Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsverwaltung: Nutzungsentschädigungsanspruch gegen die Ehefrau des Zwangsverwaltungsschuldners für Weiternutzung einer einheitlichen Wohnung nach Beschlagnahme

 

Normenkette

BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, § 1353 Abs. 1; ZVG § 148 Abs. 2, § 149 Abs. 1; GG Art. 6

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 22.06.2011; Aktenzeichen 14 O 301/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.05.2013; Aktenzeichen IX ZR 224/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Frankfurt/O. vom 22.6.2011 (Geschäftszeichen 14 O 301/09) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt als ehemaliger Zwangsverwalter über das Grundstück ... Straße 9 in S., dessen Eigentümer der Zwangsverwaltungsschuldner, der Ehemann der Beklagten, Herr B ... B., war von der Beklagten Nutzungsentschädigung. Die Beschlagnahme erfolgte am 2.8.2008. Die Beklagte bewohnt das Zwangsverwaltungsobjekt, wobei der Umfang der Nutzung streitig ist. Ob der Ehemann der Beklagten das Zwangsverwaltungsobjekt zum Zeitpunkt der Beschlagnahme ebenfalls bewohnt hat, steht zwischen den Parteien im Streit, ebenso die Frage, ob und wann er die Nutzung zwischenzeitlich aufgegeben hat.

Es existiert ein Mietvertrag der Eheleute B., datiert, vom 15.12.2006, nach dem der Beklagten das zweite und dritte Obergeschoss vermietet wurde. Ein Mietzins wurde nicht vereinbart; die Beklagte sollte lediglich eine Nebenkostenpauschale von 400 EUR schulden.

Der Kläger hat mit der Klage von der Beklagten eine Nutzungsentschädigung für einen Zeitraum von März 2008 bis einschließlich Oktober 2009 von insgesamt 32.404,80 EUR (1.620,24 EUR pro Monat x 20 Monate) begehrt und hierzu vorgetragen, das Objekt sei 270,04 qm groß und die durchschnittliche Miete betrage 6 EUR pro Quadratmeter.

Der Kläger hat bestritten, dass ein Mietvertrag vor der Beschlagnahme des Objektes abgeschlossen worden sei. Im Übrigen sei der Mietvertrag ihm gegenüber gem. § 1124 Abs. 2 BGB unwirksam, da die Festsetzung der monatlichen Kaltmiete auf 0 EUR eine Vorausverfügung über die Miete darstelle. Ein Wohnrecht bestehe weder zugunsten des Ehemannes noch zugunsten der Beklagten. Der Zwangsverwaltungsschuldner habe bereits zum Zeitpunkt der Beschlagnahme das Objekt nicht mehr bewohnt. Jedenfalls habe er im weiteren Verlauf auf sein Wohnrecht verzichtet. Die Räumlichkeiten seien im Übrigen größtenteils entbehrlich.

Die Beklagte hat bestritten, dass ihr Ehemann jemals aus dem Objekt ausgezogen sei.

Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme i.H.v. 27.208,76 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.10.2009 stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe in der tenorierten Höhe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Nutzungsentschädigung zu, da die Beklagte die Nutzungsmöglichkeiten an den Räumen, die ihr nicht gem. § 149 ZVG zu belassen seien, ohne rechtlichen Grund erhalten habe. Die Rechtsgrundlosigkeit ergebe sich daraus, welche Räume der Beklagten gem. § 149 Abs. 1 ZVG zu belassen seien. Dem Schuldner und hiervon abgeleitet den Hausstandsmitgliedern dürften die nicht nach § 149 ZVG als unentbehrlich zu belassenden Räume nur gegen Entgelt überlassen werden.

Der Zwangsverwaltungsschuldner habe sein Wohnrecht nach § 149 Abs. 1 ZVG ohnehin durch den Abschluss des Mietvertrages mit der Beklagten jedenfalls das zweite und dritte Obergeschoss betreffend aufgegeben. Jedenfalls aber hätten sich die Beklagte und ihr Ehemann nicht auf eine konkrete Nutzung der diversen Wohnräumlichkeiten innerhalb des Objektes gegenüber dem Kläger festgelegt. Daher sei die Beklagte für die tatsächlich genutzten Räume verpflichtet, eine adäquate Entschädigung zu zahlen. Diese Räumlichkeiten seien auch entbehrlich, da ein Zwangsvollstreckungsschuldner jedenfalls keine 183,32 qm von 319,14 qm zu nutzen brauche. Ab Juni 2009 sei mit der ab diesem Zeitpunkt angemieteten Wohnung in B. das gesamte Objekt in S. entbehrlich gewesen. Dementsprechend schulde die Beklagte bis Ende Mai ein Nutzungsentgelt für das zweite und dritte Obergeschoss aus tatsächlichen bzw. aus rechtlichen Gründen nach dem Rechtsinstitut der ungerechtfertigten Bereicherung. Gegenüber dem Kläger könne sie sich nicht darauf berufen, dass sie nach dem Mietvertrag keine Miete zu zahlen gehabt habe, da dies eine Vorausverfügung über die Miete darstelle. Anzusetzen sei der von der Sachverständigen ermittelte Wert von 6,99 EUR pro Quadratmeter. Ab Juni 2009 sei für das gesamte Objekt ein Nutzungsentgelt zu zahlen, berechnet nach einer Miete von 5,13 EUR pro Quadratmeter.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezu...

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