Verfahrensgang

AG Oranienburg (Entscheidung vom 12.03.2015; Aktenzeichen 13 f OWi 485/14)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 12. März 2015 mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgerichts Oranienburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg hat unter dem Datum des 2. Juni 2014 gegen den Betroffenen wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h (nach Toleranzabzug) ein Bußgeld in Höhe von 170,00 Euro festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat Dauer angeordnet. Nachdem der Betroffene gegen diesen Bußgeldbescheid form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, hat das Amtsgericht Oranienburg mit Urteil vom 12. März 2015 auf eine Geldbuße von 700,00 Euro erkannt und von der Anordnung eines Fahrverbotes abgesehen. Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am ... März 2014 mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen ..., die BAB ... in Fahrtrichtung ..., wobei er fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 33 km/h (nach Toleranzabzug) überschritt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er mit näheren Ausführungen die allgemeine Sachrüge erhebt. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit Stellungnahme vom 15. Juni 2015 beantragt wie entschieden.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebrachte Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Rechtsbeschwerde hat auch mit der erhobenen Sachrüge Erfolg.

Die Urteilsgründe erweisen sich im Rahmen der Beweiswürdigung als lückenhaft.

Hierzu führt die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 15. Juni 2015 aus:

"Das Amtsgericht hat sich von der Täterschaft des Betroffenen nach eigener Prüfung auf Grund der glaubhaften und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Diplom-Biologin ... überzeugt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer - wenn auch nur gedrängten - zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH NStZ 2000, 106, 107).

Die Tatrichterin hat zu dem eingeholten Gutachten lediglich folgendes ausgeführt: "Diese hat ausgeführt, dass aus dem Messfoto 54 Merkmale des Fahrers ersichtlich sind, die sich zu einer Identifizierung eignen würden. Die Sachverständige hat in der Hauptverhandlung Fotos von dem Betroffenen gefertigt und diese mit dem Messfoto verglichen. Im Ergebnis ihres Gutachtens kommt die sie zu der Schlussfolgerung, dass zwischen dem Fahrer und dem Betroffenen 37 Übereinstimmungen bestehen. Es hätten sich keinerlei Widersprüche oder Zweifel ergeben: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seien der Betroffene und der Fahrer auf dem Tatfoto dieselbe Person."

Eine derartige, im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung kann zwar ausreichen, wenn es sich um ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren wie das daktyloskopische Gutachten (BGHR StPO § 261 Sachverständiger 4), die Blutalkoholanalyse (BGHSt 28, 235 f) oder die Bestimmung von Blutgruppen (BGHSt 12, 311, 314) handelt (vgl. BGHSt 39, 291, 297 ff.). Ein standardisiertes Verfahren ist aber ein anthropologisches Vergleichsgutachten, bei dem anhand von Tatbildern einer Dokumentationskamera im Straßenverkehr eine bestimmte Zahl deskriptiver morphologischer Merkmale (z.B. Nasenfurche, Nasenkrümmung etc.) oder von Körpermaßen des Täters herausgearbeitet und mit den entsprechenden Merkmalen des Tatverdächtigen verglichen werden (vgl. BGH NStZ 1991, 596), aber gerade nicht.

Um dem Senat die Überprüfung der Schlüssigkeit des Gutachtens und seines Beweiswertes zu ermöglichen, hätte zunächst dargelegt werden müssen, auf welche übereinstimmende metrische und deskriptive Körpermerkmale die Sachverständige sich bei seiner Bewertung gestützt hat (vgl. BGH NStZ 2000, 106 f; OLG Hamm StV 2010, 124 ff.; OLG Jena NStZ-RR 2009, 116). Des Weiteren hätte es Ausführungen dazu bedurft, welche Häufigkeit hinsichtlich der jeweils übereinstimmenden Merkmale der Wahrscheinlichkeitsberechnung zugrunde gelegt und wie sie ermittelt worden ist (vgl. BGH NStZ 2000, 106 f.; OLG Hamm StV 2010, 124 ff.; OLG Jena a. a. O.). Denn diesen Angaben kommt Bedeutung bei der Beurteilung des Beweiswertes der von der Sachverständigen getroff...

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