Verfahrensgang

SG Kiel (Entscheidung vom 10.02.2017; Aktenzeichen S 17 R 194/15)

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 07.05.2018; Aktenzeichen L 7 R 18/17)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 7. Mai 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Dem Verfahren sind bereits mehrfache Rechtsstreitigkeiten über die Verbescheidung des Renten- bzw Rehabilitationsbegehrens des Klägers mit verschiedenen Antragsdaten vorangegangen.

Ein Ersuchen des Sozialhilfeträgers vom 30.10.2006 wertete die Beklagte als formlosen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, zu dem der Kläger auf Veranlassung der Beklagten einen Formularantrag vom 18.4.2007 einreichte. Dazu erging nach der erfolglosen Aufforderung an den Kläger, sich einer ärztlichen Untersuchungsmaßnahme zu unterziehen, ein Versagungsbescheid vom 20.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.1.2008. Mit Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 27.9.2012 (L 5 R 127/11) wurden die Bescheide wegen fehlender Ermessensausübung aufgehoben.

Auf die nachfolgende Aufforderung des sozialmedizinischen Dienstes, einen Begutachtungstermin wahrzunehmen, verbat sich der Kläger die Belästigung mit solchen unsinnigen Schreiben gegen Androhung einer Strafanzeige (Schreiben vom 18.2.2013). Daraufhin erließ die Beklagte am 10.6.2013 unter Bezugnahme auf den am 30.10.2006 gestellten Rentenantrag einen weiteren Versagungsbescheid.

Mit Schreiben vom 25.8.2014, das am 28.8.2014 bei der Beklagten eingegangen ist, beantragte der Kläger, über seinen Antrag vom 18.4.2007 wegen Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrente seit 1993 zu entscheiden. Untersuchungen werde er nur am Wohnort durch zugelassene und praktizierende Ärzte dulden. Da der Kläger auf die Aufforderung zur Vorlage einer Schweigepflichtentbindung nicht reagierte, erließ die Beklagte nach Belehrung und Fristsetzung am 5.1.2015 einen Versagungsbescheid unter Bezugnahme auf die "am 28.8.2014 beantragte Rente wegen Erwerbsminderung". Ein Widerspruchsbescheid hierzu erging am 3.11.2015. Nach Einreichung einer Schweigepflichtentbindungserklärung im Mai 2016 leistete der Kläger einer Einladung zur sozialmedizinischen Begutachtung keine Folge. Daraufhin erging ein weiterer Versagungsbescheid vom 18.8.2016 wegen fehlender Mitwirkung.

Die bereits am 14.10.2015 erhobene Untätigkeitsklage des Klägers hat das SG als unzulässig abgewiesen. Mit dem nachfolgenden Urteil vom 7.5.2018 hat das LSG den Gerichtsbescheid des SG abgeändert und die og Versagungsbescheide vom 5.1.2015, 3.11.2015 und 18.8.2016 aufgehoben, weil kein Ermessen ausgeübt worden sei. Im Übrigen sei der im Rahmen einer Untätigkeitsklage verfolgte Bescheidungsanspruch unbegründet. Es liege ein zureichender Grund im Sinne des § 88 Abs 1 SGG vor, weil hier zur Feststellung der Erwerbsminderung eine medizinische Begutachtung erforderlich sei, an der der Kläger nicht mitgewirkt habe.

Mit einem von ihm persönlich unterzeichneten Schreiben vom 11.6.2018 hat der Kläger PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Zur Begründung macht er Verfahrensfehler geltend und trägt ua vor, dass er sich nicht gegen die vom LSG aufgehobenen Bescheide gewandt habe, weil mit diesen über einen Antrag vom 28.8.2014 entschieden worden sei, den er nicht gestellt habe. Er habe vielmehr eine Untätigkeitsklage wegen der fehlenden Bescheidung über seinen Antrag vom 10.5.1994 und Formantrag vom 18.4.2007 geführt. Gegen Mitwirkungspflichten habe er nicht verstoßen; er könne verlangen, dass er ausschließlich von zugelassenen Ärzten und nicht von Ärzten der Beklagten untersucht werde.

II

Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen.

Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall.

Es kann dahinstehen, ob im Fall des Klägers die strengen Voraussetzungen für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil (vgl §§ 160, 160a SGG) überhaupt erfüllbar sind. Denn die hinreichende Erfolgsaussicht ist bei der Gewährung von PKH für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht allein danach zu beurteilen, ob die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Vielmehr ist PKH auch dann zu versagen, wenn klar auf der Hand liegt, dass der Antragsteller letztlich nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will. PKH hat nicht den Zweck, Bedürftigen die Durchführung solcher Verfahren zu ermöglichen, welche im Ergebnis nicht zu ihrem Vorteil ausgehen können, die also ein vernünftiger Rechtsuchender nicht auch auf eigene Kosten führen würde (stRspr; BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr 1).

Dem Kläger geht es im Wesentlichen darum, dass die Beklagte über die beantragte Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit bzw Erwerbsminderung ab 1994 entscheidet. Mit der von ihm am 14.10.2015 erhobenen Untätigkeitsklage kann er dies aber nicht mehr erreichen, weil die Beklagte nicht untätig war, sondern Versagungsbescheide (Bescheid vom 5.1.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.11.2015 sowie Bescheid vom 18.8.2016) erlassen hat. Damit hat sich die Untätigkeitsklage jedenfalls erledigt. Durch den Erlass eines Versagungsbescheids wird einer Untätigkeitsklage die Grundlage entzogen, denn diese ist nicht auf Erlass eines Verwaltungsakts mit einem bestimmten Inhalt, sondern nur auf Bescheidung schlechthin gerichtet (vgl Senatsbeschluss vom 16.10.2014 - B 13 R 282/14 B - juris RdNr 6; BVerfG vom 3.3.2011 - 1 BvR 2852/10 - BVerfGK 18, 360 - juris RdNr 14; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 88 RdNr 4, 9, 12). Entgegen der Ansicht des Klägers betreffen die Versagungsbescheide erkennbar sein Begehren, das er im Schreiben vom 25.8.2014 (Eingangsdatum 28.8.2014) wiederholt hat. Für den Versagungsbescheid ist das genaue Antragsdatum unerheblich. Ob es sich bei dem 28.8.2014 um das für den Rentenbeginn nach § 99 Abs 1 SGB VI relevante Antragsdatum handelt oder ob dafür noch der vom Kläger genannte Formularantrag vom 18.4.2007 maßgeblich sein kann bzw ob eine Umdeutung eines 1994 gestellten Rehabilitationsantrags in einen Rentenantrag nach § 116 Abs 2 SGB VI in Betracht kommt, muss erst im Falle einer Rentengewährung abschließend entschieden werden.

Zugunsten des Klägers hat das LSG hier durch Auslegung nach dem Prinzip der Meistbegünstigung den Ausführungen des Klägers eine Anfechtungsklage gegen die Versagungsbescheide entnommen (vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 88 RdNr 12) und diese aufgehoben. Deswegen ist die Beklagte - nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens - erneut zur Verbescheidung des Begehrens des Klägers binnen angemessener Frist verpflichtet; allein aufgrund der Annahme einer Mitwirkungspflichtverletzung darf die Behörde einen Antrag nicht unbeschieden lassen (BSG Urteil vom 26.8.1994 - 13 RJ 17/94 - BSGE 75, 56, 59 = SozR 3-1500 § 88 Nr 2 S 14 - juris RdNr 22). Sie kann in einem solchen Fall entweder einen erneuten Versagungsbescheid nach § 66 SGB I erteilen oder im Falle anderweitiger erfolgreicher Aufklärung in der Sache entscheiden.

Aus diesen Gründen würde auch ein vermögender Kläger von der Weiterverfolgung der Untätigkeitsklage im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde vernünftigerweise absehen.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13656392

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