Verfahrensgang

LG Potsdam (Entscheidung vom 09.11.2000; Aktenzeichen 31 O 271/98)

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Trägerin des Kreiskrankenhauses B... wegen der ärztlichen Behandlung anläßlich ihrer Geburt auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Sie erhebt den Vorwurf, die Ärzte der Beklagten hätten eine angeborene Hüftfehlbildung (Luxationsdysplasie) übersehen bzw. fehlerhaft diesbezüglich keine alsbaldige Abklärung veranlaßt.

Die Klägerin wurde am 22. Juni 1995, gegen 1.00 Uhr, im Krankenhaus der Beklagten geboren. Die Entbindung erfolgte aus Beckenendlage (Fußlage) durch Kaiserschnitt und verlief ohne Komplikationen. Bei der Neugeborenenuntersuchung der Klägerin durch die Ärztin Dipl.-Med. K... wurden keine Besonderheiten festgestellt. Eine Minute, fünf Minuten und zehn Minuten nach der Geburt wurde ein Apgar-Score von 10 Punkten ermittelt. Die Extremitäten zeigten sich frei beweglich. Eine (Erst-)Untersuchung der Hüfte ist nicht dokumentiert. Am 2. Juli 1995, dem Tag der Entlassung aus der stationären Behandlung, führte die im Krankenhaus der Beklagten tätige und in eigener Praxis als Kinderärztin niedergelasse Kinderärztin Dr. St... eine Hüftuntersuchung durch. Frau Dr. St... war nicht hauptberuflich im Krankenhaus der Beklagten angestellt, nahm aber am kinderärztlichen Bereitschaftsdienst des Kreiskrankenhauses B... teil und wurde von dem Krankenhaus regelmäßig mit der Abschlußuntersuchung der neugeborenen Kinder beauftragt. Bei der Hüftuntersuchung gelangte Frau Dr. St... zu der Feststellung einer "straffen Hüfte". Im Entlassungsbefund erfolgte unter der Rubrik "Extremitäten, Hüfte, Füße" die Eintragung: "sehr straff. Im Kinderuntersuchungsheft vermerkte Dr. St... auf der Rückseite des zweiten weißen Blattes zum "Entlassungsstatus": "Hüfte sehr straff - baldige orthop. Kontrolle/breite Windelung empfohlen". Frau Dr. St... empfahl der Mutter der Klägerin, ihr Kind breit zu wickeln, die Mütterberatung bei einem nachbehandelnden Kinderarzt wahrzunehmen und das Kind einem Orthopäden vorzustellen. Am 11. Juli 1995 suchte die Mutter der Klägerin mit ihrem Kind die Kinderärztin Dr. E... auf, die (bei der U2-Untersuchung) "straffe Hüften" feststellte, "breites Windeln" empfahl und die Untersuchung durch einen Orthopäden veranlaßte. Diese Untersuchung wurde am 26. Juli 1995 durch den Facharzt für Orthopädie Dipl.-Med. F... durchgeführt. Die Sonographie ergab den Befund einer beiderseitigen Hüftluxation (Stufe III A bis IV nach Graf mit Abduktionshemmung 45- beiderseits). Der Orthopäde Dipl.-Med. F... verordnete der Klägerin eine Spreizbandage und konsultierte im Vorfeld einer in Aussicht genommenen Operation der Klägerin den Orthopäden Prof. Dr. Sch..., der die Klägerin am 16. August 1995 untersuchte. Prof. Dr. Sch... hielt hiernach fest: "Keine Abspreizbehinderung (...). Ortolani angedeutet positiv. Keine Luxationsgeräusche". Nach weiteren Untersuchungen durch die Kinderärztin Dr. E... am 24. August 1995 und den Orthopäden Dipl.-Med. F... am 25. August 1995 wurde die Klägerin zur stationären Behandlung in die Orthopädische Klinik Oberlinhaus P... eingewiesen, wo eine hohe Dysplasieluxation beiderseits - links mehr als rechts - festgestellt wurde. Während des ersten stationären Aufenthalts vom 30. August bis 9. Oktober 1995 wurde die Hüftfehlbildung der Klägerin zunächst mit einer Overheadextension und ab dem 12. September 1995 mit Lorenzgips [Gips in maximaler Beuge-Abspreizstellung der Hüften] behandelt. Nach Gipswechsel und weiteren stationären Aufenthalten in der Klinik Oberlinhaus in der Zeit vom 6. bis 8. November und vom 7. bis 11. Dezember 1995 zeigte sich keine Stabilisierung der Hüften, so daß die Klägerin zur Weiterbehandlung in das Oskar-Helene-Heim in B... überwiesen wurde. Dort erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthalts vom 3. bis 8. Januar 1996 am 4. Januar 1996 beidseits eine sogenannte "blutige Reposition" der luxierten Hüftgelenke; dabei zeigte sich intraoperativ eine sehr kleine Pfanne mit ausgeprägter Reluxationstendenz. Die Sehne des Musculus iliopsoas wurde durchtrennt, die dicke Gelenklippe (Limbus) halbiert und der Hüftkopf in die sehr flache Pfanne eingestellt. Die Ruhigstellung der Hüften erfolgte wiederum im Lorenzgips, nachdem der Versuch, die Hüften in der weniger belastenden Sitz-Hock-Stellung zu halten, fehlgeschlagen war und zur Reluxation geführt hatte. Vom 2. bis 14. September 1998, 20. bis 30. Oktober 1998, 28. April bis 6. Mai 1999, 10. Juni bis 16. Juni 1999 und 1. bis 10. November 1999 mußte sich die Klägerin weiteren stationären Behandlungen im Oskar-Helene-Heim unterziehen. In 1998 und 1999 wurden hüftnahe Osteotomien der Oberschenkelknochen und pfannenverbessernde Eingriffe vorgenommen; in 1999 erfolgte die Metallentfernung aus den Oberschenkeln. Die Klägerin steht wegen der Hüftfehlbildung seit 1995 unter ambulanter kinderärztlicher Kontrolle.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Ärzte im Krankenhaus der Beklagten hätten feh...

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