Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsatzrüge. Abstrakt-generelle Rechtsfrage. Verfahrensmangel. Amtsermittlungsprinzip. Beweisantrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen.

2. Die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge sind nicht gegeben, wenn keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht formuliert wird.

3. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels liegt nicht vor, wenn keine bundesrechtliche Verfahrensnorm bezeichnet wird, die das Berufungsgericht verletzt haben soll.

4. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

 

Normenkette

SGG §§ 103, 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, §§ 162, 169 Sätze 2-3

 

Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 28.06.2018; Aktenzeichen L 1 BA 4/18)

SG Magdeburg (Entscheidung vom 28.11.2013; Aktenzeichen S 10 R 118/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wenden sich die Kläger gegen die Feststellung des Bestehens von Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.

Die Kläger sind Geschäftsführer und Gesellschafter der zu 1. beigeladenen GmbH. An deren Stammkapital verfügen sie jeweils über einen Anteil von 10 %. In einem Statusfeststellungsverfahren stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund (zuletzt) fest, dass die Kläger vom 1.4.2007 bis 30.9.2009 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlagen. Widerspruch, Klage und Berufung der Kläger sind insoweit ohne Erfolg geblieben (SG-Urteil vom 28.11.2013; LSG-Urteil vom 28.6.2018). Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 28.6.2018 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Kläger haben in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).

Die Kläger berufen sich in der Beschwerdebegründung vom 22.10.2018 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und machen das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

Die Beschwerdebegründung genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen.

1. Dies folgt bereits in grundlegender Hinsicht daraus, dass sich die Kläger im weit überwiegenden Teil der Beschwerdebegründung bemühen, eine materiell-rechtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch - wie dargelegt - nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).

2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil die Kläger keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formulieren. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

b) Unabhängig davon legen die Kläger auch nicht die Klärungsbedürftigkeit der von ihnen angenommenen grundsätzlichen Bedeutung dar. Sie beschränken sich im Kern ihres Vorbringens darauf, angesichts der vom LSG zitierten "neueren" Rechtsprechung des BSG ab 2012 bei "Altfällen" in einer Übergangsfrist Ausnahmen von "der neueren Rechtsprechung" zu fordern. Dies erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen, weil sich die Kläger insbesondere nicht damit befassen, inwieweit überhaupt nach 2012 eine Änderung der Rechtslage bzw der Rechtsprechung eingetreten ist (vgl zur Bedeutung des Kapitalanteils bzw einer Sperrminorität von GmbH Gesellschafter-Geschäftsführern zB BSG Urteil vom 17.5.2001 - B 12 KR 34/00 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 17 - Juris RdNr 15). Selbst wenn man in der Rechtsprechung des Senats zu Kopf-und-Seele Konstellationen im Urteil vom 29.7.2015 (B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 29) eine Rechtsprechungsänderung erblicken würde, wären Auswirkungen auf den vorliegenden Sachverhalt weder von den Klägern in ihrer Beschwerdebegründung vorgetragen noch ersichtlich, weil insbesondere ein Familienverhältnis offensichtlich nur zwischen den weiteren beiden Gesellschaftern der Beigeladenen zu 1. (R. sen und R. jun) bestanden hat.

3. Auch einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG haben die Kläger nicht bezeichnet (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 202 ff). Sie haben keine bundesrechtliche Verfahrensnorm bezeichnet, die das Berufungsgericht verletzt haben soll. Überdies wird ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung aber nicht.

Die Kläger behaupten auf Seite 8 der Beschwerdebegründung, das LSG habe verfahrensfehlerhaft ihren Beweisantrag "insbesondere des Steuerberaters" nicht berücksichtigt. Hierdurch bezeichnen sie jedoch keinen Verfahrensmangel in zulässigkeitsbegründender Weise.

Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Mit der Beschwerdebegründung wurde aber nicht aufgezeigt, im Verfahren vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 10 mwN). Ausweislich der Verfahrensakte des LSG haben die Kläger mit Schriftsatz vom 26.6.2018 unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung "angeregt und beantragt" ua den Steuerberater als Zeugen zu hören. Dies hat das LSG in der mündlichen Verhandlung als Beweisanregung qualifiziert. Dem haben die Kläger nebst ihrem Prozessbevollmächtigten nicht widersprochen. Auch in der Beschwerdebegründung legen die Kläger nicht dar, dass es sich bei der Anregung bzw dem Antrag im Schriftsatz vom 26.6.2018 um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gehandelt hat. Schließlich machen die Kläger auch keine Ausführungen dazu, inwieweit die vermeintlich unter Beweis gestellte Tatsache ihrer faktisch weisungsfreien Tätigkeit überhaupt hätte entscheidungsrelevant sein können (vgl zur Bedeutung des Fehlens von Weisungen Dritter zB BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20 - Juris RdNr 17 mwN).

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13041587

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge