Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaß. Testamentsanfechtung

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Rahmen der Prüfung einer wirksamen Testamentsanfechtung trifft das erstinstanzliche Gericht eine Amtsermittlungspflicht.

 

Normenkette

FGG § 12; BGB § 2358 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Cottbus (Beschluss vom 15.08.1996; Aktenzeichen 7 T 19/96)

AG Lübben (Aktenzeichen NR 250/58)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluß des Landgerichts Cottbus vom 15. August 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten der weiteren Beschwerde zu entscheiden hat.

Der Wert der weiteren Beschwerde wird auf 50.000,00 DM festgesetzt.

Der Wert der Beschwerde wird in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Cottbus ebenfalls auf 50.000,00 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Erblasser errichtete am Tage seines Freitods, dem 16.04.1958, ein Testament, durch welches er seinen gesamten Grundbesitz sowie die Maschinen und Werte seiner Dachsteinfabrikation der LPG „Neuer Weg” in Z. „vermachte”. Das staatliche Notariat Luckau stellte aufgrund des Testaments am 23.05.1958 einen Erbschein aus, welcher die LPG als Alleinerbin ausweist.

Der Beteiligte zu 1., dessen Mutter J. R. Schwester des Erblassers gewesen sein soll, hat mit Schreiben vom 10.03.1995 die Einziehung des erteilten Erbscheins sowie die Ausstellung eines Erbscheins „auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge” beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Testament sei unter Zwang zustande gekommen.

Durch Beschluß vom 27.03.1995 hat das Amtsgericht den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Anfechtung sei unwirksam, weil die Anfechtungsfrist von 30 Jahren nach Eintritt des Erbfalles bereits am 16.04.1988 abgelaufen sei.

Mit der gegen diesen Beschluß gerichteten Beschwerde hat der Beteiligte zu 1. vorgetragen, er habe im Mai 1970 die Kopie des Testaments bei E. H. in Westberlin abgeholt und dieses Testament im Juni 1970 handschriftlich angefochten, hierauf aber nie eine Antwort erhalten.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die persönliche Anfechtungsberechtigung des Beteiligten zu 1. habe nicht festgestellt werden können. Der Beteiligte zu 1. habe eine gerichtliche Verfügung unbeantwortet gelassen, in der er aufgefordert worden sei, das Sterbedatum seiner Mutter mitzuteilen. Damit habe nicht festgestellt werden können, ob die Mutter zum Zeitpunkt der behaupteten Anfechtungserklärung vom 15.06.1970 bereits weggefallen sei. Der Beteiligte zu 1. habe damit der ihm auch unter der Herrschaft des Amtsermittlungsgrundsatzes obliegenden Mitwirkungspflicht nicht genügt. Das Beschwerdegericht treffe eine Pflicht zur selbständigen Ermittlung nicht, wenn der Beschwerdeführer es in erster Linie in der Hand habe, die notwendigen Erklärungen abzugeben und zu belegen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Beteiligte zu 1. mit der weiteren Beschwerde. Er trägt vor:

Das Landgericht habe seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt, indem es ohne weitere Nachfrage das Sterbedatum seiner Mutter als nicht festgestellt angesehen und unter diesem Gesichtspunkt die Beschwerde zurückgewiesen habe. Inzwischen befinde sich eine Urkunde über das Versterben seiner Mutter in der Gerichtsakte. Da ihm bei Testamentsanfechtung im Jahre 1970 eine Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zugute gekommen wäre, sei er anfechtungsberechtigt. Er habe auch die Anfechtungsfrist gewahrt. Bereits mit der Beschwerde habe er eine Erklärung der Frau E. H. vom 05.09.1995 vorgelegt, worin diese bestätige, daß er, der Beteiligte zu 1., das Testament im Mai 1970 bei ihr abgeholt habe. Darüber hinaus sei gerade im vorliegenden Fall eine Hemmung der Anfechtungsfrist nach § 203 BGB wegen Stillstands der Rechtspflege anzunehmen. Es handele sich hier um einen Fall mit politischem Bezug, wie bereits im Protokoll über die Testamentseröffnung vom 23.05.1958 deutlich werde. Dort sei festgehalten, daß als gesetzliche Erbin lediglich die Schwester des Erblassers, die Mutter des Beteiligten zu 1., vorhanden sei, die jedoch „Republikflucht” begangen habe. Daß hier seitens der DDR-Behörden Rechtsverweigerung betrieben worden sei, zeige sich insbesondere auch daran, daß er, der Beteiligte zu 1., auf seine Anfechtungserklärung aus dem Jahre 1970 nie eine Antwort erhalten habe.

Die Anfechtung sei auch begründet, da der Erblasser durch Drohung und Gewaltanwendung zur Abfassung des Testaments in der vorliegenden Form veranlaßt worden sei. Bereits aus einem noch vorzulegenden Briefwechsel zwischen dem Erblasser und seiner Schwester ergebe sich, daß dieser zu keinem Zeitpunkt den Wunsch gehabt habe, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Der Erblasser habe zunächst „Republik-flucht” begangen und sei dann wieder in die DDR zurückgekehrt, weil man ihm versprochen habe, ihm werde nichts geschehen. Der Erblasser sei jedoch dann in der DDR erheblichen...

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