Leitsatz (amtlich)

1. Der Vorstand eines Vereins überschreitet die sich aus § 27 Abs. 3 Satz 1, § 664 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebende Grenze der zulässigen Delegation von Geschäftsführungsaufgaben, wenn er einen Dritten mit lediglich beispielhaft umschriebenen "Dienstleistungen zur Organisation und Verwaltung des Auftraggebers" beauftragt, die einen wesentlichen Teil der zum Wirkungskreis des Vorstandes gehörenden Aufgaben umfassen. Dies gilt auch dann, wenn dem Vorstand danach noch ein eigenständig wahrzunehmender Aufgabenbereich verbleibt.

2. Erfolgt die Beauftragung des Dritten in einer derartigen Fallgestaltung entgeltlich, kann der Abschluss des Vertrages zudem gegen eine Satzungsbestimmung verstoßen, nach der die Tätigkeit im Vorstand ehrenamtlich ausgeübt wird.

3. Handelt es sich bei dem beauftragten Dritten um eine Gesellschaft, deren Gesellschafter mit den den Verein vertretenen Vorständen identisch sind, kann dies zur Unwirksamkeit des Vertrages unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht führen.

 

Normenkette

BGB § 181

 

Verfahrensgang

LG Cottbus (Aktenzeichen 6 O 172/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 04.12.2020, Az. 6 O 172/18, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf einen Gebührenwert bis 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den beklagten Verein auf Zahlung vertraglich vereinbarter Entgelte in Anspruch.

Beide Parteien gehen auf eine von Herrn Dr. Till Ha. - den Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin - und Herrn Sven Hi. konzipierte Organisationsstruktur zurück. Das Konzept sah unter anderem die Gründung einer Mehrzahl gemeinnütziger Sportvereine sowie einer Gesellschaft vor, wobei die Vereine Rehabilitationssport anbieten und Einnahmen insbesondere aus Mitgliedsbeiträgen sowie Leistungen der Krankenkassen erzielen sollten und die Gesellschaft auf vertraglicher Grundlage gegen Zahlung eines nach dem jeweiligen Vereinsumsatz bestimmten Entgelts Verwaltungsaufgaben für die Vereine erbringen sollte.

Entsprechend dieser Konzeption, die ab 2005/2006 bundesweit umgesetzt wurde und zur Entstehung von insgesamt 15 gemeinnützigen Sportvereinen führte, wurde im Jahr 2005 der Beklagte gegründet. Dessen Vorstand bestand zunächst aus Herrn Hi., dessen Ehefrau Peggy Hi. und Herrn Dr. Ha. Die Satzung des Beklagten vom 08.12.2005 sah unter anderem vor, dass der Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung verfolgt (§ 2 Abs. 1 Satz 1), selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt (§ 2 Abs. 3), sowie dass dessen Organe ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben (§ 2 Abs. 4). Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung wird auf deren zur Akte gereichte Ablichtung (Blatt 297 ff. d.A.) verwiesen.

Mit Notarvertrag vom 12.06.2006 gründeten Herr Hi. und Herr Dr. Ha. die Klägerin, wobei beabsichtigt war, dass diese die Firma "Verwaltungsgesellschaft mbH" führt. Zugleich bestellten sie Frau Renate E. zur Geschäftsführerin.

Noch vor Eintragung der Klägerin im Handelsregister wurde die als Anlage K1 (Blatt 10 f. d.A.) vorgelegte, mit "Auftrag" überschriebene Vertragsurkunde errichtet, die seitens der Klägerin von Frau E. und seitens des Beklagten von Herrn Hi. sowie Herrn Dr. Ha. unterzeichnet wurde. Der Vertrag beinhaltet unter anderem folgende - von der Klägerin auch in einer Vielzahl anderer Verträge mit Sportvereinen verwendete - Klauseln:

"§ 1 Gegenstand

Der Auftragnehmer erbringt Dienstleistungen zur Organisation und Verwaltung des Auftraggebers.

§ 2 Aufgaben des Auftragnehmers im Auftrag des Auftraggebers

Die Dienstleistungen umfassen u.a.

Verwalten der Vereinsmitglieder[...]

Eingabe von Mitgliedsverträgen, Ruhezeiten, Vertragsveränderungen und Kündigungen

Einzug der Mitgliedsbeiträge

Abrechnung von Kassenleistungen

Überweisung von Rechnungsbeträgen [...] bei regelmäßig anfallenden Zahlungen und geringen Beträgen bzw. bei größeren Einzelbeträgen nach Rücksprache mit dem Vorstand

Meldungen zu Mitgliederzahlen und -strukturen an den LSB und anderen übergeordneten Einrichtungen

Buchführungen

Vorbereitungen des Jahresabschlusses

erstellen von Jahresabschlüssen

Unterstützung bei der Zertifizierung von Kursen nach § 44 SGB

Unterstützung bei der Zertifizierung von Kursen nach § 20 SGB

Unterstützung bei der Qualitätssicherung

Unterstützung bei der Zulassung der Angebote

Unterstützung bei der Erarbeitung der Steuererklärung

beratende Tätigkeiten des geschäftsführenden Vorstandes

§ 3 Aufgaben des Auftraggebe...

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