Leitsatz (amtlich)

1. Stellt die Aktiengesellschaft ein Vorstandsmitglied von der Arbeit frei, liegt darin kein Verzicht auf die Anrechnung anderweitiger Verdienste auf die dem Vorstandsmitglied zustehenden Ansprüche auf Vergütung und Tantiemen.

2. Das Vorstandsmitglied muss sich auf seinen Vergütungsanspruch Verdienste anrechnen lassen, die es durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erzielt, die es an sich seinem Dienstherrn zur Verfügung stellen müsste.

Eine Kausalität besteht dann, wenn das Vorstandsmitglied ohne eine erfolgte Freistellung wegen eines Tätigkeitsverbots bzw. eines Einwilligungsvorbehalts rechtlich nicht befugt gewesen wäre, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen.

Dass das Vorstandsmitglied eine Vollbeschäftigung aufnimmt und dass die neue Arbeitsstätte fernab vom Sitz des früheren Dienstberechtigten gelegen ist, sind weitere Indizien für die Kausalität.

 

Normenkette

BGB § 615 S. 2; AktG § 88

 

Verfahrensgang

LG Cottbus (Urteil vom 12.06.2007; Aktenzeichen 11 O 60/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 12.6.2007 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Cottbus (Az. 11 O 60/04) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger - ein promovierter Verfahrenstechnikingenieur in dem Bereich Wärmetechnik - war ehemals Vorstandsmitglied und sodann Liquidator der Beklagten und macht nunmehr aus der Zeit als Liquidator Ansprüche auf Verdienst aus dem Anstellungsvertrag geltend.

Die S AG betrieb im sächsischen Siebenlehen ein Holzkraftwerk. Auf Vermittlung von Prof Dr. F. von der Bergakademie in Freiberg wollte die W. AG, Muttergesellschaft der S. AG, auch in E. ein Kraftwerk mit der gleichen innovativen Technologie errichten. Aus diesem Grund wurde die Beklagte als weiteres Tochterunternehmen der W. AG im Jahre 1998 gegründet.

Das Kraftwerk sollte auf dem Gelände der S. GmbH errichtet und später von dieser GmbH betrieben werden. Geschäftsführer dieser GmbH war der Kläger. Die S. GmbH beteiligte sich mit einem Aktienkapital i.H.v. 500.000 DM an der Beklagten.

Die Finanzierung des Vorhabens sollte mittels eingeworbener Anlegergelder erfolgen. Es wurden Aktienkapital und stilles Beteiligungskapital i.H.v. ca. 16 Millionen DM aquiriert. Im weiteren Verlauf kaufte die Beklagte das für das Kraftwerk benötigte Grundstück für 1,98 Millionen DM.

Alleiniger Vorstand der Beklagten war H. T.. Auf Drängen der S. GmbH und zur Absicherung ihrer Interessen wurde am 20.12.1999 ein Dienstvertrag zwischen dem Kläger und dem Vorstand der Beklagten abgeschlossen, welcher dem Kläger die Befugnisse eines Prokuristen einräumte. Alleiniger Kontoberechtigter über die Konten der Beklagten blieb Herr T..

Bereits mit Vertrag vom 22.12.1998 gewährte die Beklagte der S. AG ein Darlehen über 2.660.000 DM, befristet bis 30.6.2000, zur "Überbrückung bis zum Einfließen der aus der zweiten Kapitalerhöhung der S. AG zu erwartenden Valuta".

"Für die Vermittlung des Projektes E.-E. Heizkraftwerk" stellte die W. E. A. GmbH der Beklagten am 28.12.1998 eine Vermittlungsprovision von 1.566.000 DM brutto in Rechnung, die bis zum 15.2.1999 gezahlt wurde.

Am 29.12.1998 schloss die Beklagte, vertreten durch Herrn T., mit der Z. GmbH einen Darlehensvertrag über einen Betrag von 1.500.000 DM, der bis zum 31.12.1998 von der Beklagten an die Darlehensnehmerin auszuzahlen war. Die Auszahlung erfolgte.

Im Januar 2000 wurden Herr T. sowie die Verantwortlichen der W. AG verhaftet. Letztere sind mittlerweile wegen Kapitalanlagebetrugs zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Der strafrechtliche Vorwurf geht dahin, dass die von der W. AG initiierten Projektgesellschaften einschließlich der Beklagten zu keinem Zeitpunkt ernsthaft beabsichtigten, die Industrieanlagen zu errichten, sondern die Anlegergelder ausschließlich der persönlichen Bereicherung dienen sollten. Ein Großteil der angeworbenen Gelder wurde zu diesem Zweck mittels Beratungs- und sonstigen Verträgen wieder aus den Gesellschaften abgezogen und floss so an die W. AG und Partnerfirmen zurück. Von den mindestens 17 Projektgesellschaften haben lediglich drei tatsächlich Industrieanlagen errichtet.

Mit Beschluss des Aufsichtsrates der Beklagten vom 31.1.2000 wurde der Kläger zu ihrem alleinigen Vorstand bestellt. Am 17.3.2000 schlossen die Parteien einen "Dienstvertrag für ein Vorstandsmitglied". Die wesentlichen Bestimmungen des Vertrages lauten wie folgt:

§ 2 Vertragsdauer

I. Der Dienstvertrag gilt für die Zeit ab 1.2.2000 für die Dauer von 5 Jahren fest abgeschlossen. (...)

II. Der Dienstvertrag endet, wenn das Vorstandsmitglied während der Laufzeit des Dienstvertrages dauernd arbeitsunfähig wird. (...)

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