Verfahrensgang

LG Neuruppin (Entscheidung vom 10.01.2001; Aktenzeichen 14 Ns 198/00)

AG Perleberg (Entscheidung vom 01.01.1000; Aktenzeichen 22 Cs 357/00)

GStA Brandenburg (Aktenzeichen 3 Ss 93/01)

StA Neuruppin (Aktenzeichen 323 Js 34925/99)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 10. Januar 2001 aufgehoben.

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

Das Amtsgericht Perleberg verurteilte den Angeklagten am 7. September 2000 wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25,00 DM. Seine dagegen eingelegte Berufung hat das Landgericht Neuruppin mit Urteil vom 10. Januar 2001 als unbegründet verworfen. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er im Rahmen einer Aufklärungsrüge das Fehlen eines Strafantrages rügt und die Sachrüge erhebt.

Die Revision ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß den §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.

Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Das Verfahren gegen den Angeklagten ist wegen eines Prozeßhindernisses einzustellen; daher bedarf es eines Eingehens auf die mit der Sachrüge erhobenen Einwände nicht.

Als Vergehen des Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB kann die Tat des Angeklagten nur verfolgt werden, wenn ein hierzu Berechtigter rechtzeitig Strafantrag gestellt hat (§ 123 Abs. 2 StGB). Die vom Revisionsgericht von Amts wegen vorzunehmende Prüfung des Vorliegens der Verfahrensvoraussetzungen (RGSt 68, 263; BGH NStZ 1985, 407) ergibt, dass der für die Strafverfolgung wegen Hausfriedensbruchs erforderliche Strafantrag (§ 77 StGB) fehlt.

Antragsberechtigt ist der Inhaber des durch den Hausfriedensbruch verletzten Hausrechts, also der Eigentümer bzw. der Pächter der Esso-Tankstelle. Diese haben jedoch keinen Strafantrag gestellt. Der Strafantrag wurde - offensichtlich noch in der Tatnacht am 2. Oktober 1999 - von der Zeugin ... L., die seinerzeit in der Tankstelle beschäftigt war, gestellt. Die Zeugin war als seinerzeit allein in der Tankstelle anwesende Angestellte zweifellos berechtigt, für den abwesenden Inhaber der Tankstelle das Hausrecht auszuüben und Unbefugte aufzufordern, sich aus dem Verkaufsraum zu entfernen. Die Aufforderungsberechtigung ist indes nicht mit der Befugnis zur Stellung des Strafantrages gleichzusetzen. Diese setzt vielmehr voraus, dass der Hausrechtsinhaber den Vertreter, allgemein oder im Einzelfall, mit der Wahrnehmung seiner verletzten Interessen beauftragt, ihm diese also übertragen hat (RGSt 61, 45, 46; BGH NStZ 1985, 407). Eine solche Beauftragung der ... L. ist weder aus der Strafanzeige noch aus dem Strafantrag zu entnehmen. Sie läßt sich aber auch nicht aus den sonstigen Umständen, namentlich dem Beschäftigungsverhältnis der ... L. bei dem Inhaber der Tankstelle herleiten. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie - beispielsweise als Generalbevollmächtigte - befugt war, die Interessen des Betreibers der Tankstelle wahrzunehmen. Aus den Feststellungen in den Urteilsgründen und den Angaben der Zeugin gegenüber der Polizei bei ihrer Vernehmung am 22. März 2000 ergibt sich, dass sie lediglich als Angestellte in der Tankstelle beschäftigt war. Daraus, dass sie als zur Tatzeit allein anwesende Angestellte nicht nur als Verkäuferin tätig, sondern auch mit der Kassenführung und Abrechnung der Tageseinnahmen betraut war, läßt sich nicht der Schluß ziehen, sie sei - über diesen Aufgabenkreis hinaus - allgemein mit der Wahrnehmung der Interessen ihres Arbeitgebers beauftragt.

Allerdings ist in der Rechtsprechung weitgehend anerkannt, dass ein von einem nicht Antragsberechtigten gestellter und daher unwirksamer Strafantrag wirksam werden kann, wenn der Antragsberechtigte innerhalb der Antragsfrist diesen Antrag billigt, mag auch die Billigungserklärung für sich genommen nicht den Formerfordernissen des § 158 Abs. 2 StPO genügen (BGH NJW 1994, 1165; BOHR StGB § 77 b Abs. 2 Satz 1 Eltern 1 Strafantrag; MDR bei Dallinger 1955, 143; OLG Düsseldorf VRS 71, 29, 30; BayObLG DAR 1987, 307; a.A. KG NStZ 1990, 144). Eine derartige Billigung läßt sich indes aus dem Umstand daraus, dass die Zeugin L. möglicherweise zum Hauptverhandlungstermin von ihrem Arbeitgeber freigestellt wurde, schon deshalb nicht begründen, weil sie jedenfalls nicht innerhalb der dreimonatigen Antragsfrist erfolgte. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist zudem stets erforderlich, dass die Billigung eines unwirksamen Strafantrages in irgendeiner Weise deutlich erkennbar nach außen tritt (BGH NJW 1994, 1165, 1166). Dies ist hier gleichfalls nicht geschehen.

Der Senat stellt daher das Strafverfahren wegen Fehlens des erforderlichen und wegen Fristablaufs (§ 77 b StGB) nicht mehr nachholbaren Strafantrages gemäß § 354 Abs. 1 i.V.m. § 260 Abs. 3 StPO ein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3030197

NJW 200...

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