Verfahrensgang

SG Lüneburg (Entscheidung vom 27.11.2018; Aktenzeichen S 39 AL 156/15)

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 11.10.2022; Aktenzeichen L 11 AL 8/19)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Oktober 2022 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).

a) Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

In der Beschwerdebegründung ist aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt (zuletzt etwa BSG vom 26.7.2022 - B 11 AL 11/22 B - juris RdNr 3 mwN). Die Beschwerdebegründung muss daher eine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht formulieren (stRspr; vgl etwa BSG vom 14.4.2022 - B 4 AS 4/22 B - juris RdNr 3 mwN).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, "ob arbeitsunfähige Arbeitnehmer, die gleichzeitig nebenberuflich selbständig sind, arbeitslos i.S. der Regelungen des SGB III sein können, wenn eine dauerhafte Erkrankung schwere körperliche Arbeit die Fortführung der bisherigen selbständigen Tätigkeit auf einen langen Zeitraum hin nicht zulässt, die ursprüngliche Ausrichtung ohne die Erkrankung aber einen Zeiteinsatz von 15 Stunden pro Woche und mehr ergab". Hieraus wird schon nicht deutlich, welches Tatbestandsmerkmal welcher Norm des Bundesrechts in einem Revisionsverfahren ausgelegt werden soll. Auch wird nicht dargelegt, warum sich diese Frage nicht anhand der bisherigen Rechtsprechung des BSG beantworten lässt. Soweit die Beschwerdebegründung auf die Rechtsprechung des BSG verweist, geht es dabei stets nur um die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids abzustellen sein soll.

b) Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160 RdNr 121).

Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Der Kläger behauptet eine Divergenz der Entscheidung des LSG zu Urteilen des BSG vom 29.11.1990 (7 RAr 34/90 - SozR 3-4100 § 102 Nr 1) und vom 13.7.2006 (B 7a AL 16/05 R - SozR 4-4300 § 122 Nr 5). Er legt aber jedenfalls keinen (diesen entgegenstehenden) abstrakten Rechtssatz des LSG dar. Vielmehr vertritt der Kläger ausdrücklich die Ansicht, das LSG habe die Rechtsprechung des BSG "falsch verstanden". Damit wird aber nur die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall und keine Abweichung im Grundsätzlichen gerügt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.

Burkiczak

Neumann

B. Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15757880

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