Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 24.02.1999; Aktenzeichen 11 O 586/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. Februar 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) (11 O 586/97) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 101.000,- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschwer der Beklagten, zugleich Streitwert des Berufungsverfahrens: DM 126.454,50.

 

Tatbestand

Die am 19.04.1957 geborene Klägerin nimmt die beklagte Kommune als Trägerin des Klinikums F. auf Zahlung von Schmerzensgeld und materiellem Schadensersatz aus Arzthaftung in Anspruch.

Anfang Oktober 1993 trat bei der seit längerem unter massiven lumboischialgiformen, nicht seitenbeitonten Beschwerden leidenden Klägerin eine Fuß- und Zehenhebeschwäche links auf, deren Ursache weder durch eine am 12.10.1993 durchgeführte Computertomographie noch durch eine am Folgetag veranlaßte MRT-Untersuchung eindeutig geklärt werden konnte. Ein zunächst angenommener Bandscheibenvorfall wurde nach diesen Untersuchungen trotz fortdauernder Beschwerden der Klägerin jedoch ausgeschlossen. Auf Veranlassung des Chefarztes der neurochirurgischen Abteilung des Klinikums F., bei dem die Klägerin als Sekretärin tätig war, wurde daraufhin am 15.10.1993 in stationärer Behandlung eine Myelographie durchgeführt, in deren Folge es bei der Klägerin zu einer kompletten Blasenlähmung und Störungen der Mastdarmfunktion kam. Zwei operative Eingriffe am 17. und 20.10.1993 mit Ausräumung der Zwischenwirbelräume L 5/S 1 und L 4/5 links erbrachten zwar eine Abschwächung der Schmerzsymptomatik, die Miktionsstörungen bestehen jedoch seither fort. Auch zahkeiche Anschlußbehandlungen in der Folgezeit blieben insoweit erfolglos. Die Klägerin ist auf Dauer auf einen Blasenkatheter angewiesen. Darüber hinaus leidet sie unter häufigen Harnwegsinfektionen mit Fieberschüben bis über 40° C. Ferner besteht seit dem Eingriff eine Einschränkung der Beweglichkeit der Wirbelsäule bei längerem Sitzen oder Gehen bzw. körperlichen Arbeiten. Es treten anhaltende Rückenschmerzen auf. Seit dem 01.11.1996 ist die Klägerin aufgrund der dauerhaften Gesundheitsstörungen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von zunächst 1.628,69 DM monatlich, seit dem 01.07.1997 in Höhe von 1.838,69 DM monatlich. Den ihr aufgrund ihrer Invalidisierung entstandenen Bruttoverdienstausfall hat die Klägerin für das Kalenderjahr 1996 mit 11.828,53 DM und für das Kalenderjahr 1997 mit 16.625,97 DM beziffert.

Im Rahmen des, vor der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern durchgeführten Schlichtungsverfahrens gelangte der Sachverständige Prof. Dr. W.-P. S. in seinem Gutachten vom 13.08.1996 zu folgendem Ergebnis:

"Bei der körperlichen Untersuchung konnte sich der Gutachter alle Eindrücke von den schwerwiegenden, bleibenden und irreversiblen Gesundheitsstörungen von Frau P. verschaffen; diese bestehen zusammengefaßt in einer neurogenen Blasenstörung mit Arreflexie, welche eine Dauerversorgung mit Cystofix erforderlich macht, in einer erheblich verminderten Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule und den Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen, insbesondere des rechten Beines. Die Schwere des Zustandsbildes invalidisieren Frau Panzner in einem Umfang, der eine Berentung rechtfertigt. Die häufig auftretenden Nierenbeckenentzündungen mit hohem Fieber gefährden auf die Dauer die Nierenfunktion und können damit eine Einschränkung der Lebenserwartung bedingen.

... Entsprechend der Ausführung im Gutachten vom 07.02.1996 ist als Ursache der Blasenentleerungsstörung die lumbale Myelographie vom 15.10.1993 anzusehen. Eine anderweitige Erkrankung, wie beispielsweise ein Massenvorfall einer Bandscheibe mit Caudakompression oder eine multiple Sklerose, konnte mittels eingehender Untersuchung ausgeschlossen werden, und die Blasenentleerungsstörung trat unmittelbar nach der Myelographie auf."

Die Klägerin hat behauptet, vor dem Eingriff vom 15.10.1993 in keiner Weise über die mit der Myelographie verbundenen Risiken aufgeklärt worden zu sein, obwohl sich die Komplikationsrate einer Blasenentleerungsstörung auf 3 % aller Fälle belaufe. Auch im Hinblick auf ihre damalige berufliche Tätigkeit als Chefarzt-Sekretärin, die ihr keinen Einblick in die praktische Durchführung derartiger Eingriffe und ihre Risiken verschafft habe, sei eine Aufklärung nicht entbehrlich gewesen. Wäre die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt, hätte sie angesichts der Ergebnisse der CT- und MRT-Untersuchungen, die jedenfalls einen Bandscheibenvorfall als Ursache ihrer Beschwerden ausschlossen, in den Eingriff nicht eingewilligt.

Nach teilweiser Rücknahme der Klage (hinsichtlich des Feststellungsbegehrens der Ersatzpflicht der Beklagten auch bezüglich zukünftiger i...

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