Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 25. August 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 25.8.2020 hat das LSG für das Saarland einen Anspruch des Klägers auf Verzinsung "vierzig Jahre lang von der Beschwerdegegnerin einbehaltener Sozialversicherungsbeiträge" verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensmängel (Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG) sowie auf "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils".
II
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder |
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die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder |
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bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3). |
Eine Zulassung der Revision wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sieht das SGG, anders als § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO für die Berufungszulassung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, nicht vor. Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann daher nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
1. Die Beschwerdebegründung vom 20.11.2020 genügt nicht den Anforderungen aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, soweit sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 5).
Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam,
"die Frage der Verfassungswidrigkeit der Nichtregelung der Verzinsung des Einbehaltes von Sozialversicherungsbeiträgen über einen Zeitraum von vierzig Jahren" bzw
ob ihm "ein Anspruch auf bankübliche Verzinsung für den Zeitraum des Einbehaltes seiner Sozialversicherungsbeiträge zusteht".
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit sowie mit den Erläuterungen in der Beschwerdebegründung eine oder mehrere hinreichend konkrete Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage jeweils unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht den nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.
Wird mit der Beschwerde - wie vorliegend - ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, darf sich die Beschwerdebegründung nicht auf die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der oder den als verletzt erachteten Verfassungsnormen in substanzieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl ferner zB BSG Beschluss vom 24.7.2018 - B 13 R 23/18 B - juris RdNr 8 mwN). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Schon das Grundrecht, in dem sich der Kläger verletzt sieht ("Schutz des Vermögens nach Art 14 Abs 1 und 3 GG"), wird nur durch die Wiedergabe der in erster und zweiter Instanz gestellten Anträge auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG nach Art 100 GG erkennbar. Die zur formgerechten Beschwerdebegründung erforderliche Auswertung der Rechtsprechung von BVerfG und BSG zu Art 14 GG fehlt vollständig. Auch die pauschale Behauptung, die vor "Einführung des Rückerstattungsanspruches den Erstattungsanspruch als solchen bereits verneine(n)de hierzu seitenweise zitierte und sich hierauf berufende Rechtsprechung" habe "seit der Einführung des § 210 SGB VI keine Gültigkeit mehr", genügt zur Darlegung der Klärungsfähigkeit ebenso wenig, wie die Berufung auf ein - das bereits mit der Rentenreform 1957 unter Konrad Adenauer in der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführte Umlageverfahren ignorierendes - vermeintlich den privaten Lebensversicherungen entsprechendes "Geschäftsmodell". Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - juris RdNr 19). Deshalb ist es nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage erforderlich, die einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung der von ihr formulierten und als klärungsbedürftig angesehenen Fragen enthält. Entgegen diesen Anforderungen fehlen in der Beschwerdebegründung jedwede konkreten Ausführungen zur einschlägigen Rechtsprechung des BSG.
2. Die Beschwerdebegründung des Klägers verfehlt die Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG auch soweit er geltend macht, die angegriffene Entscheidung des LSG beruhe auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), weil das LSG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) "durch die Nichtbescheidung des förmlich gestellten Aussetzungsantrages nach Artikel 100 GG" verletzt habe.
Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 4). Hieran fehlt es, denn die Beschwerdebegründung enthält nicht einmal eine knappe Wiedergabe der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils. Ohne eine solche Darstellung kann sich aber das Beschwerdegericht nicht allein anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es als möglich erscheinen lassen, dass ein Verfahrensmangel vorliegt und das Urteil darauf beruht (vgl zu diesem Erfordernis zB BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 - juris RdNr 3; s auch BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - juris RdNr 5).
Ein substantiierter Vortrag zu dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung und dem ihr zugrunde liegenden entscheidungserheblichen Sachverhalt kann auch nicht durch die pauschale Bezugnahme auf den Inhalt einer der Beschwerdebegründung beigefügten Urteilskopie ersetzt werden (vgl Seite 4 der Beschwerdebegründung). Das Begründungserfordernis dient dem Ziel, die Revisionsgerichte zu entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens zu gewährleisten (BSG Beschluss vom 24.2.1992 - 7 BAr 86/91 - SozR 3-1500 § 166 Nr 4 - juris RdNr 3 f; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 9; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Diesem Ziel wird mit der bloßen Wiederholung des Vortrags vor den Instanzgerichten ebenso wenig genügt, wie mit einer - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen - Bezugnahme auf Schriftsätze, die in den Vorinstanzen eingereicht worden sind (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.2.2011 - B 12 KR 53/10 B - juris RdNr 5 mwN; Leitherer, aaO, § 160a RdNr 13a; Kummer, aaO, RdNr 292). Nichts anderes gilt für die Bezugnahme auf den Inhalt der angegriffenen Entscheidung, wenn dieser an die Stelle einer eigenen Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts tritt. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14492606 |