Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch auf Nutzungsvergütung kann auch dann bestehen, wenn ein Ehegatte freiwillig aus der Ehewohnung ausgezogen ist.

2. Bei der Frage, ob ein Ehegatte zur Zahlung einer Nutzungsvergütung verpflichtet ist, sind grundsätzlich auch dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Bedeutung.

3. Für die Höhe der Vergütung ist Orientierungsgröße die ortsübliche Miete, das heißt zu welchem Mietzins eine vergleichbare Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt vermietet werden kann. Befindet sich die Ehewohnung im Miteigentum beider Ehegatten, kann eine Nutzungsvergütung nur in Höhe des anteiligen Mietwertes, bei hälftigem Miteigentum, also in Höhe der Hälfte des Mietwertes, angesetzt werden.

4. Ein angemessener anstelle des vollen Nutzungswerts ist bei Ermittlung der Nutzungsvergütung nicht statisch bis zum Ablauf des Trennungsjahres, sondern einzelfallbezogen bis zu dem Zeitpunkt, in dem mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr gerechnet werden kann, meist mit Zustellung des Scheidungsantrags, anzunehmen.

5. Dem Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsvergütung können zur Aufrechnung gestellte Ansprüche zivilrechtlicher Art schon deshalb nicht entgegenhalten, weil diese als Familienstreitsache i.S.v. § 266 FamFG gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG weitgehend den Vorschriften der ZPO unterlägen, das auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung während der Trennung gerichtete Verfahren hingegen ein solches der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz, allerdings unter Beachtung der Mitwirkungspflichten der Beteiligten, § 26 f. FamFG, gilt.

6. Bei dem Verfahren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung handelt es sich um eine Ehewohnungssache nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, so dass gem. § 48 Abs. 1 FamGKG regelmäßig ein Verfahrenswert von 3.000 EUR anzusetzen ist.

 

Normenkette

BGB § 1361b Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Prenzlau (Aktenzeichen 7 F 478/11)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für die Zeit von September 2011 bis April 2012 eine Nutzungsvergütung i.H.v. 2.200 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.6.2012 zu zahlen.

Der weiter gehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten für das Verfahren in erster Instanz werden der Antragstellerin zu 46 % und dem Antragsgegner zu 54 % auferlegt. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin 31 %, der Antragsgegner 69 % zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt. Der Wert für das erstinstanzliche Verfahren wird in Abänderung der Wertfestsetzung im angefochtenen Beschluss auf 8.500 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind Eheleute. Sie leben seit Februar 2011 voneinander getrennt. Sie sind Miteigentümer eines Grundstücks in G. Die Antragstellerin zog Ende Februar 2011 aus der Ehewohnung aus. Mit Anwaltschreiben vom 23.8.2011 erteilte die Antragstellerin der Frau H. - der Lebensgefährtin des Antragsgegners - Hausverbot und forderte den Antragsgegner für den Fall der weiteren Alleinnutzung des Grundstücks zur Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 400 EUR, beginnend mit dem 1.9.2011, auf.

Im September und Oktober 2011 führten die Beteiligten Gespräche über die weitere Verwendung des Grundstücks und vereinbarten den Verkauf der Immobilie. Mit Kaufvertrag vom 11.10.2011 erwarb der Antragsgegner zusammen mit seiner Lebensgefährtin eine Doppelhaushälfte in V ...

Das vorliegende Verfahren hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 21.11.2011 eingeleitet. Sie hat zunächst die Aufteilung des ehelichen Hausrats und zudem die Zuweisung der Ehewohnung zu ihrer alleinigen Nutzung beantragt. In der mündlichen Verhandlung vom 22.3.2012 haben die Beteiligten den Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Anschluss hieran hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 18.5.2012 auch im vorliegenden Verfahren die Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 400 EUR, und zwar insgesamt 3.200 EUR für die Zeit von September 2011 bis April 2012 sowie weitere 400 EUR für Mai 2012, verlangt.

In der mündlichen Verhandlung vom 26.7.2012 sind sich die Beteiligten darüber einig gewesen, dass die Hausratsgegenstände jeweils bei dem Ehegatten verbleiben, in dessen Haushalt sie sich befinden und haben das Hausratsverteilungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 6.9.2012 hat das AG den Antrag auf Zahlung einer Nutzungsvergütung und Einräumung eines Betretungsrechts zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin sei freiwillig aus der Ehewohnung ausgezogen und habe bis zur Antragseinreichung am 21.11.2011 keine Rückkehrabsichten erkennen lassen. Es werde daher gem. § 1361b Abs. 4 BGB unwiderleglich vermutet, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner die alleinige Nutzung an der gemeinsamen Wohnung überlassen hat. Da sich der Antragsgegner...

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