Verfahrensgang

AG Oranienburg (Entscheidung vom 29.07.2019; Aktenzeichen 13 e OWi 295/19)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 29. Juli 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Oranienburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Oranienburg hat in Abwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers auf die Hauptverhandlung vom 29. Juli 2019 gegen den Betroffenen "wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit" auf eine Geldbuße von 145,00 € erkannt und zugleich ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass der einschlägig vorbelastete Betroffene am 17. August 2018 gegen 7:43 Uhr mit dem Pkw amtliches Kennzeichen... auf der Bundesautobahn ... im Bereich des Autobahndreiecks O... bei km 0,65 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 32 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten hatte.

Ein zuvor auf den 17. Juni 2019 anberaumter Hauptverhandlungstermin war ausweislich des richterlichen Vermerks vom 7. Juni 2019 wegen Erkrankung der zuständigen Bußgeldrichterin aufgehoben worden. Am 24. Juni 2019 beraumte die Abteilungsrichterin neuen Hauptverhandlungstermin auf dem 8. Juli 2019 an. Mit Anwaltsschriftsatz vom 30. Juni 2019 bat der Verteidiger des Betroffenen um Verlegung der Hauptverhandlung wegen Terminkollision und wies dies durch eine Ladung zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Nauen nach. Unter dem Datum des 4. Juli 2019 verfügte die Bußgeldrichterin die Terminverlegung auf den 29. Juli 2019. Mit Anwaltsschriftsatz vom 9. Juli 2019 teilte der Verteidiger des Betroffenen dem Bußgeldgericht mit, dass er vom 27. Juli 2019 bis zum 4. August 2019 "urlaubsbedingt kanzleiabwesend" sei und bat um Prüfung, ob die Anberaumung der Hauptverhandlung auf den 26. August 2019 möglich sei. Mit Beschluss vom 11. Juli 2019 hat das Amtsgericht Oranienburg den "erneuten Antrag auf Terminverlegung zurückgewiesen" und zur Begründung ausgeführt, dass schon der voraufgegangene Hauptverhandlungstermin vom 8. Juli 2019 auf Antrag des Verteidigers wegen Terminkollision verlegt worden sei. Unter dem Datum des 25. Juli 2019 beantragte der Verteidiger, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden; zugleich räumte der Betroffene die Fahrereigenschaft ein und erklärte, in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache und zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen.

Das Bußgeldgericht kam dem Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht des Betroffenen nach; die am 29. Juli 2019 durchgeführte Hauptverhandlung führte zu dem eingangs genannten Ergebnis.

Das Urteil wurde dem Betroffenen am 28. August 2019 förmlich zugestellt. Mit dem bei Gericht am 4. September 2019 angebrachten Anwaltsschriftsatz hat der Betroffenen gegen die Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 26. September 2019, eingegangen bei Gericht am 27. September 2019, begründet. Der Betroffene rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 23. Oktober 2019 beantragt, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Oranienburg zurückzuverweisen.

II.

Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg; das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und gemäß §§ 341, 344, 345 StPO iVm. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.

2. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Bereits die von dem Betroffenen erhobene Verfahrensrüge, mit der er den Verstoß gegen das Recht, sich in der Hauptverhandlung durch einen gewählten Verteidiger vertreten zu lassen beanstandet (Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK, 137 StPO iVm. § 46 Abs. 1 OWiG), greift durch.

Hierzu führt die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 23. Oktober 2019 wie folgt aus.

"Gemäß § 137 Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG kann sich ein Betroffener in jeder Lage des Verfahrens des Beistands durch einen Verteidiger bedienen. Aber selbst im Strafverfahren hat nicht jede Verhinderung des gewählten Verteidigers zur Folge, dass eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden kann (vgl. BGH NStZ 199, 527). In diesen Fällen sind vielmehr das Interesse des Betroffenen an seiner Verteidigung und das Interesse des Staates an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens gegeneinander abzuwägen, wobei im Zweifelsfall das Verteidigungsinteresse Vorrang hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 4 RB...

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