Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrags(zahn)ärztliche Versorgung. MKG-Chirurg. Disziplinarmaßnahme. Abrechnungsweise

 

Orientierungssatz

Eine Disziplinarmaßnahme kann keinen Bestand haben, wenn einem Vertragsarzt bzw -zahnarzt (hier: MKG-Chirurg) unabhängig von der Frage, ob seine Abrechnungsweise den einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften entspricht, kein Verschulden trifft.

 

Normenkette

SGB 5 § 81 Abs. 5 S. 2

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 18.10.1995; Aktenzeichen L 5 Ka 262/95)

SG Karlsruhe (Entscheidung vom 31.08.1994; Aktenzeichen S 1 Ka 783/92)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Kläger, der als Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zugelassen und Mitglied der Beigeladenen ist, ist zugleich als Zahnarzt zugelassen und als solcher Mitglied der Beklagten. Er hat sich im Klage- und Berufungsverfahren gegen einen Disziplinarbescheid der Beklagten gewehrt, mit dem ihm eine Verwarnung erteilt worden war, weil er seine Leistungen im selben Behandlungsfall teilweise bei der Beklagten und teilweise bei der Beigeladenen abgerechnet hat. Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) haben den Disziplinarbescheid aufgehoben. Das SG hat die Aufspaltung der Abrechnungen auch in demselben Behandlungsfall für zulässig gehalten (Urteil vom 31. August 1994). Das LSG hat im Ergebnis offengelassen, ob der Kläger durch diese Abrechnungsform seine kassenzahnärztlichen Pflichten verletzt hat, hat die der Klage stattgebende Entscheidung des SG aber bestätigt, weil der Kläger jedenfalls im Hinblick auf die unklare Rechtslage nicht schuldhaft gehandelt habe (Urteil vom 18. Oktober 1995).

Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Beklagten, mit der diese geltend macht, es habe grundsätzliche Bedeutung, ob doppelt approbierte und doppelt zugelassene Ärzte und Zahnärzte ihre Abrechnung auch innerhalb eines Behandlungsfalls aufspalten und Leistungen, die sowohl bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als auch der der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) abrechnungsfähig sind, teilweise der KÄV und teilweise bei der KZÄV abrechnen dürften. Weiterhin sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob einem doppelt approbierten Arzt und Zahnarzt die Abrechnungsaufspaltung im selben Behandlungsfall als schuldhaftes Verhalten angelastet werden dürfe, wenn diese Vorgehensweise im Schrifttum teilweise für zulässig gehalten werden.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die als Zulassungsgrund allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) liegt nicht vor. Zwar mag - wie bereits das LSG angenommen hat - die Frage der Zulässigkeit der Abrechnungsaufspaltung durch doppelapprobierte Ärzte bzw Zahnärzte im selben Behandlungsfall von grundsätzlicher Bedeutung sein, doch wäre diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Der Senat könnte und müsste sie in einem Revisionsverfahren offenlassen, wenn auch ohne ihre Klärung feststünde, daß die angefochtene Disziplinarmaßnahme keinen Bestand haben kann. Letzteres ist der Fall, wenn dem Kläger unabhängig von der Frage, ob seine Abrechnungsweise den einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften entspricht, kein Verschulden zu Last fällt. Es bedarf keiner grundsätzlichen Klärung, daß mit Disziplinarmaßnahmen im Kassen- bzw Vertragszahnarztrecht nur schuldhaftes Verhalten geahndet werden kann (vgl zuletzt LSG Baden-Württemberg MedR 1995, 39 ff und Jörg, Das neue Kassenarztrecht, 1993, RdNr 515), und daß ein Verschuldensvorwurf nicht gerechtfertigt ist, wenn ein Kassen- bzw Vertragszahnarzt auch bei gründlicher Prüfung der Rechtslage und Einholung von Auskünften bei der für ihn zuständigen KÄV bzw KZÄV keine verläßliche Information darüber erhalten kann, ob ein bestimmter Abrechnungsweg zulässig oder unzulässig ist. Das LSG hat in diesem Zusammenhang dargelegt, daß der Kläger auch bei gewissenhafter Prüfung nicht hätte erkennen können und müssen, daß die von ihm gewählte gespaltene Abrechnungsweise innerhalb eines Behandlungsfalles nicht statt-haft ist, was zur Folge habe, daß auch der Vorwurf einer nur fahrlässigen Pflichtverletzung nicht aufrechterhalten werden könne. Soweit dem tatsächliche Feststellungen des LSG zugrunde liegen, wäre der Senat in einem Revisionsverfahren nach § 163 SGG daran gebunden, denn die Beklagte hat nicht aufgezeigt, daß das LSG seine Feststellungen verfahrensfehlerhaft getroffen haben könnte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig, ob einem Vertragszahnarzt im Disziplinarwege ein Verschuldensvorwurf in einer Konstellation gemacht werden kann, in der die für ihn zuständige KZÄV eine bestimmte Abrechnungsweise für unzulässig und die für ihn zuständige KÄV diese Abrechnungsweise für zulässig hält. Es ist weder von der Beklagten dargetan noch für den Senat ersichtlich, daß sich diese Frage in einer Vielzahl von Fällen stellt und sich generell, dh losgelöst von den konkreten Umständen eines jeden Einzelfalles, beantworten läßt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI10180248

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