihre Vertretungsberechtigung ist vielmehr – sofern Zweifel daran bestehen – mit allen Beweismitteln – ua einer „Generalvollmacht” – nachweisbar.

Der Kläger hätte hier substantiiert darlegen müssen, daß die Bediensteten der Beklagten, die für sie vor dem LSG aufgetreten sind, entweder nicht als besonders Beauftragte berechtigt waren oder – worauf sein Vortrag wohl abzielt – als Prozeßbevollmächtigte iS des § 73 Abs 1 SGG für die Beklagte tätig geworden sind, ohne vertretungsberechtigt gewesen zu sein bzw ihre Vertretungsberechtigung in der gebotenen Form (s § 73 Abs 2 SGG) nachgewiesen zu haben. Das hat er indes versäumt.

Das LSG hat die Vertretungsberechtigung der im Berufungsverfahren für die Beklagte durch Vornahme von Prozeßhandlungen tätig gewordenen Personen im Wege freier richterlicher Beweiswürdigung als gegeben angenommen. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann aber nicht auf die Rüge gestützt werden, das LSG habe die ihm vorliegenden Beweise über das Vorliegen von Tatsachen bei der Prüfung der prozessualen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels unzutreffend gewürdigt und so statt eines Sachurteils eine prozessuale Entscheidung getroffen, weil sich der Ausschluß von Verletzungen des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG aus den zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensmängeln durch § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auch hierauf bezieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 16).

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175464

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