Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.02.2024; Aktenzeichen VIa ZR 947/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 07.07.2021, Az. 1 O 3/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des Landgerichts Potsdam sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf bis zu 40.000 EUR festgesetzt. -

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung wegen einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 17.01.2015 von der Autohaus ... den streitgegenständlichen gebrauchten BMW 330d mit einer Laufleistung von 24.580 km zu einem Kaufpreis von 44.500 EUR brutto. Die Erstzulassung datiert vom 10.01.2014. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter und entwickelter Dieselmotor des Typs N57 mit der Schadstoffklasse Euro 5 und mit einer Leistung von 190 kW verbaut.

Das Fahrzeug der Klägerin ist von einem amtlichen Rückruf nicht betroffen. Zur Reduktion der Stickstoffemissionen (und zur Einhaltung der Grenzwerte der Schadstoffklasse) verfügt der Motor über eine Abgasrückführung. Eine Abgasnachbehandlung durch einen SCR- oder einen NOx-Katalysator findet nicht statt.

Mit Schreiben vom 10.09.2020 machte die Klägerin Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten geltend und verlangte die Zahlung von 44.500 EUR abzüglich Nutzungen (8.931,45 EUR), d.h. 35.568,55 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie Deliktszinsen.

Die Klägerin hat behauptet, dass in Fahrversuchen der Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) im realen Straßenverkehr (u.a.) bei Motortypen der Beklagten im Mittel höhere NOx-Werte gemessen worden seien, als in dem für die Schadstoffklasse maßgeblichen Standardmessverfahren. Diese Motortypen seien nach Auffassung der Klägerin mit dem Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs vergleichbar. Daraus schließt die Klägerin auf das Vorhandensein mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung, durch die die Abgasrückführung (ganz oder teilweise) gezielt inaktiviert werde. So existiere ein Thermofenster, wodurch die Abgasreinigung nur in einem Temperaturbereich von + 20 bis + 30 Grad Celsius richtig funktioniere. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasrückführung dagegen iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet. Zudem verfüge das Fahrzeug über eine Fahrzykluserkennung ("Hard Cycle Beating"), mit der es erkenne, wenn es einen bestimmten Fahrzyklus auf einem Rollenprüfstand für die Abgasmessung (NEFZ) abfahre. Nur unter den Bedingungen auf dem Prüfstand funktioniere die Abgasreinigung optimal. Unter anderen (realen) Bedingungen werde das Abgasrückführungsventil dagegen komplett geschlossen. Dementsprechend sei die elektronische Fehlerdiagnose des Fahrzeugs (OBD) so verändert worden, dass die (gezielte) Abschaltung der Abgasrückführung nicht als Fehler ausgegeben werde.

Diese Abschalteinrichtungen verstießen gegen die relevante Abgasnorm (VO 715/2007 EG), insbesondere sei der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 der VO nicht einschlägig. Der Vorstand der Beklagten habe diesen Verstoß bewusst aus Kostengründen in Kauf genommen, weil die Abgasgrenzwerte andernfalls nur mit höherem technischen und wirtschaftlichen Aufwand einzuhalten gewesen wären. Die Beklagte habe das Vorhandensein dieser Abschalteinrichtungen dem Kraftfahrbundesamt im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens bewusst verschwiegen.

Die Klägerin sei davon ausgegangen, ein wertstabiles und technisch einwandfreies Fahrzeug zu erwerben, welches die gesetzlichen Schadstoffwerte einhalte. Dabei seien ihr Sparsamkeit, Umweltfreundlichkeit und der Wiederverkaufswert des Fahrzeugs besonders wichtig gewesen. Bei Kenntnis der zahlreichen Manipulationen hätte sie vom Kauf dieses Fahrzeugs Abstand genommen.

Die Klägerin hat als Schadenersatz den Kaufpreis in Höhe von 44.500 EUR abzüglich Nutzungen von 8.931,45 EUR (unter Zugrundelegung einer Laufleistung von 500.000 km), d.h. 35.568,55 EUR verlangt. Daneben hat sie Deliktszinsen verlangt. Erstinstanzlich hat sie beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 35.568,55 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.09.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW vom Typ BMW 330d mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.065,53 EUR Deliktszinsen zu zahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW vom Typ BMW 330d mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...

3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Antrag 1. genannten Fahrzeuges...

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