Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzung einer Energieanlage i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 1 GBBerG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Energieanlage wird i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 1 GBBerG nicht erst dann genutzt, wenn sie bestimmungsgemäß in Betrieb genommen wird, sondern bereits dann, wenn mit ihrer Realisierung begonnen wird; es kommt in diesem Zusammenhang entscheidend auf die tatsächliche Inanspruchnahme des Grundstücks an.

2. Der weitere in § 9 Abs. 1 S. GBBerG normierte Stichtag (25.12.1993) dient im Hinblick auf die Neustrukturierung der Energieversorgung nach dem 3.10.1990 im Beitrittsgebiet der Bestimmung desjenigen Energieversorgers, der im Sinne dieser Vorschrift aktivlegitimiert sein soll.

3. Allein der Umstand, dass der ursprüngliche Verwendungszweck nach dem 3.10.1990 für eine zu diesem Zeitpunkt betriebsbereite Energieanlage weggefallen ist, führt nicht zwangsläufig dazu, dass die Energieanlage endgültig als aufgegeben anzusehen ist, wenn sie innerhalb eines unter Berücksichtigung aller Umstände angemessenen und zumutbaren Zeitrahmens einem neuen Verwendungszweck zugeführt wird.

 

Normenkette

BGB §§ 894, 1004 Abs. 1; GBBerG § 9 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 20.01.2006; Aktenzeichen 1 O 575/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Potsdam vom 20.1.2006 - Aktenzeichen: 1 O 575/04 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 305.270 EUR.

 

Gründe

Die Klägerin ist Eigentümerin verschiedener Grundstücke im Bereich der Flur Schönefeld und zwar u.a. der Flurstücke ... Auf diesen Grundstücken betreibt die Beklagte eine 110 kv-Freileitung, Abschnitt Schönefeld/Wohnungsbau, die zu einem Umspannwerk führt, das wiederum mit einer Trafostation verbunden ist. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Beseitigung dieser Einrichtungen und die Zustimmung zur Löschung der insoweit eingetragenen Grunddienstbarkeiten. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz wurde für das Umspannwerk und die Trafostation ebenfalls eine Dienstbarkeit eingetragen, deren Löschung nun erstmals in der Berufungsinstanz mit dem neuen Antrag zu 1. begehrt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Zur Begründung hat das LG ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung gem. § 894 BGB noch ein Anspruch auf Beseitigung der Anlagen gem. § 1004 BGB ggü. der Beklagten zu. Die materielle Rechtslage stehe mit der formellen Eintragung im Grundbuch im Einklang, die materielle Berechtigung zur Eintragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit folge aus § 9 Abs. 1 GBBerG, weil die Leitungstrasse eine Anlage zur Fortführung von Elektrizität sei und am 3.10.1990 bereits auf den streitgegenständlichen Grundstücken genutzt worden sei. Für die Absicherung von Investitionen zu DDR-Zeiten nach § 9 GBBerG komme es nicht darauf an, ob die Anlage am 3.10.1990 endgültig fertig gestellt gewesen sei; auch eine noch nicht abgeschlossene Baumaßnahme könne bereits Gegenstand einer "Nutzung" im Wortsinne sein. Es komme hinzu, dass die Anlage am 3.10.1990, wie dies die von der Beklagten eingereichten Unterlagen belegten, im technischen Sinne als Anlage fertig gestellt gewesen sei. Dass § 9 Abs. 1 GBBerG auch dann auf Leitungstrassen Anwendung finden müsse, wenn diese fertig gestellt, jedoch nicht im Sinne einer Inbetriebnahme genutzt würden, werde aus einem Vergleich mit § 9 Abs. 11 GBBerG deutlich. Da für eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Versorgungsbetriebe kein rechtfertigender Grund ersichtlich sei, müsse das in § 9 Abs. 11 GBBerG aufgeführte Tatbestandsmerkmal "Nutzung" mit dem in § 9 Abs. 11 GBBerG benannten Tatbetandsmerkmal der "Errichtung" gleichgesetzt werden. Der Klägerin stehe demgemäß auch kein Anspruch auf Beseitigung gem. § 1004 BGB zu. Zwar beeinträchtigten die Anlagen den Grundstückseigentümer, so dass grundsätzlich ein Unterlassungs- und Beseitungsanspruch aus § 1004 BGB in Betracht käme. Die Anlagen seien jedoch ordnungsgemäß und mit entsprechenden Bauerlaubnissen errichtet worden, so dass der beeinträchtigende Zustand nicht rechtswidrig sei. Ein Anspruch auf Beseitigung folge auch nicht aus dem von Klägerin behaupteten Gesprächsinhalt vom 14.4.2004. Unabhängig von dem konkreten Inhalt der Gespräche handele es sich bei der - bestrittenen - zitierten Äußerung inhaltlich in keinem Falle um eine bindende Verpflichtungserklärung der Beklagten, sondern allenfalls um eine Ankündigung, aus welcher sich etwaige Erfüllungsansprüche nicht ergeben.

Gegen das ihr am 30.1.2006 zugestellte Urteil des LG hat die Klägerin mit am 16.2.2006 bei dem OLG Brandenbu...

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