Orientierungssatz

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (hier: Rechtsfrage des Beschwerdeführers, ob das konkrete versicherte Unfallereignis dann entbehrlich ist, weil in Krankenhäusern allgemein ein höheres Hepatitis-B-Infektrisiko besteht).

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 17; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 24.05.1996; Aktenzeichen L 9 Vi 3/94)

SG Hildesheim (Urteil vom 23.08.1994; Aktenzeichen S 7 Vi 64/92)

 

Gründe

Der Kläger ist mit seinem Begehren auf Entschädigung wegen einer infektiösen Lebererkrankung ohne Erfolg geblieben (die Bewilligung von Leistungen nach dem Bundesseuchengesetz ablehnender Bescheid der Versorgungsverwaltung vom 11. Juni 1992 idF des Widerspruchsbescheids vom 30. September 1992; die Klage gegen das beklagte Land abweisende sowie die beigeladene Berufsgenossenschaft verurteilende Entscheidung des Sozialgerichts vom 23. August 1994, die Hepatitis-B-Infektion des Klägers als Folge des Unfalls während der medizinischen Rehabilitation nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ zu entschädigen; die Klage in vollem Umfang abweisendes Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 24. Mai 1996). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, es fehle an dem Nachweis sowohl der versicherten Tätigkeit als auch des Unfallereignisses. Das vorrangig zu prüfende und zu beantwortende Unfallereignis als solches habe nicht geklärt werden können. Ein konkretes Unfallereignis, dh der Vorgang der Infizierung, werde vom Kläger nicht behauptet; ebensowenig sei ein solches Unfallereignis aus der Akte und den beigezogenen Unterlagen ersichtlich. Jedenfalls sei ein solches Ereignis nicht bewiesen.

Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen wesentlichen Verfahrensfehler des LSG sowie eine Abweichung des LSG von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG). Außerdem macht er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

Die Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordern diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Daran fehlt es der Beschwerdebegründung.

Der Kläger rügt als Verfahrensmangel, die Auffassung des LSG verstoße in verschiedener Hinsicht gegen Denkgesetze. Diese Rüge zielt auf die Beweiswürdigung durch das LSG, wonach ein konkretes Unfallereignis nicht erwiesen sei. Eine solche Rüge kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG es ausdrücklich ausschließt, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen. Gegenstand des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht die Frage, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Aus dem gesamten Inhalt der in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer vorgebrachten Begründung wird aber deutlich, daß dies der Kläger im Kern zum Gegenstand seiner Beschwerde macht, wie seine Ausführungen insbesondere zu noch anderen - nach seiner Ansicht bestehenden - Kontaminationsmöglichkeiten zeigen.

Soweit der Beschwerdeführer eine Abweichung von den Entscheidungen des BSG vom 27. Juni 1978 - 2 RU 20/78 - (BSGE 46, 283 = SozR 2200 § 539 Nr 47), vom 1. Februar 1979 - 2 RU 85/78 - (SozR 2200 § 539 Nr 56), vom 30. September 1980 - 2 RU 13/80 - (SozR 2200 § 539 Nr 71) und vom 27. November 1986 - 2 RU 20/86 - (USK 86201) rügt, fehlt es an einer schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrunds. Eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend begründet, wenn erklärt wird, mit welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29 und 54). Dazu reicht es nicht aus, daß die Unrichtigkeit der Entscheidung betreffend den Einzelfall dargetan wird. Entscheidend ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen, in der abstrakten Aussage (BSG Beschluß vom 23. August 1996 - 2 BU 173/96 - mwN; Krasney/Udsching aaO RdNr 196). Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargetan iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Er hat keinen konkreten, von den angezogenen Entscheidungen abweichenden Rechtssatz im Urteil des LSG bezeichnet. Er trägt vielmehr ua vor, das LSG entziehe ihm den Versicherungsschutz "in Verkennung der og Entscheidung und deren vielfältigen Bestätigungen".

Der Beschwerdeführer hält für grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage, "ob das konkrete versicherte Unfallereignis dann entbehrlich ist, weil in Krankenhäusern allgemein ein höheres Hepatitis-B-Infektionsrisiko besteht". Die zu dieser Rechtsfrage gegebene Begründung des Beschwerdeführers entspricht nicht den Anforderungen für die Schlüssigkeit einer auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützten Beschwerde. Nach dieser Vorschrift ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 sowie Beschluß des Senats vom 16. Juli 1996 - 2 BU 146/96 -). Demgemäß muß der Beschwerdeführer, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen hat, aufzeigen, ob und inwieweit zu der von ihm aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching aaO RdNrn 65 f; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 116 ff). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Beschwerdeführer setzt sich vor allem nicht mit der Rechtsprechung des BSG auseinander zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Gesundheitsstörungen durch Infektionskrankheiten einen Unfall (Arbeitsunfall) bilden können (s die zahlreichen Nachweise bei Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 479 g) und die hierzu erforderlichen Beweisanforderungen (s die zahlreichen Nachweise bei Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl, § 548 RdNr 3.4). Vor allem auch im Hinblick auf die Entscheidung des Senats vom 28. August 1990 - 2 RU 64/89 - (USK 90180) gibt der Kläger auch nicht an, inwieweit diese Rechtsprechung zur Entscheidung des vorliegenden Falls einer weiteren Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung bedarf. Damit hat er für den vorliegenden Rechtsstreit die von ihm als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage nicht als klärungsbedürftig iS einer grundsätzlichen Bedeutung dargelegt.

Davon abgesehen hat das LSG zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kläger zwar zum versicherten Personenkreis nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO gehörte (s BSG SozR 2200 § 539 Nrn 56, 71 und 72), daß aber das Risiko der ärztlichen Behandlung selbst nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes nach dieser Vorschrift ist (s BSG aaO; Krasney in Festschrift für Wolfgang Gitter, 1995, S 481, 484 f).

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173440

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