Leitsatz (amtlich)

Die Wiedergewährung des Altersruhegeldes gemäß RVO § 1248 Abs 2 S 3 beruht auf einem neuen Versicherungsfall.

 

Normenkette

RVO § 1248 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Wiedergewährung des Altersruhegeldes gemäß § 1248 Abs. 2 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung beruht auf einem neuen Versicherungsfall.

 

Gründe

I

Dem Verfahren, das zur Anrufung des Großen Senats geführt hat, und der Anrufung selbst liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagte bewilligte dem am 22. September 1958 sechzig Jahre alt gewordenen Kläger auf dessen am 6. März 1959 gestellten Antrag mit Bescheid vom 16. Juni 1959 das vorzeitige Altersruhegeld wegen länger andauernder Arbeitslosigkeit (§ 1248 Abs. 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) vom 1. März 1959 an, nachdem der Kläger vorher seit dem 20. Dezember 1956 mit einer Unterbrechung durch Krankheit vom 11. November 1957 bis 23. Februar 1958 arbeitslos gewesen war. Das vorzeitige Altersruhegeld wurde zunächst gemäß Art. 2 § 43 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) als Vorschuß gezahlt. Vom 1. Juni bis zum 31. Oktober 1959 war der Kläger versicherungspflichtig beschäftigt, so daß die Beklagte ihre Leistungen mit Ablauf des Monats Juni 1959 einstellte (§ 1248 Abs. 2 Satz 2 RVO) und dem Kläger auf seinen Antrag mit Bescheid vom 18. Dezember 1959 ab 1. November 1959 das vorzeitige Altersruhegeld wieder neu als Vorschußleistung bewilligte. Mit zwei Bescheiden vom 21. Juli 1960 wurde das Altersruhegeld unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 und der Versicherungsunterlagen-Verordnung vom 3. März 1960 endgültig festgesetzt. Mit Bescheid vom 17. Februar 1961 erfolgte noch einmal eine Neuberechnung unter Berücksichtigung weiterer Ausfallzeiten. Da der Kläger bereits gegen den Bescheid vom 16. Juni 1959 Klage erhoben hatte, sind alle danach ergangenen Bescheide gemäß § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden, das sich aber zuletzt nur noch gegen den letzten Bescheid vom 17. Februar 1961 richtete. Bei der endgültigen Festsetzung des Altersruhegeldes für die Zeit von März bis Juni 1959 ging die Beklagte davon aus, daß der Versicherungsfall mit der Vollendung des 60. Lebensjahres im September 1958 eingetreten sei, so daß gemäß § 1259 Abs. 2 Satz 1 RVO, wonach Ausfallzeiten längstens bis zum Eintritt des Versicherungsfalles angerechnet werden, die Zeit der Arbeitslosigkeit von Oktober 1958 bis Februar 1959 nicht als Ausfallzeit berücksichtigt wurde. Auch bei der Berechnung des Altersruhegeldes vom 1. November 1959 an wurde diese Zeit nicht als Ausfallzeit berücksichtigt, obwohl die Beklagte hier als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles zunächst den Monat November 1959 annahm und daher auch die Monate der beitragspflichtigen Tätigkeit von Juli bis Oktober 1959 als Versicherungszeit berücksichtigte. Die vom Kläger geforderte Anrechnung der Zeit der Arbeitslosigkeit von Oktober 1958 bis Februar 1959 als Ausfallzeit lehnte die Beklagte jedoch mit der Begründung ab, es habe auf einer irrigen Auffassung, die sie nicht mehr aufrechterhalten könne, beruht, wenn sie zunächst für die Gewährung des Altersruhegeldes seit dem 1. November 1959 den Monat November 1959 als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles angesehen habe. Der Versicherungsfall sei auch für die Bewilligung des vorzeitigen Altersruhegeldes ab 1. November 1959 im September 1958 eingetreten. Unter den Beteiligten ist deshalb streitig, ob die Beendigung der zwischenzeitlichen Beschäftigung, die zum Wegfall des vorzeitigen Altersruhegeldes geführt hatte, einen neuen selbständigen Versicherungsfall darstellt und daher bei der erneuten Gewährung des vorgezogenen Altersruhegeldes ab 1. November 1959 auch die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 1. Oktober 1958 bis zum 28. Februar 1959 als Ausfallzeit zu berücksichtigen ist.

Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat mit Urteil vom 23. Juni 1961 die Beklagte verurteilt, sowohl bei dem ab 1. März 1959 als auch bei dem ab 1. November 1959 bewilligten Altersruhegeld die Zeit von September 1958 bis Februar 1959 als Ausfallzeit zu berücksichtigen. Es hat angenommen, daß in den Fällen des § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO der Rentenantrag zum Eintritt des Versicherungsfalles gehöre. Der Versicherungsfall sei daher auch bei der ersten Bewilligung des Altersruhegeldes nicht bereits im September 1958, sondern erst im März 1959 eingetreten. Die streitige Zeit sei somit sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Bewilligung des vorzeitigen Altersruhegeldes als Ausfallzeit anzurechnen.

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die von der Beklagten eingelegte Berufung als unzulässig verworfen, soweit sie die Berechnung des Altersruhegeldes für die Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 1959 betraf (§ 146 SGG). Im übrigen hat es die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 17. Februar 1961 verurteilt, dem Kläger das Altersruhegeld für die Zeit ab 1. November 1959 unter zusätzlicher Anrechnung der Monate Oktober 1958 bis Februar 1959 als Ausfallzeiten zu gewähren und dem Kläger hierüber einen neuen Bescheid zu erteilen. Das LSG stellte fest, daß die Beklagte den Monat September 1958 bei der Festsetzung des Altersruhegeldes bereits als Ausfallzeit berücksichtigt hatte. Durch die Krankheitszeit vom 11. November 1957 bis 23. Februar 1958 sei die vor dem Eintritt des Versicherungsfalles erforderliche Zeit der Arbeitslosigkeit nicht unterbrochen worden, weil durch die vorübergehende Erkrankung die grundsätzlich vorhanden gewesene Verfügbarkeit des Klägers für eine Arbeitsvermittlung nicht aufgehoben gewesen sei. Der Versicherungsfall sei erstmalig im September 1958 und dann erneut im November 1959 eingetreten. Für das ab 1. November 1959 erneut bewilligte vorgezogene Altersruhegeld sei die streitige Zeit als Ausfallzeit zu berücksichtigen, weil es sich hier um einen neuen Versicherungsfall gehandelt habe. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Der für die Entscheidung über die Revision zuständige 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) sieht die entscheidende Frage des Zeitpunkts des Eintritts des Versicherungsfalles als Frage von grundsätzlicher Bedeutung an. Daher hat er dem Großen Senat nach § 43 SGG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Ist bei der Wiedergewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes gemäß § 1248 Abs. 2 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung als Versicherungsfall der ursprüngliche Versicherungsfall des vorzeitigen Altersruhegeldes zugrunde zu legen oder ist mit dem Ende der Beschäftigung oder Tätigkeit zugleich ein neuer Versicherungsfall eingetreten?

II

Die Vorlage ist zulässig. Nach § 43 SGG kann ein Senat des BSG in einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung die Entscheidung des Großen Senats herbeiführen, wenn nach seiner Auffassung die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung es erfordert. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ("nach seiner Auffassung") ergibt sich, daß es nur auf die Ansicht des vorlegenden Senats ankommt, ob er den Großen Senat anrufen oder den Rechtsstreit ohne diese Anrufung entscheiden will (vgl. BSG 2, 164, 167). An die Ansicht des vorlegenden Senats ist der Große Senat gebunden. Ob der vorlegende Senat auch die Grundsätzlichkeit der Rechtsfrage maßgeblich zu beurteilen hat oder ob diese Prüfung dem Großen Senat obliegt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil die vorgelegte Frage auch nach der Auffassung des Großen Senats von grundsätzlicher Bedeutung ist. Sie ist nicht nur für einen Einzelfall bedeutsam.

III

Der Große Senat hat seine Entscheidung aus folgenden Erwägungen getroffen:

1.) Der Wortlaut des § 1248 Abs. 2 RVO gibt für die Beantwortung der vorgelegten Frage nichts her. In Abs. 2 Satz 1 ist - wie auch in Abs. 1 - nur von "Altersruhegeld" (ohne den bestimmten Artikel) die Rede, weil das Altersruhegeld als Anspruchsart und nicht das in einem Einzelfall gewährte Altersruhegeld gemeint ist. Dagegen heißt es in Abs. 2 Satz 2 "das Altersruhegeld", und zwar sprachlich richtig, weil das vorher gewährte Altersruhegeld wegfallen soll. Nach Abs. 2 Satz 3 wird bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen "das Altersruhegeld ... wiedergewährt." Dies könnte zu dem Schluß führen, daß damit nicht nur das früher bereits gewährte und wieder weggefallene vorzeitige Altersruhegeld als solches, sondern das weggefallene Altersruhegeld auch der Höhe nach gemeint ist, daß also eine Wiedergewährung des alten Altersruhegeldes ohne eine Neuberechnung zu erfolgen hat. Dieser Schluß ist aber nicht zwingend; die Fassung des Abs. 2 Satz 3 kann auch nur deshalb gewählt sein, weil das vorzeitige Altersruhegeld als Anspruchsart schon einmal gewährt worden war und noch einmal zu gewähren ist. Für diese Annahme spricht auch, daß dann, wenn der Gesetzgeber bei dem wiederzugewährenden vorzeitigen Altersruhegeld dem Versicherten - abgesehen von zwischenzeitlichen Rentenanpassungen - ein der Höhe nach unverändertes Altersruhegeld gewähren wollte, es nahegelegen hätte, eine Fassung entweder dahingehend zu wählen, daß das Altersruhegeld für die Zeit "ruht", in der der Berechtigte eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausübt, oder daß das Altersruhegeld nach Beendigung dieser Beschäftigung "wiederauflebt", denn dann müßte mit dem Wegfall der Beschäftigung der alte Anspruch unverändert wiederaufleben (vgl. §§ 1278 ff. RVO, §§ 77 und 87 Abs. 5 AVAVG, § 1291 Abs. 2 RVO).

2.) Vorgeschichte und Entstehungsgeschichte des § 1248 Abs. 2 Satz 3 RVO ergeben keinen Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift die Gewährung eines der Höhe nach unveränderten vorzeitigen Altersruhegeldes bestimmen wollte; sie legen vielmehr die gegenteilige Annahme nahe. Das Altersruhegeld im Sinne des § 1248 Abs. 2 RVO hat einen Vorgänger im Recht der Angestelltenversicherung in dem in § 397 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) alter Fassung (aF) geregelten Ruhegeld wegen Arbeitslosigkeit. Durch § 1248 Abs. 2 RVO sollte diese den Angestellten eingeräumte Möglichkeit, ein Ruhegeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres und mindestens einjähriger Arbeitslosigkeit zu erhalten, zum Zwecke einheitlicher Behandlung der Arbeiter und Angestellten auf alle versicherten Arbeitnehmer ausgedehnt werden. Zur Anwendung des § 397 AVG aF bestimmte § 23 des Gesetzes über weitere Maßnahmen in der Reichsversicherungsordnung aus Anlaß des Krieges vom 15. Januar 1941 (RGBl I S. 35):

Ist ein auf Grund des § 397 AVG bewilligtes Ruhegeld wegen der Übernahme einer invaliden- oder angestelltenversicherungspflichtigen Beschäftigung weggefallen und endet diese Beschäftigung, so wird das Ruhegeld auf Antrag bereits mit dem ersten des darauffolgenden Kalendermonats wiedergewährt.

Diese Vorschrift hatte den gleichen Sinn und Zweck wie § 1248 Abs. 2 Satz 3 RVO. Beide Vorschriften sollen die Wiedergewährung der vor der Arbeitsaufnahme aus der Rentenversicherung gewährten Leistungen erleichtern. Während bei der ersten Gewährung des Ruhegeldes für Arbeitslose eine mindestens einjährige Arbeitslosigkeit erforderlich ist, genügt es bei der Wiedergewährung, daß die in der Zwischenzeit aufgenommene rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit wieder beendet wird. Eine erneute, mindestens einjährige Arbeitslosigkeit soll nicht noch einmal neu gefordert werden. Auch nach § 23 des Gesetzes vom 15. Januar 1941 wurde "das Ruhegeld" ... gewährt. Gleichwohl ist bei der Anwendung dieser Vorschrift in Rechtsübung und Rechtsprechung nicht davon ausgegangen worden, daß es sich hier um einen Fortfall von Ruhensgründen und um ein Wiederaufleben des Ruhegeldes handelte. Man nahm vielmehr an, daß sich mit dem Wegfall des Ruhegeldes auch der bisherige Versicherungsfall des § 397 AVG aF, welcher schon damals der Anrechnung bestimmter Beitragszeiten entgegenstehen konnte (vgl. § 190 AVG aF i. V. m. § 1443 RVO aF), erledigt hatte und der Wiedereintritt des Versicherungsfalles wie ein erstmaliger Versicherungsfall zu behandeln sei (vgl. Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst, AVG, 2. Aufl., Anm. 5 a und 5 c zu § 397). Mit der Regelung in § 1248 Abs. 2 RVO wollte der Gesetzgeber offensichtlich die frühere Regelung des § 397 AVG aF und des § 23 des Gesetzes vom 15. Januar 1941 im Grundsatz für die gesamte Rentenversicherung übernehmen; für die Absicht, eine Änderung in dem Sinne vorzunehmen, daß nunmehr bei der Wiedergewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes wegen Arbeitslosigkeit als Versicherungsfall der ursprüngliche Versicherungsfall des vorzeitigen Altersruhegeldes zugrunde gelegt werden solle, ergibt sich kein Anhalt.

3.) Für die Annahme eines neuen Versicherungsfalls bei der Wiedergewährung des Altersruhegeldes gemäß § 1248 Abs. 2 Satz 3 RVO spricht auch, daß eine nach Wegfall des zunächst bewilligten Altersruhegeldes ausgeübte Beschäftigung nicht nach § 1229 Abs. 1 Nr. 1 versicherungsfrei ist (die Versicherungsfreiheit ist nur für die Dauer des Bezuges des Altersruhegeldes angeordnet). Zur Anrechnung der zwischenzeitlich während der rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit erbrachten Beiträge bei der Wiedergewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes führt aber nur die Annahme eines neuen Versicherungsfalls. Damit wird dem Versicherten - ähnlich wie bis zum Bezuge des Altersruhegeldes nach Vollendung des 65. Lebensjahres - auch beim vorzeitigen Altersruhegeld die Möglichkeit gegeben, durch eine Arbeitsaufnahme und den damit verbundenen Verzicht auf den Bezug des vorzeitigen Altersruhegeldes dieses bei der Wiedergewährung zu erhöhen. Das vorzeitige Altersruhegeld stellt eine Vergünstigung für ältere Arbeitnehmer dar, die trotz eigenen Willens, weiter tätig zu sein, keine Arbeit erhalten können. Daher sind sie den Arbeitnehmern gleichgestellt worden, denen nach Erreichung des 65. Lebensjahres der Anspruch auf Altersruhegeld zusteht (§ 1248 Abs. 1 RVO). Im Alter sollen aber Arbeiter und Angestellte ein Altersruhegeld erhalten, das ihrer vorher in ihrem gesamten von der Rentenversicherung erfaßten Arbeitsleben erbrachten Arbeitsleistung entspricht. Das Prinzip der Individualisierung der Renten ist im neuen Recht so streng durchgeführt, daß sich die Rente grundsätzlich mit jedem vollen Versicherungshalbjahr steigert. Es widerspräche dem Wesen des Rentenversicherungsrechts, wenn die nach Wegfall eines vorzeitigen Altersruhegeldes für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit vorschriftsmäßig entrichteten Pflichtbeiträge bei einem danach erneut zu gewährenden vorzeitigen Altersruhegeld unberücksichtigt blieben und erst später beim Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres oder im Fall des Todes des Versicherten bei den Hinterbliebenenrenten angerechnet werden könnten. Im System der Rentenversicherung gilt der Grundsatz, daß bei der Gewährung eines Altersruhegeldes alle bis zu dessen Beginn entrichteten Beiträge zu berücksichtigen sind. Von diesem Grundsatz könnte im Fall der Wiedergewährung eines vorzeitigen Altersruhegeldes nur abgewichen werden, wenn hierfür eine klare und eindeutige gesetzliche Grundlage vorhanden wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. (Im Schrifttum wird das Vorliegen eines neuen Versicherungsfalls bejaht von: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, III S. 684 f, I; Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung, 1. Aufl., § 1248 Anm. II 5; Verbandskommentar, § 1248 RVO Anm. 12; Gesamtkommentar, § 1248 RVO, Anm. 2 vorl. Abs., 78/2; Elsholz/Theile, Die gesetzl. Rentenvers., Nr. 31, Anm. 3 g S. 73; Hoernigk/Jorks, Rentenvers., § 1248 RVO, Anm. 11, S. 66; Etmer, Angest. - Rentenvers., § 25 Anm. 4 zu d, S. 20 f. Verneinend: Söchting in SozVers. 1962, S. 336 f, Heinze in SGb 1958 S. 237/238 IV, 1).

4.) Auch aus dem Begriff des Versicherungsfalls ergeben sich keine Bedenken gegen die Annahme, daß die Wiedergewährung des Altersruhegeldes gemäß § 1248 Abs. 2 Satz 3 RVO auf einem neuen Versicherungsfall beruht. Allerdings stellte § 397 AVG aF die in Betracht kommenden Versicherten einem berufsunfähigen Versicherten gleich, indem Berufsunfähigkeit fingiert wurde, während in § 1248 Abs. 2 RVO die Fiktion aufgegeben und durch die Anordnung der Gewährung eines vorzeitigen Altersruhegeldes ersetzt wurde. Im Wesen der Fiktion liegt es, daß keine Bedenken dagegen bestehen, die Fiktion eines Versicherungsfalles mehrfach im Leben eines Versicherten anzunehmen. Nachdem aber die Fiktion durch die Anordnung der Gewährung eines vorzeitigen Altersruhegeldes ersetzt worden ist, ist zu prüfen, ob der Versicherungsfall, der der Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes nach einjähriger ununterbrochener Arbeitslosigkeit zugrunde liegt, wiederholt eintreten kann. Unter Versicherungsfall ist ein bestimmtes Ereignis oder das Zusammentreffen mehrerer Ereignisse zu verstehen, gegen deren Nachteile die Versicherung Schutz gewähren soll (so BSG 20 S. 48, 50; 22 S. 123, 124; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, 1965, S. 291; Langkeit, Zum Problem des Versicherungsfalles in der Sozialversicherung und in der Individualversicherung - ZVersWiss 1966, 31, 33). Bei dem Versicherungsfall des § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO handelt es sich um einen zusammengesetzten Versicherungsfall, dessen Eintritt von zwei Ereignissen (Vollendung des 60. Lebensjahres im Verein mit einjähriger ununterbrochener Arbeitslosigkeit) abhängt (vgl. Langkeit, aaO S. 46). Fällt das deshalb gewährte vorzeitige Altersruhegeld wegen der Aufnahme einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit weg, so tritt mit der Beendigung dieser Beschäftigung oder Tätigkeit ein neues Ereignis ein, das zusammen mit den Voraussetzungen des zuvor eingetretenen Versicherungsfalls des § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO einen neuen zusammengesetzten Versicherungsfall darstellt. Für die Ereignisse, die einen Versicherungsfall ausmachen, ist es allerdings grundsätzlich kennzeichnend, daß sie unabhängig vom Willen des Versicherten eintreten, jedoch gibt es gerade beim Altersruhegeld Ausnahmen von diesem Grundsatz (vgl. § 1248 Abs. 7 RVO); auch beim Versicherungsfall des § 1248 Abs. 2 Satz 3 RVO ist es möglich, daß der Versicherte durch vorsätzliches Herbeiführen des Verlustes seiner Arbeitsstelle den Eintritt des den neuen Versicherungsfall auslösenden Ereignisses selbst bestimmt. Diese Ausnahme findet ihre Rechtfertigung dadurch, daß der Versicherte die Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen hatte, obwohl er bereits ein vorzeitiges Altersruhegeld erhielt, das ihm durch die Arbeitsaufnahme verlorenging. Deshalb soll er bei der Beendigung dieser Beschäftigung oder Tätigkeit nicht schlechter gestellt sein, als er gestellt sein würde, wenn er sie niemals aufgenommen hätte.

5.) Da, wie bereits ausgeführt, ein Versicherter bei der Beendigung der zwischenzeitlichen Tätigkeit nicht schlechter gestellt sein soll, als er gestellt sein würde, wenn er sie niemals aufgenommen hätte, sollte das wiedergewährte vorzeitige Altersruhegeld grundsätzlich mindestens ebenso hoch sein wie das vorher bezogene Altersruhegeld. Das Gesetz enthält aber keine Besitzstandsklausel, die dieses Ergebnis sicherstellt. Sollte sich, wie die Beklagte vorträgt, bei der Anwendung des § 1248 Abs. 2 Satz 3 RVO in dem hier aufgezeigten Sinne ergeben, daß - auch außerhalb der sich aus den Übergangsvorschriften des Art. 2 des ArVNG ergebenden Regelungen, die nur noch verhältnismäßig selten praktische Bedeutung haben werden - in einer nennenswerten Anzahl von Fällen das erneut gewährte vorzeitige Altersruhegeld geringer als das ursprüngliche nach § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO gewährte ist, und sollte dieses unbillig erscheinende Ergebnis nicht im Wege der Gesetzesauslegung oder Rechtsfindung auszuschließen sein, so wäre es Sache des Gesetzgebers, diese Härten durch Einfügung einer Besitzstandsklausel in das Gesetz zu vermeiden.

 

Fundstellen

BSGE, 236

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