Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eines Vereins

 

Leitsatz (amtlich)

Einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eines Vereins entspricht eine Anonymität der Leistungsbeziehung, in der das Mitglied dem Verein in einer Rolle als Kunde wie ein anonymer Marktteilnehmer gegenübertritt.

Auf einen ideellen Vereinszweck deutet das Ziel hin, die Vereinsleistungen nicht in Vereinzelung nach je eigenem, selbst und allein bestimmtem und verwirklichtem Bedürfnis des einzelnen Mitglieds in Anspruch zu nehmen, sondern Nutzung und Verwendung der vom Verein gebotenen Ressourcen als eine gemeinschaftliche, aufeinander bezogene Tätigkeit zu verstehen, um in dieser Gemeinschaft einen weiteren, über den bloßen Leistungsbezug hinausreichenden Zweck zu finden.

 

Normenkette

BGB §§ 21-22

 

Verfahrensgang

AG Cottbus (Aktenzeichen 28 AR 41/21 CB)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 21. Februar 2022 aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, über den Eintragungsantrag erneut zu entscheiden und dabei die in diesem Beschluss dargelegte Rechtsauffassung zu beachten.

 

Gründe

Der Antragsteller hat sich in seiner Satzung (§ 2 I) "die Förderung, Entwicklung und Zusammenarbeit der deutschen Wirtschaft[,] insbesondere des Mittelstandes", zum Ziel gesetzt. Zum "Zweck eines regen Erfahrungsaustausches" diene das "Verbinden von mittelständischen Unternehmen untereinander", der "Ausbau einer Vernetzung zum gegenseitigen Nutzen" und die "Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit Unternehmen und Selbstständigen aus Ländern der europäischen Union". Weil der Antragsteller diese Zwecke verwirklichen will durch "Veranstaltung von Workshops und Seminaren", "Herstellung von Kontakten", "Erschließung von Zugängen zu ... Förderprogrammen", "Recherche von Möglichkeiten der Präsentation und Weiterentwicklung" und "Erschließung von Möglichkeiten zur Steigerung der Kosteneffizienz in Zusammenarbeit mit den beratenden Berufen", hat das Amtsgericht gemeint, die Mitglieder des Antragstellers erhielten als Gegenleistung für ihren Mitgliedsbeitrag Unterstützung für ihre Unternehmen, die sie auf dem Markt nur gegen Entgelt erwerben könnten. Damit übe der Antragsteller eine wirtschaftliche, unternehmerische Tätigkeit auf einem inneren, nur seinen Mitgliedern zugänglichen Markt aus und dürfe nicht als Idealverein in das Vereinsregister eingetragen werden.

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist begründet.

§ 21 BGB steht der Eintragung des Antragstellers in das Vereinsregister nicht entgegen. Der Zweck des Antragstellers ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet.

Eine gerade für Zweifelsfälle ausreichend trennscharfe Kombination von Tatbestandsmerkmalen lässt sich nicht durch Auslegung des einzigen im Gesetz vorgesehenen Unterscheidungsmerkmals ermitteln, nach dem maßgeblich sein soll, ob der Vereinszweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (§§ 21, 22 BGB). Die Typologie zur Vereinsklassenabgrenzung anhand von Haupt- und Nebenzweck, planmäßig organisiertem Handelsgewerbe, Gewinnerzielungsabsicht, marktgängigem Angebot im inneren oder äußeren Markt stößt gerade dort an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, wo sie am dringendsten gebraucht wird, nämlich bei der Einordnung von Grenzfällen (vgl. MüKo-BGB-Leuschner, 9. Aufl. 2021, §§ 21 f. Rdnr. 19, 21, 35 ff.; BeckOGK-BGB-Segna, Stand: Jan. 2022, § 21 Rdnr. 102 ff.; Staudinger-Schwennicke, BGB, Neub. 2019, § 21 Rdnr. 43 ff.; Erman-Westermann, BGB, 16. Aufl. 2020, § 21 Rdnr. 4 ff.). Es wird dabei bleiben müssen, die wirtschaftliche von der ideellen Zwecksetzung durch eine wertende Betrachtung einzelner Eigenarten der jeweils zu beurteilenden Satzungsregelung und ihrer tatsächlichen Anwendung zu unterscheiden. Dabei können von Fall zu Fall verschiedene Anforderungen an diese Unterscheidung in den Vordergrund treten.

Die Differenzierungsmerkmale sowohl eines sogenannten inneren Marktes als auch des dem äußeren Markt vergleichbaren Angebots eignen sich entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nur unzureichend, um einen wirtschaftlichen von einem nicht wirtschaftlichen Verein zu unterscheiden. Ideelle Zwecke werden nicht allein dadurch zu wirtschaftlichen, dass sie auch im Wettbewerb mit anderen zum Gegenstand gewinnorientierten Handelns gemacht werden könnten (vgl. exemplarisch für die weiteren sog. Kita-Beschlüsse: BGH, NJW 2017, 1943, Rdnr. 19). Ein Verein betreibt daher nicht allein deshalb einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, weil er seinen Mitgliedern Leistungen anbietet, die sie auch bei am Wettbewerb teilnehmenden Wirtschaftsunternehmen gegen Entgelt beziehen könnten (Sauter/Schweyer/Waldner-Neudert/Waldner, eV, 21. Aufl. 2021, Rdnr. 43). Andererseits wird der auf eine Leistung gerichtete Zweck nicht allein dadurch zu einem ideellen, dass der Verein sich mit seinem Angebot allein an seine Mitglieder wendet, sich so auf den inneren Markt beschränkt und eventuell keinen marktüblichen Wettbewerb mit gewerblichen An...

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