Verfahrensgang

LG Potsdam (Entscheidung vom 06.01.2006; Aktenzeichen 1 O 259/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 6.1.2006 teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.524,29 EUR nebst 4 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 6.3.2004 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kosten des ersten Rechtszugs der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4. Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der K... Bau GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) den Beklagten auf die Rückgewähr von Zahlungen der Schuldnerin in Anspruch.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 66.159,06 EUR nebst 4 % Zinsen ab 6.3.2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 6.1.2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten aus § 143 Abs. 1 InsO bestünden nicht, da die Zahlungen der Schuldnerin nicht anfechtbar seien. Sie unterfielen nicht §§ 130, 131 InsO, da sie früher als drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hätten. Eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO sei nicht gegeben, da Rechtshandlungen der Schuldnerin nicht gegeben seien, soweit der Beklagte Pfändungs- und Einziehungsverfügungen ausgebracht habe, und weil nach den Umständen des Falles ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und Kenntnis des Beklagten davon nicht feststellen lasse.

Gegen dieses Urteil, das ihm am 20.1.2006 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 20.2.2006 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 20.4.2006 an diesem Tag begründet.

Er verfolgt weiterhin die Rückgewähr der Zahlungen vom 12.7.2002 in Höhe von 16.454,56 EUR und vom 25.7.2002 in Höhe von 69,73 EUR.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 6.1.2006 den Beklagten zu verurteilen, an ihn 16.524,29 EUR nebst 4 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 6.3.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat durch nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 8.8.2006 ergänzend vorgetragen.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 3, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO auf Rückgewähr der Zahlungen vom 12.7.2002 und 25.7.2002 in Höhe von insgesamt 16.524,29 EUR. Denn die Zahlungen unterliegen der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO.

1.

Die Zahlungen sind Rechtshandlungen der Schuldnerin gemäß §§ 129 ff. InsO.

Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen. Er erfasst jedes rechtlich erhebliche Handeln, das heißt jede Willensbetätigung, die eine rechtliche Wirkung auslöst (BGH NJW 2004, 1660 f.; NJW-RR 2004, 983; HeidelbKomm./Kreft, InsO, 4. Aufl., § 129, Rn. 10; MünchKomm./Kirchhoff, InsO, § 129, Rn. 7). Das trifft auf Zahlungen des Schuldners, die - wie hier geschehen - auf bestehende Verbindlichkeiten erbracht werden, stets zu (vgl. BGH NJW-RR 2004, 983).

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Zahlung vom 25.7.2002 im Anschluss an die Vollstreckungsankündigung des Beklagten vom 22.7.2002 geleistet worden ist. Denn die Ankündigung einer demnächst zu erwartenden Zwangsvollstreckung ändert nichts daran, dass der Schuldner - noch - in der Lage ist, über den angeforderten Betrag nach eigenem Belieben zu verfügen und ihn, anstatt ihn an den Gläubiger zu zahlen, selbst verbrauchen, Dritten zuwenden oder ihn behalten und Insolvenzantrag stellen kann, weshalb eine darauf erbrachte Leistung nicht einem Vermögenszugriff im Wege der Zwangsvollstreckung gleichgesetzt werden kann und eine Rechtshandlung des Schuldners darstellt (BGH NJW 2005, 1121, 1123;  2003, 3347, 3348; HeidelbKomm./Kreft, a.a.O., § 129, Rn. 10). Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt erst dann nicht mehr vor, wenn er nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson zu dulden (BGH NJW 2005, 1121, 1123; OLG Frankfurt/Main OLGR 2006, 414, 415). So liegt der vorliegende Fall indes nicht. Es ist nichts dafür dargetan, dass eine Vollziehungsperson bei der Schuldnerin erschienen ist und diese darauf gezahlt hat.

Der Zahlung vom 12.7.2002 ist ohnehin nicht eine Vollstreckungsankündigung des Beklagten vorangegangen, sondern die Anforderung der Begleichung der rückständigen Steuerschuld der Schuldnerin zur abschließenden Bearbeitung ihres Antrags auf Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung zur Bauabzugssteuer in dessen Schreiben vom 9.7.2002; dieses steht nach den soeben dargestellten Grundsätzen dem Vorliegen einer Rechtshandlung der Schuldnerin - erst recht - nicht entgegen.

2.

Die Zahlungen führen zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO, die für sämtliche Anfec...

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