Leitsatz (amtlich)

1. Schließt sich der Antragsgegner einer im Unterhaltsfestsetzungs- bzw. -abänderungs-verfahren erklärten Erledigungserklärung des Antragstellers nicht an, hat das Gericht - notfalls durch Beweisaufnahme - zu prüfen, ob das Antragsbegehren bei Rechtshängigkeit zulässig und begründet gewesen ist, sich jedoch anschließend erledigt hat, d.h. der Eintritt eines tatsächlichen Ereignis den Verfahrensgegenstand ohne Mitwirkung des Antragstellers hat entfallen lassen, wodurch erst das Begehren unzulässig oder unbegründet geworden ist.

2. Ein Unterhaltsschuldner braucht sich nicht mit einem Vollstreckungsverzicht des Gläubigers zufrieden zu geben, der widerruflich erteilt worden ist und ungültig werden soll, wenn sich die zugrunde liegenden Verhältnisse ändern. Sein Rechtsschutzinteresse für ein Abänderungsverfahren entfällt erst, wenn eine Zwangsvollstreckung nach den Umständen des Falles unzweifelhaft nicht mehr droht.

3. Im Falle eines erfolgreichen Antrags auf Abänderung muss der sofort anerkennende Antragsgegner zudem einen verbindlichen Vollstreckungsverzicht erklärt haben, damit dem Antragsteller die Kosten gem. §§ 243 S. 2 Nr. 4 FamFG, 93 ZPO auferlegt werden können.

 

Normenkette

ZPO § 263; FamFG § 243

 

Verfahrensgang

AG Fürstenwalde (Spree) (Aktenzeichen 10 F 1219/11)

 

Tenor

Der Beschluss wird abgeändert.

Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt, soweit der Antragsteller die dahingehende Abänderung der Urkunde des Bezirksamtes ... vom 28.6.2002, Beurk.-Reg.-Nr. 907/2002, insgesamt und des Urteils des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 13.3.2003 - 159 F 6861/02, insoweit beantragt hat, dass er der Antragsgegnerin ab 30.12.2010 keinen Unterhalt schuldet. Im Übrigen wird der Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 7.532 EUR; der Wert des Verfahrensgegenstandes erster Instanz wird abweichend ebenfalls auf 7.532 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Erledigung eines Unterhaltsabänderungsbegehrens und daran anknüpfend die Verteilung der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

Der Antragsteller hatte sich mit Urkunde des Bezirksamts ... vom 28.6.2002 verpflichtet, an die im August 1990 geborene Antragsgegnerin einen laufenden monatlichen Kindesunterhalt von 101,96 EUR zu zahlen. Das AG Tempelhof-Kreuzberg hatte ihn ferner am 13.3.2003 rechtskräftig verurteilt, weitere monatliche Unterhaltsbeträge von 167,04 EUR, beginnend ab August 2002, an die Antragsgegnerin zu leisten.

Mit der Gegenseite am 31.12.2011 zugestelltem Antrag vom 23.11.2011 begehrte er die Abänderung dieser Unterhaltstitel in der Weise, dass er ab 1.8.2010 keinen Kindesunterhalt für die zwischenzeitlich volljährig gewordene Antragsgegnerin mehr schulde. Die Antragsgegnerin hatte zuvor Folgendes erklärt bzw. erklären lassen:

  • mit Schreiben vom 10.8.2010, dass sie mit Wirkung vom 1.9.2010 selbst in der Lage sei, sich zu versorgen "und die Zahlung von Kindesunterhalt vorerst entfällt."
  • mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 23.11.2011:

"... Die Herausgabe des Unterhaltstitels wird derzeit nicht erfolgen. Unsere Mandantin hat zwar eine Ausbildung aufgenommen, sie ist jedoch nicht wirtschaftlich selbständig. Dies ist sie dann, wenn sie die Ausbildung beendet hat. Bis dahin ist Unterhalt zu gewähren. Der Titel behält seinen Bestand. Das Einkommen unserer Mandantin liegt derzeit über dem von ihren Eltern zu zahlenden Unterhaltsbetrag. Dies kann sich jedoch jederzeit ändern, bspw. durch Abbruch der Ausbildung ...

Unsere Mandantin hat Ihnen gegenüber erklärt, dass sie derzeit keinen Unterhalt geltend macht. Namens und in Vollmacht unserer Mandantin teile ich Ihnen zusätzlich mit, dass sie auf die in der Vergangenheit liegenden Unterhaltsansprüche verzichtet. Sie verzichtet ebenfalls auf alle in der Zukunft liegenden Ansprüche auf Unterhalt, die nicht von ihr geltend gemacht werden (Aufforderung oder Zwangsvollstreckung).

Unsere Mandantin sichert zu, dass sollte sich eine Veränderung ergeben, nicht gleich die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betrieben wird, sondern Ihr Mandant zunächst mit angemessener Frist und unter Schilderung der Situation aufgefordert wird, die Zahlung wieder aufzunehmen."

Am 11.1.2012 ließ die Antragsgegnerin dem Antragsteller mitteilen, auf die ihr aus dem Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 13.3.2003 und der Urkunde des Jugendamts ... vom 28.6.2002 zustehenden "Ansprüche" insgesamt zu verzichten.

Daraufhin erklärte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 24.1.2012 die Hauptsache für erledigt.

Die Antragsgegnerin hat sich dieser Erledigung nicht angeschlossen, ist vielmehr der Auffassung, dem Abänderungsantrag habe von Anfang an das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, so dass er zurückzuweisen sei. Dazu verweist sie auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 23.11.2011, durch den der Antragsteller vor Zwangsvollstreckun...

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