Leitsatz (amtlich)

Der nicht sorgeberechtigte Elternteil wird nur von einer Entziehung der elterlichen Sorge gegenüber dem anderen Elternteil in eigenen Rechten betroffen. Lehnt das Familiengericht die Sorgeentziehung ab, so braucht es nicht darüber zu entscheiden, wer die Sorge zukünftig ausüben soll. Diese ablehnende Entscheidung betrifft das Recht des anderen Elternteils nicht.

Mit der den Eltern durch Art. 6 II 1 GG auferlegten Pflicht gegenüber dem Kind, es zu pflegen und zu erziehen, korrespondiert ein eigenes Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung gegenüber seinen Eltern und auf den Schutz des Staates, notfalls zur Gefahrenabwehr einzugreifen. Bezugspunkt dieser Rechtsbeziehungen und damit Gegenstand des nach § 1666 BGB geführten Verfahrens ist die elterliche Sorge und damit ein nach bürgerlichem Recht dem Kind zustehendes Recht. Das Kind ist deshalb in jedem Verfahren nach § 1666 BGB sowohl zu beteiligen (§ 7 II Nr. 1 FamFG) als auch zur Beschwerde befugt (§ 59 I FamFG).

Eine Gefahr besteht nicht, wenn eine Schädigung des Kindeswohls zwar zu erwarten oder gar schon eingetreten ist, aber durch Maßnahmen der Eltern abgewendet oder behoben werden kann. Der Tatbestand des § 1666 I BGB ist dann nicht erfüllt. Hoheitliches Eingreifen ist unzulässig.

 

Normenkette

BGB § 1626 Abs. 1, §§ 1627, 1631 Abs. 1, § 1666 Abs. 1; FamFG § 7 Abs. 2 Nr. 1, § 59 Abs. 1, § 60 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 24 F 353/13)

 

Tenor

I. Der Antrag des Beschwerdeführers zu 2, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

II. Der Beteiligten zu 3 wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Ihr wird Rechtsanwältin ... beigeordnet.

III. Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1 gegen den Beschluss des AG Nauen vom 17.1.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2 gegen den Beschluss des AG Nauen vom 17.1.2014 wird verworfen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Beschwerdeführer zu 2 trägt die außergerichtlichen Kosten der weiteren Beteiligten zur Hälfte.

 

Gründe

Die Beschwerdeführer erstreben, der Beteiligten zu 3 die elterliche Sorge zur Abwehr einer Gefährdung des Kindeswohls zu entziehen.

I. Die Beteiligte zu 3 und der Beschwerdeführer zu 2 sind die getrennt lebenden Eltern des Beschwerdeführers zu 1 und eines weiteren minderjährigen Kindes. Beide Kinder leben im Haushalt der Beteiligten zu 3. Im Zusammenhang mit der Trennung und Scheidung der Eltern wurde die elterliche Sorge für beide Kinder im Jahr 2007 der Beteiligten zu 3 allein übertragen. Aufenthaltsbestimmungsrecht und Gesundheitssorge wurden der Beteiligten zu 3 im Jahr 2010 zur Gefahrenabwehr entzogen; insoweit wurde das Jugendamt zum Pfleger bestimmt.

Der Beschwerdeführer zu 2 beantragte, ihm die elterliche Sorge für den Beschwerdeführer zu 1 allein zu übertragen. Das über diesen Antrag geführte Verfahren ist inzwischen ebenfalls beim erkennenden Senat anhängig (13 UF 42/14). Die Akten jenes Verfahrens liegen dem Senat vor.

In jenem Verfahren hörte das AG die Beschwerdeführer, die Beteiligte zu 3, den Verfahrensbeistand und einen Mitarbeiter des Jugendamtes persönlich an. Es beschloss daraufhin, dieses Verfahren zu beginnen, weil in Sorge um das seelische Wohl des Beschwerdeführers zu 1 Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu prüfen seien (Bl. 3 f.).

Das AG hat die Eltern, den Verfahrensbeistand, die Pflegerin des Beschwerdeführers zu 1, seinen Klassenlehrer und einen Familienhelfer angehört (Bl. 8 ff.) und mit dem angefochtenen Beschluss festgestellt, derzeit seien Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls nicht erforderlich (Bl. 30 ff.). Der Beschwerdeführer zu 1 sei durch den Konflikt seiner Eltern erheblich belastet. Auf die Frage, wo er wohnen solle, reagiere er angespannt und wolle eine Entscheidung nicht treffen, sondern verfalle bei Gesprächen über dieses Thema in eine Kleinkindphase. Es sei aber keine Maßnahme ersichtlich, die die Belastung minimieren oder ausschließen könne. Dazu könnten nur die Eltern beitragen, indem sie ihren vor dem Kind ausgetragenen Streit und die wechselseitigen Vorwürfe beendeten.

Der Beschwerdeführer zu 2 beantragt mit seiner Beschwerde, den angefochtenen Beschluss und den verfahrenseinleitenden Beschluss ersatzlos aufzuheben, ersatzweise der Beteiligten zu 3 die elterliche Sorge zu entziehen und auf ihn zu übertragen. Er meint, das AG habe ohne Anlass aus der Anhörung des Beschwerdeführers zu 1 den Verdacht geschöpft, jener leide unter einer geistigen Behinderung. Diesem Verdacht sei es nicht in angemessener Weise nachgegangen. Es hätte den Rat eines Psychotherapeuten oder eines Facharztes einholen müssen, anstatt Zeugen zu befragen. Der Beschwerdeführer zu 2 behauptet, die Belastungen des Beschwerdeführers zu 1 folgten vor allem daraus, dass dessen Wille missachtet werde, beim ihm - dem Beschwerdeführer 2 - wohnen zu wollen. Darüber gingen sowohl die rücksichtslos auf sich selbst bezogene, vornehmlich materielle Interessen verfolg...

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