Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 26.10.2017; Aktenzeichen L 1 R 514/14)

SG Braunschweig (Urteil vom 25.07.2014; Aktenzeichen S 64 KR 206/12)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Oktober 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob der über die Agentur "Hire a Doctor" vermittelte beigeladene Radiologe in seiner Tätigkeit als Honorararzt für das klagende Klinikum aufgrund einer Beschäftigung der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 29.6.2009 bis zum 30.12.2010 unterlag (Bescheid vom 18.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.4.2012 sowie Teilanerkenntnis vom 25.7.2014). Das SG Braunschweig hat die Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und festgestellt, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege (Urteil vom 25.7.2014). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat auf die Berufung das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Für die Beschäftigung des Beigeladenen spreche, dass er die technischen Anlagen der Klägerin habe unentgeltlich nutzen können und seine Leistungen über die Klägerin abgerechnet worden seien. Er habe Tages- sowie Bereitschaftsdienste übernommen und sei dadurch zwangsläufig in den Dienstbetrieb eingebunden gewesen. Ein Unternehmerrisiko habe er nicht getragen (Urteil vom 26.10.2017). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Beigeladene mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG). Der Beigeladene hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Beigeladene misst der Frage, "ob Honorarärzte - selbst bei minimaler Zusammenarbeit mit dem angestellten Personal in den Betrieb des Krankenhauses eingebunden und somit dort scheinselbstständig tätig sind", eine grundsätzliche Bedeutung bei. Damit ist keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert, sondern nach dem Ergebnis eines Subsumtionsvorgangs im Einzelfall gefragt worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

Selbst wenn eine Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Beurteilung einer Tätigkeit als Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV oder selbstständige Tätigkeit (vgl ua BSG Urteil vom 16.8.2017 - B 12 KR 14/16 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 31 RdNr 15 ff ≪auch zur Beteiligung Dritter≫; BSG Urteil vom 29.6.2016 - B 12 R 5/14 R - Juris RdNr 33 f; BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 17 f) setzt sich der Beigeladene aber nicht auseinander.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Der Beigeladene entnimmt dem angegriffenen Urteil des LSG den Rechtssatz, "dass eine Möglichkeit die abrechenbare Arbeitszeit gerade in besonders hoch entlohnte Zeiten zu legen, kein entscheidendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei". Dem stellt sie als Rechtssatz aus dem Urteil des BSG vom 31.3.2017 (B 12 R 7/15 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 30, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) gegenüber, "dass wenn ein vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt und somit Eigenvorsorge zulasse, dieses ein gewichtiges Indiz für selbstständige Tätigkeit sei". Darüber hinaus sieht der Beigeladene eine weitere Abweichung darin, dass nach der angegriffenen Entscheidung des LSG "ein Facharzt für Radiologie kein Unternehmensrisiko tragen würde, da er seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr des Verlustes einzusetzen würde", während es nach dem Urteil des BSG vom 30.10.2013 (B 12 KR 17/11 R) auch darauf ankomme, dass "diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen".

Es kann dahingestellt bleiben, ob damit sich widersprechende Rechtssätze aufgezeigt worden sind. Jedenfalls ist nicht dargelegt worden, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch in Frage gestellt hätte. Zudem ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, weshalb die angegriffene Entscheidung des LSG auf der geltend gemachten Abweichung beruhen soll. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild prägen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG Urteil vom 23.5.2017 - B 12 KR 9/16 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 4 RdNr 24 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Unter Berücksichtigung der vom LSG in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren Gewichtung hätte der Beigeladene daher darlegen müssen, dass sich ohne die vermeintliche Abweichung das Gewicht der vom LSG in die vorgenommene Gesamtabwägung eingestellten Indizien so zu seinen Gunsten verschoben hätte, dass entgegen dem Abwägungsergebnis des LSG eine Beschäftigung des Beigeladenen nicht mehr hätte angenommen werden können.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11799755

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