Leitsatz (amtlich)

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Hinblick auf eine Entscheidung des EGMR in einer Zivilsache ist jedenfalls dann nicht in analoger Anwendung des § 580 Nr. 7b ZPO möglich, wenn der EGMR eine Rechtsnorm des innerstaatlichen Rechts inzident als konventionswidrig angesehen hat.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 22.08.2000; Aktenzeichen 14 O 57/00)

 

Tenor

Die Restitutionsklage gegen das am 27.4.2001 verkündete Urteil des Senats sowie das Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 22.8.2000 und das Versäumnisurteil des LG Frankfurt (Oder) vom 11.5.2000 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Restitutionsklageverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin strebt mit ihrer am 18.2.2004 beim Brandenburgischen OLG eingegangenen Klage die Wiederaufnahme des Verfahrens an und möchte letztlich die Abweisung der ursprünglichen Klage erreichen, die auf Genehmigung der in einem notariell-beurkundeten Vertrag vom 7.6.1999 im Namen der jetzigen Klägerin und damaligen Beklagten abgegebenen Erklärungen gerichtet war.

Mit Versäumnisurteil vom 11.5.2000 hat das LG die jetzige Klägerin und damalige Beklagte antragsgemäß verurteilt und dieses Versäumnisurteil mit Urteil vom 22.8.2000 aufrecht erhalten. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dem damals klagenden Land stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf unentgeltliche Übereignung des streitbefangenen Grundstücks in H.-dorf, das ihrem Rechtsvorgänger, Herrn R.B., im Wege der Bodenreform zugewiesen war, gem. Art. 233 § 11 Abs. 3 S. 1 EGBGB zu. Bei der damaligen Beklagten handelt es sich um die Erbin des Herrn R.B., die seit dem 6.9.1991 als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen war.

Mit Urteil vom 27.4.2001 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des LG Frankfurt (Oder) vom 22.8.2000 zurückgewiesen.

Die Klägerin stützt ihre Restitutionsklage auf § 580 Nr. 7b ZPO. Sie macht geltend, bei dem Urteil der 3. Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden EGMR) vom 22.1.2004, das die Regelungen des Art. 233 § 11 ff. EGBGB als menschenrechtswidrig erachtet habe, und bei den in Folge dieses Urteils veröffentlichten Presseerklärungen der Finanzministerin des Landes Brandenburg vom 28.1.2004 und des Finanz- und Justizministeriums des Landes Brandenburg vom 6.2.2004 handele es sich um Urkunden i.S.d. § 580 Nr. 7b ZPO. Der Anwendbarkeit des § 580 Nr. 7b ZPO könne nicht entgegengehalten werden, dass die genannten Urkunden erst nach Fällung der angegriffenen Urteile entstanden sein, da sie jedenfalls in dem Sinne zurückliegende Umstände widerspiegelten, als der Rechtszustand, den der EGMR festgestellt habe, von Anfang an bestanden habe. Eine Wiederaufnahme gem. § 580 Nr. 7b ZPO könne auch nicht nur auf solche Urkunden gestützt werden, die Tatsachen belegten; die Regelung des § 580 Nr. 7b ZPO stelle allgemein auf Urkunden ab, die den Restitutionskläger in den Stand setzen, eine ihm günstigere Entscheidung herbeizuführen. Jedenfalls sei die Regelung des § 580 Nr. 7b ZPO im zu entscheidenden Fall entsprechend anwendbar. Dies gelte jedenfalls deshalb, weil die Vollstreckung der der Menschenrechtskonvention widersprechenden Entscheidungen noch bevorstehe, da - was unstreitig ist - das beklagte Land bis zum 28.4.2004 lediglich einen Antrag auf Eintragung als Eigentümer bei dem zuständigen Grundbuchamt gestellt habe, dieser Antrag jedoch noch nicht vollzogen worden sei.

Darüber hinaus vertritt die Klägerin die Auffassung, das beklagte Land habe ihren Restitutionsanspruch mit Schriftsatz vom 30.4.2004 anerkannt, in dem es erklärt habe, dass das beklagte Land mit Blick auf den nach dem Urteil des EGMR vom 22.1.2004 entstandenen unsicheren Rechtszustand derzeit keinerlei Maßnahmen betreibe, den durch das Urteil des Senats vom 27.4.2001 bestätigten erstinstanzlichen Genehmigungsanspruch durchzusetzen, und keine Maßnahmen ergreifen werde, die zu vollendeten, nicht mehr rückabzuwickelnden Tatsachen führen könnten.

Die Klägerin beantragt - in erster Linie im Wege eines Anerkenntnisurteils, hilfsweise im Wege eines streitigen Urteils -, die Klage in Abänderung der Urteile des LG Frankfurt (Oder) vom 22.8.2000 und des Brandenburgischen OLG vom 27.4.2001 abzuweisen.

Das beklagte Land beantragt, die Restitutionsklage abzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, die Entscheidung des EGMR vom 22.1.2004 stelle keinen Restitutionsgrund i.S.d. § 580 Nr. 7b ZPO dar; diese Regelung sei weder unmittelbar noch analog anwendbar. Ebenso wenig komme ein Restitutionsgrund i.S.d. § 580 Nr. 6 ZPO in Betracht. Ein Anerkenntnis sei in den im Schriftsatz vom 30.4.2004 abgegebenen Erklärungen nicht zu sehen.

Das beklagte Land hat in einem Parallelverfahren zum Az: 4 U 33/04 mit Schriftsatz vom 7.5.2004 mitgeteilt, dass es den Antrag auf Eigentumsumschreibung hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks mit einem Schreiben der Notarin F. an das zuständige Grundbuchamt vom 28.4.2004 zurückgenommen habe. In die...

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