Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirtschaftliche Behandlungsweise. Darlegungslast

 

Orientierungssatz

Ein Kassen- und Vertragsarzt, dessen Behandlungsweise von den Prüfungsgremien seiner Kassenärztlichen Vereinigung als unwirtschaftlich beurteilt wird, und der dieser Beurteilung entgegentreten will, hat von sich aus alle Umstände vorzutragen, die ihm bekannt sind und für die Beurteilung von Bedeutung sind, vor allem die Besonderheiten seiner Praxis, soweit diese bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung berücksichtigt werden können. Der Arzt hat der ihm obliegenden Darlegungslast schon im Verwaltungsverfahren vor den Prüfungsinstanzen zu entsprechen (vgl BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 = KVRS A-6100/17).

 

Normenkette

RVO § 368e S 2, § 368n Abs 5, § 368f Abs 6

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 01.07.1987; Aktenzeichen L 11 Ka 68/65)

 

Gründe

Der Kläger ist seit dem Quartal II/1981 in G. als Chirurg niedergelassen, zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen und an der Ersatzkassenpraxis beteiligt.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Sprechstundenbedarfsregresses in den Quartalen von II/1981 bis I/1982 in Höhe von insgesamt 25.208,50 DM im Ersatzkassenbereich. Weitere Verfahren sind bis zum Quartal IV/1985 anhängig. Die Überschreitungen betrugen je Quartal mindestens 905 %.

Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision nicht zugelassen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers stützt sich auf alle drei in § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen des Klägers, auf das sich die Prüfung des Senats zu beschränken hat (§ 160a Abs 2 Sätze 1 und 3 SGG), rechtfertigt es nicht, einen der gesetzlichen Zulassungsgründe als gegeben anzunehmen.

I. Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (Zulassungsgrund Nr 1 des § 160 Abs 2 SGG), wird von ihm keine konkrete Rechtsfrage dargelegt, die im vorliegenden Fall entscheidungserheblich (klärungsfähig), bisher nicht ausreichend geklärt und von allgemeinem Interesse wäre. Die Frage, wann die Verpflichtung des Gerichts, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 SGG), endet, ist zu allgemein gefaßt. Sie wird auch nicht dadurch genügend konkretisiert, daß die Bedingungen angefügt werden, "wenn der Kläger seiner Mitwirkungspflicht bei der Sachaufklärung nach besten Kräften nachgekommen ist und eine ergänzende Aufklärung des Sachverhalts nach Hinweis des Gerichts angeboten hat". Eine andere Frage ist es, worauf noch zurückzukommen ist, ob das Berufungsverfahren an einem Verfahrensmangel leidet, wenn das LSG auf Angebote des Klägers, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts beizutragen, nicht eingegangen ist. Die vom Kläger ferner gestellte Frage, "inwieweit ein Arzt faktisch auf einem ärztlichen Gebiet tätig ist, an dem ansonsten nur Ärzte mit Zusatzbezeichnungen oder Teilgebietsbezeichnungen tätig sind", ist eine Tatfrage und keine Rechtsfrage. Die Behauptung des Klägers, "ausschlaggebend für eine zulässige statistische Vergleichsbetrachtung darf jedoch nur die faktische Tätigkeit des Arztes sein", läßt sich zwar in eine Rechtsfrage umdeuten. In Anbetracht der zahlreichen Entscheidungen des Senats zu diesem Fragenkomplex, insbesondere dazu, wie eine internistische Praxisausrichtung eines Allgemeinarztes bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu berücksichtigen ist, hätte dargelegt werden müssen, inwiefern hier eine entscheidungserhebliche Frage noch klärungsbedürftig ist.

II. Die vom Kläger behauptete Divergenz (Zulassungsgrund Nr 2 des § 160 Abs 2 SGG) kann ebenfalls nicht bestätigt werden. Der Kläger legt nur dar, inwiefern aus seiner Sicht sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Gerichtsverfahren gegen die Entscheidung des Senats vom 9. Juni 1982 - 6 RKa 1/81 - verstoßen worden sei. Die Behauptung, im bisherigen Verfahren sei das Recht nicht richtig angewandt worden, reicht für die Begründung einer Divergenzrüge nicht aus. Vielmehr bedarf es der Darlegung, daß das Berufungsgericht eine bestimmte Rechtsfrage anders als das Bundessozialgericht (BSG) entschieden hat. Die Begründung einer Divergenzrüge muß also eine Gegenüberstellung der sich widersprechenden Rechtssätze des Berufungsgerichts und des BSG enthalten. Daran fehlt es hier.

III. Schließlich sind auch die Verfahrensrügen (Zulassungsgrund Nr 3 des § 160 Abs 2 SGG) nicht in begründeter Weise dargelegt worden.

1. Die Besetzung des Gerichts wird vom Kläger lediglich mit der Begründung beanstandet, seine Ablehnung des Richters Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit sei ungerechtfertigt und rechtsfehlerhaft zurückgewiesen worden. Dabei wird nicht beachtet, daß die Entscheidung des LSG über ein Ablehnungsgesuch endgültig ist (§ 177 SGG) und auch im Revisionsverfahren nicht nachgeprüft werden kann (Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 1977, § 60 RdNr 14 mit Rechtsprechungsnachweisen).

2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die der Kläger mit verschiedenen Aussagen des Berufungsurteils zu begründen versucht, kann ebenfalls nicht bestätigt werden. Soweit das LSG den Vortrag des Klägers als nicht ausreichend angesehen hat, um die aus dem statistischen Vergleich sich ergebende Vermutung der Unwirtschaftlichkeit zu widerlegen, kann ihm nicht vorgeworfen werden, es hätte dem Kläger durch entsprechende Hinweise Gelegenheit zu weiterem Vortrag geben müssen. Ein Kassen- und Vertragsarzt, dessen Behandlungsweise von den Prüfungsgremien seiner KÄV als unwirtschaftlich beurteilt wird, und der dieser Beurteilung entgegentreten will, hat von sich aus alle Umstände vorzutragen, die ihm bekannt sind und für die Beurteilung von Bedeutung sind, vor allem die Besonderheiten seiner Praxis, soweit diese bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung berücksichtigt werden können. Der Arzt hat der ihm obliegenden Darlegungslast schon im Verwaltungsverfahren vor den Prüfungsinstanzen zu entsprechen (vgl BSG vom 8. Mai 1985 - 6 RKa 24/83 - KVRS A-6100/17, worauf auch im Berufungsurteil auf Seite 30 hingewiesen wird).

Zur Behauptung des Klägers, das LSG sei von seiner eigenen Rechtsprechung zum Nachteil des Klägers abgewichen, werden keine näheren Ausführungen gemacht, die eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ergeben. Entsprechend verhält es sich hinsichtlich der Beanstandung, das LSG habe sich auf eine eigene Entscheidung gestützt, die erst später ergangen sei. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger an einem weiteren Sachvortrag gehindert worden ist. Die angeblich spätere Entscheidung in der Sache L 11 Ka 68/85 wird in dem hier angegriffenen Berufungsurteil im Zusammenhang mit der vom Kläger geltend gemachten Besonderheit einer "operativen Tätigkeit" erwähnt. Diese Besonderheit war Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Das LSG hat diese Besonderheit mit den Gründen des Urteils des Sozialgerichts Dortmund vom 30. Oktober 1984 - S 22 Ka 70/83 - verneint. Dem Kläger waren die Gründe bekannt, er hatte somit Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Das LSG hat seiner Entscheidung in der Sache L 11 Ka 68/85 keine zusätzlichen, dem Kläger unbekannten rechtlichen Gesichtspunkte entnommen.

3. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung kann im Beschwerdeverfahren nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Das LSG hat im vorliegenden Fall begründet, warum es einer weiteren Beweiserhebung durch die hilfsweise beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht bedurfte. Die dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers sind derart allgemein gehalten, daß sie nicht geeignet sind, die Begründung des LSG in Frage zu stellen.

4. Sollte der Kläger, was aufgrund seines weiteren Beschwerdevorbringens in Betracht zu ziehen ist, auch eine Verletzung der Grenzen der freien Beweiswürdigung, eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG rügen wollen, ist auf § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG zu verweisen, wonach das Begehren auf Zulassung der Revision nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652521

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