Leitsatz (amtlich)

"Aktive Dienstpflicht" im Sinne des RVO § 1268 Abs 4 S 3 ist die Dienstpflicht bei der Wehrmacht auf Grund des Wehrgesetzes vom 1935-05-21 (RGBL 1 1935, 669), nicht die Dienstpflicht vor dem ersten Weltkrieg.

 

Normenkette

AVG § 37 Fassung: 1937-12-21; RVO § 1268 Abs. 4 S. 3 Fassung: 1937-12-21

 

Tenor

Der Antrag des Revisionsklägers auf Bewilligung des Armenrechts vom 8. März 1955 wird abgewiesen.

 

Gründe

Der Kläger begehrt das Armenrecht für die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. November 1954, durch das seine Berufung gegen das Urteil des Bezirksberufungsausschusses vom 15. Mai 1953 zurückgewiesen worden ist. In dem Urteil des Landessozialgerichts ist die Revision zwar zugelassen, so daß sie statthaft ist im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG, doch sind die Angriffe, die von dem Kläger gegen das Urteil gerichtet werden, nicht derart, daß die Rechtsverfolgung, die mit der Revision beabsichtigt ist, Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. die §§ 167 SGG, 114, 126 ZPO).

Der erste Angriff des Klägers richtet sich dagegen, daß ihm das Landessozialgericht Steigerungsbeträge für seine aktive Dienstzeit bei der Marine von 1904 bis 1911 versagt hat. Dieser Angriff ist unbegründet, weil es, wie das Reichsversicherungsamt schon in dem Rundschreiben vom 3. Oktober 1938, EuM Bd 43, S. 289, 296, festgestellt hat, keine gesetzlichen Bestimmungen gibt, die für Dienstzeiten vor dem ersten Weltkrieg Steigerungsbeträge vorsehen. "Aktive Dienstzeit" im Sinne des § 1268 Abs. 4 S. 3 RVO ist lediglich die zweijährige Dienstzeit bei der Truppe im Sinne von § 8 des Wehrgesetzes vom 21. Mai 1935, RGBl. I S. 669, nicht dagegen der Dienst im alten Heer, vgl. Komm. zur RVO von Brandts, Liebing, Malkewitz, Zumbansen, 5. Auflage, Anm. 11 zu § 1286 RVO. In dem Fehlen einer Bestimmung über die Gewährung von Steigerungsbeträgen für die aktive Dienstzeit vor dem ersten Weltkrieg kann auch nicht ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) erblickt werden; die Frage, wie aktive Dienstzeiten vor dem ersten Weltkrieg hinsichtlich der Gewährung von Steigerungsbeträgen zu beurteilen sind, betrifft durchaus nicht den "gleichen" Tatbestand wie die Frage der Gewährung von Steigerungsbeträgen für aktive Dienstzeiten vor dem zweiten Weltkrieg.

Der zweite Angriff des Klägers richtet sich dagegen, daß ihm das Landessozialgericht für die Zeit seiner Beschäftigung beim OKW von 1941 bis 1945 nicht doppelte Steigerungsbeträge zuerkannt hat. Auch insoweit kann seinem Vorbringen nicht zugestimmt werden. Wie sich aus den §§ 37 AVG, 1268 Abs. 4 Satz 3 RVO, 111, 118, 119 Ausbaugesetz vom 1.9.1938, RGBl. I S. 1142, aus der Bestimmung des RVA vom 11.3.1941, AN 1941 S. 128 und der VO vom 8.10.1941, RGBl. I S. 634, ergibt, ist eine doppelte Anrechnung von Steigerungsbeträgen nicht vorgesehen; § 3 der VO vom 13.10.1939, RGBl. I S. 2030, findet, wie sich aus den §§ 1 und 2 der VO vom 22.1.1940, RGBl. I S. 225, ergibt, auf Angestellte im öffentlichen Dienst keine Anwendung, weil für diese Personen Beiträge zu entrichten waren.

Unbegründet ist schließlich der Angriff des Klägers gegen die §§ 55 und 56 BSVAG vom 3.12.1950, VOBl. S. 542, deren Gültigkeit das Landessozialgericht angenommen hat. Seine Ansicht, diese Bestimmungen seien wegen Verstoßes gegen die Art. 2, Abs. 2 14 und 3 GG und gegen den allgemeinen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verfassungswidrig, ist nicht richtig. Einmal hat die Neufeststellung der Renten nach Grundbetrag und Steigerungsbetrag, die § 56 BSVAG zuläßt, nicht grundsätzlich und in jedem Falle zu einer Minderung der Rente geführt; soweit dies aber der Fall ist, ist dadurch nicht ein Recht des Versicherten verletzt worden; der Kläger trägt selbst vor, in dem Bescheid vom 19. Oktober 1946 sei die Rente als "vorläufige Leistung" bezeichnet, die Versicherungsanstalt hat sich also von vornherein die endgültige Festsetzung vorbehalten; es liegt also hier kein Verstoß gegen die Grundnorm der Eigentumsgarantie vor, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 1955, Lindenmaier-Möhring Nr. 7 zu Art. 100 GG, kann für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden. Sodann ist die Neufestsetzung durch § 56 BSVAG, also durch ein formelles Gesetz, ausdrücklich angeordnet worden; darin liegt kein Verstoß gegen Grundrechte, weil damit nur der allgemeine Grundsatz der Rentenversicherung, daß Renten nach Grundbetrag und Steigerungsbetrag zu berechnen sind, wieder hergestellt wurde, nachdem dieser Grundsatz unter den außergewöhnlichen Verhältnissen der letzten Kriegszeit und der ersten Nachkriegszeit aufgegeben worden war.

Unter diesen Umständen muß der Antrag auf Bewilligung des Armenrechts nach § 167 SGG, 114, 126 ZPO abgewiesen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2373459

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