Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung der Terminverlegung oder -vertagung und des Sachverständigen als Verfahrensmangel. Anerkennung von Schreibkrämpfen als Berufskrankheit

 

Orientierungssatz

1. Ein wesentlicher Verfahrensmangel ist insoweit nicht formgerecht bezeichnet, als die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör durch Ablehnung einer Verlegung oder Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung gerügt wird.

2. Macht der Beschwerdeführer die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen geltend, nachdem dessen schriftliches Gutachten, das in das Gesamtergebnis des Verfahrens einbezogen wurde, bei Gericht eingegangen war, so ist damit kein zur Zulassung der Revision führender Verfahrensmangel bezeichnet (vgl BSG vom 29.4.1982 - 2 BU 42/82 = SozR 1500 § 160 Nr 48).

3. Zur Anerkennung von Schreibkrämpfen als Berufskrankheit.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 3; RVO § 551 Abs 1; RVO § 551 Abs 2

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 13.01.1988; Aktenzeichen L 2 U 132/84)

 

Gründe

Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm einen Schreibkrampf an der rechten Hand wie eine Berufskrankheit zu entschädigen, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 1. August 1980, Urteile des Sozialgerichts -SG- Würzburg vom 8. März 1984 - S 2 U 228/80 - und des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 13. Januar 1988 - L 2 U 132/84 -).

Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Die Beschwerde war deshalb entsprechend § 169 SGG und mit der Kostenfolge entsprechend § 193 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Der Beschwerdeführer weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Er macht geltend, das angegriffene Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Damit sind aber die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht so "bezeichnet", wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt. Nach der ständigen Rechtsprechung verlangt diese Vorschrift, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47, 54, 58). Eine vorschriftsmäßig begründete Verfahrensrüge liegt nur dann vor, wenn die sie begründenden Tatsachen im einzelnen genau angegeben sind und entsprechend der Vorschrift des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Zur Zulässigkeit gehört, daß der Beschwerdeführer den Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt ist, so genau bezeichnet, daß er für das Bundessozialgericht (BSG) ohne weiteres auffindbar ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Daran fehlt es der Beschwerde.

1. Auch im Laufe des Berufungsverfahrens hatte der Kläger mehrere

Beweisanträge gestellt. Dementsprechend trägt der Beschwerdeführer völlig verschiedene Sachverhalte vor, die das LSG alle hätten drängen sollen, seinen Beweisanträgen zu folgen. An keiner Stelle aber bezeichnet er auch nur einen einzigen Beweisantrag so genau, daß der jeweils gemeinte für das BSG ohne weiteres auffindbar ist. Das gilt vor allem auch für die Behauptung, er habe rechtzeitig beantragt, Prof. Dr. P        zu der mündlichen Verhandlung zu laden. Wann und wo dieser rechtzeitige Beweisantrag gestellt worden ist, gibt die Beschwerde nicht an. Alle Rügen der Verletzung des § 103 SGG (Sachaufklärungspflicht) müssen daran scheitern.

2. Der Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs

ist dann nicht hinreichend bezeichnet, wenn nicht dargetan wird, welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Das trifft auf die Beschwerde zu.

a) Welche entscheidungserheblichen Umstände Prof. Dr. P

in der mündlichen Verhandlung über das hinaus hätte bekunden können, was schon Inhalt seines Gutachtens war, und welche sachdienlichen Fragen gestellt werden sollten, teilt die Beschwerde auch nicht einmal andeutungsweise mit. Durch die Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 16. Januar 1986 (4b RV 27/85 in SozR 1750 § 411 Nr 2), das nur die mündliche Erläuterung des eigenen Gutachtens und nicht das eines fremden Sachverständigen betrifft, wird vollends unklar, welches Vorbringen verhindert worden sein soll.

b) Ein wesentlicher Verfahrensmangel ist auch nicht insoweit

formgerecht bezeichnet, als die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör durch Ablehnung einer Verlegung oder Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung gerügt wird. Denn auch zu dieser Rüge fehlt der schlüssige Vortrag, welches entscheidungserhebliche Vorbringen dadurch verhindert worden sei. Aus den beigefügten 48 Literaturnachweisen ist nicht hinreichend ersichtlich, ob dieses Schrifttum entscheidungserhebliche Umstände enthält, die Prof. Dr.  V        noch nicht berücksichtigt hatte. Nach dem Schreiben des Prof. Dr. P        vom 25. März 1988, das der Beschwerde beigefügt ist, ist aber gerade das unwahrscheinlich. Entscheidungserheblich war für das LSG, daß es angesichts der Vielzahl von Personen, die im Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit handschriftlichen Tätigkeiten erwerbstätig seien, keine ausreichenden Nachweise für die Voraussetzungen des § 551 Abs 2 iVm Abs 1 RVO gebe. Es sei nicht statistisch gesichert, daß dieser Personenkreis deutlich häufiger an Schreibkrämpfen erkranke, als die übrige Bevölkerung. Soweit Prof. Dr. P        dazu ausführt, diese Krankheit sei so selten, daß es nicht viele Ärzte in Deutschland gebe, die dieses Krankheitsbild gehäuft gesehen hätten, dann hätte diese Mitteilung das LSG in seiner Rechtsmeinung nur bestärken müssen. Dann ist es gerade ausgeschlossen, daß das angefochtene Urteil auf diesem angeblichen Verfahrensmangel beruhen kann.

c) Soweit der Beschwerdeführer die Einbeziehung des Gutachtens

in das Gesamtergebnis des Verfahrens als unzulässig rügt, das Prof. Dr. V  als Gerichtssachverständiger erstattet hat, macht er die Besorgnis der Befangenheit dieses Sachverständigen geltend, nachdem dessen schriftliches Gutachten bei Gericht eingegangen war. Indessen ist damit kein zur Zulassung der Revision führender Verfahrensmangel bezeichnet. Denn selbst wenn das LSG insoweit einen Verfahrensfehler begangen hätte, wäre er im Revisionsverfahren nicht nachprüfbar (BSG SozR 1500 § 160 Nr 48). Und auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann der Verfahrensfehler im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647336

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