Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Anspruch eines entlassenen Bundeswehroffiziers auf Ausbildungsunterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anspruch eines entlassenen Bundeswehroffiziers auf Ausbildungsunterhalt.

 

Normenkette

BGB § 1610 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bernau (Beschluss vom 06.06.2008; Aktenzeichen 6 F 132/08)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverweisen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden.

1. Entgegen der Auffassung des AG ist davon auszugehen, dass die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO.

a) Da der Kläger Unterhalt im Wege der Stufenklage geltend macht, reicht es für die Erfolgsaussicht aus, dass der in der ersten Stufe geltend gemachte Auskunftsanspruch besteht. Ist dies der Fall, so ist Prozesskostenhilfe nicht allein für die erste Stufe, sondern sogleich für die gesamte Stufenklage zu bewilligen (OLG Brandenburg, FamRZ 1998, 1177; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 4. Aufl., § 114 Rz. 23; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Gutjahr, § 1 Rz. 263). Diese Bewilligung ist aber auf einen Antrag, der sich aus der auf Grund der ersten Stufe zu erteilenden Auskunft ergibt, beschränkt; eine Mehrforderung ist von der Bewilligung nicht gedeckt (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114 Rz. 37a). Nach Bezifferung des Zahlungsantrags durch den Kläger kann das AG durch Beschluss klarstellen, in welchem Umfang der Antrag von der Bewilligung erfasst ist (OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 98; OLG Nürnberg FamRZ 1997, 100, 101).

b) Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 114 Rz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 254) ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Auskunfterteilung gem. § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB und ein davon zu unterscheidender (vgl. FamVerf/Schael, § 1 Rz. 374) Anspruch auf Vorlage von Belegen gem. § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht. Allerdings ist eine Auskunftspflicht dann nicht gegeben, wenn sie den Unterhaltsanspruch unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 1 Rz. 662). Dies kann vorliegend aber nicht angenommen werden.

aa) Das AG ist davon ausgegangen, dass der Kläger, nachdem er eine Offiziersausbildung bei der Bundeswehr begonnen hat, nun Unterhalt für eine Zweitausbildung begehrt; dafür sei ein Anspruch nach § 1610 Abs. 2 BGB nicht gegeben. Diese Annahme ist zu Lasten des Klägers im summarischen Verfahren nicht gerechtfertigt.

Allerdings spricht für die Auffassung des AG, dass gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 Soldatenlaufbahnverordnung die Ausbildung zum Offizier mindestens drei Jahre dauert. Mit der sofortigen Beschwerde hat der Kläger einen Offizierbrief vom 20.12.2006 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass er als Oberfähnrich die Prüfung zum Offizier des Truppendienstes bestanden hat.

Zu beachten ist aber der Einwand des Klägers, dass er, abgesehen von der Bundeswehr, auf dem Arbeitsmarkt keine Chance auf Einstellung als Offizier habe und Soldaten und Offiziere beispielsweise bei der Arbeitsverwaltung als ausbildungslos geführt würden.

bb) Das Nichtbestehen eines Auskunftsanspruchs kann entgegen der Auffassung des AG im Prozesskostenhilfeverfahren nicht auf Verwirkung des Unterhalts wegen selbst verschuldeten Verlustes der Offiziersstellung bei der Bundeswehr gestützt werden. In Betracht kommt insoweit allerdings ein Verwirkungsgrund nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB, nämlich eine Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten durch sein eigenes sittliches Verschulden. Doch ebenso wie die Verwirkungsvorschrift des § 1579 BGB sieht auch die Vorschrift des § 1611 BGB verschiedene Rechtsfolgen vor. Nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB braucht der Verpflichtete, wenn ein Verwirkungsgrund gegeben ist, nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Nach § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB fällt die Verpflichtung ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre. Die Frage der groben Unbilligkeit lässt sich jedoch regelmäßig ohne Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen nicht beurteilen (Rasch, in: Ehinger/Grieche/Rasch, Handbuch Unterhaltsrecht, 5. Aufl. n, Rz. 566; vgl. auch Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rz. 662). Vor diesem Hintergrund kommt eine abschließende Beurteilung im Prozesskostenhilfeverfahren nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr, als nach dem Vorbringen des Klägers ein einmaliges Fehlverhalten zur fristlosen Entlassung aus der Bundeswehr geführt hat.

2. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen. Denn das AG hat Feststellungen zu der...

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