Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlassung einer gemeinsam genutzten Wohnung an einen Ehepartner nach dem GewSchG

 

Leitsatz (redaktionell)

Hindert ein Ehepartner den anderen am Verlassen der gemeinsamen Wohnung, stellt dies eine widerrechtliche Verletzung der Freiheit i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG dar, die eine befristete Überlassung der Wohnung rechtfertigt.

Die Bewilligung einer Räumungsfrist ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

GewSchG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 2, 3 Nr. 1; ZPO § 621e

 

Verfahrensgang

AG Oranienburg (Beschluss vom 10.02.2005; Aktenzeichen 34 F 1/05)

 

Tenor

1. Die befristete Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

3. Der Beschwerdewert beträgt 1.260 EUR.

4. Der Antrag der Antragstellerin vom 24.3.2005 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verteidigung im Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die gem. § 621e ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde des Antragsgegners bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das AG hat mit zutreffenden Erwägungen einen Anspruch der Antragstellerin nach § 1 Abs. 1 GewSchG bejaht und ihr insoweit befristet die gemeinsame Wohnung zur alleinigen Benutzung überlassen. Auf die voraussichtliche Unbegründetheit der befristeten Beschwerde hat der Senat den Antragsgegner bereits mit Schreiben vom 18.3.2005 hingewiesen, ohne dass dieser sich hierzu nachfolgend geäußert hat.

a) Unstreitig ist zunächst, dass es in der Vergangenheit bereits mehrfach zu Streitigkeiten bishin zu körperlichen Übergriffen zwischen den Beteiligten gekommen ist. Die widerrechtliche Verletzung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG durch den Antragsgegner ist dadurch erfolgt, dass er am 5.1.2005 die Antragstellerin zumindest über einen Zeitraum von etwa 10 Minuten am Verlassen der Wohnung gehindert und in die Küche eingesperrt hat, obgleich sie die Wohnung mit der gemeinsamen Tochter verlassen wollte. Dieses Verhalten des Antragsgegners stellt sich als widerrechtliche Verletzung der Freiheit der Antragstellerin dar. Verletzung der Freiheit i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG bedeutet Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit, etwa durch Einsperren der Person (Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl. 2004 § 2 GewSchG Rz. 2; Löhnig, Anspruch auf Wohnungsüberlassung, FPR 2005, 36 [37]). Mit dem zumindest 10 Minuten andauernden Einsperren der Antragstellerin bzw. deren Hindern am Verlassen der Wohnung hat der Antragsgegner diese Voraussetzungen erfüllt. Soweit der Antragsgegner dem im Rahmen der Beschwerdebegründung damit begegnen will, dass die notwendige Zeitdauer für eine Freiheitsberaubung nicht gegeben sei, kann dem nicht gefolgt werden. Eine Beraubung der Freiheit im strafrechtlichen Sinne setzt das GewSchG nicht voraus, der Wortlaut erfordert allein die zuvor definierte widerrechtliche Verletzung der Freiheit. Darunter fallen zwar nicht ganz geringfügige Beeinträchtigungen der Fortbewegungsfreiheit, bei einem etwa 10 Minuten andauernden Eingriff in diese Freiheit kann aber nicht mehr von einer lediglich geringfügigen Beeinträchtigung gesprochen werden.

Soweit dagegen der Antragsgegner die Rechtswidrigkeit der Handlung in Frage stellt, ist darauf hinzuweisen, dass die Widerrechtlichkeit der Rechtsverletzung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG vermutet wird und der Antragsgegner diese Vermutung insb. durch Darlegung eines Rechtfertigungsgrundes widerlegen muss (allgemein dazu Löhnig, Anspruch auf Wohnungsüberlassung, FPR 2005, 36 [37, 39]). Rechtfertigungsgründe hat der Antragsgegner hier aber in keiner Weise dargetan; soweit er behauptet hat, er habe in Sorge um die gemeinsame Tochter gehandelt, hat er im Rahmen der Beschwerdebegründung nicht näher ausgeführt, worauf sich diese Sorge gründete. Soweit er dagegen in diesem Zusammenhang erstinstanzlich in wenig substantiierter Weise vorgebracht hat, er habe die sich in einem aufgebrachten Zustand befindende Antragstellerin daran hindern wollen, mit dem Auto und der Tochter wegzufahren, hätte es genügt, die Autoschlüssel, die der Antragsgegner ebenfalls unstreitig weggenommen hatte, allein wegzunehmen, nicht aber die Antragstellerin selbst am Verlassen der Wohnung zu hindern. Ob dagegen der Antragsgegner im Rahmen der Beschwerdebegründung das Einsperren insgesamt bestreiten will, ist auf Grund des insoweit nicht eindeutigen Vorbringens in der Beschwerdeschrift zweifelhaft. Dies kann aber dahinstehen, da er sich insoweit prozessual widersprüchlich verhält und sein Vorbringen - so er denn insgesamt bestreiten will - unbeachtlich wäre. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 27.1.2005 hat die Antragstellerin hinreichend genau zu dem geschilderten Verhalten des Antragsgegners am 5.1.2005 vorgetragen; daraufhin hat der Antragsgegner allein erklärt, dass man am nächsten Tag wieder miteinander gesprochen habe. Das Vorbringen der Antragstellerin zu dem Vorfall am 5.1.2005 hat er damit in keiner Weise in Abrede gestellt. Will er nunmehr aber das Einsperren insgesa...

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