Leitsatz (amtlich)

Die Verringerung einer Versorgungsanwartschaft um die Hälfte des in der Ehezeit erworbenen Anteils findet ihren Zweck in der Übertragung dieses Anteils auf den Ehepartner. Die Verringerung eines Anrechts des einen Ehepartners, die nicht zu einer künftigen Leistung an den anderen Ehepartner führen kann, erfüllt diesen Zweck des Versorgungsausgleichs nicht. Sie wäre als bloße Wegnahme ungerechtfertigt.

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Beschluss vom 15.01.2015; Aktenzeichen 20 F 73/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des AG Nauen vom 15.1.2015 abgeändert:

Der erste Absatz der Entscheidungsformel erhält die folgende Fassung:

Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der ..., Versicherungsnr ..., findet nicht statt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter dem Antragsteller und der Antragsgegnerin gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.650 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde betrifft den Ausgleich eines geringfügigen Anrechts aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten einer Beamtin.

I. Der 1968 geborene Antragsteller und die 1971 geborene Antragsgegnerin waren seit 1993 verheiratet. Beide sind Bundespolizeibeamte, der Antragsteller seit 1985, die Antragsgegnerin seit 1990. Die Eheleute trennten sich im April 2010.

Im seit Juli 2014 rechtshängigen Scheidungsverfahren erteilten die Versorgungsträger Auskünfte über die bei ihnen entstandenen Anrechte:

Gegenüber dem Bund bestand eine Versorgungsanwartschaft des Antragstellers mit einem Ausgleichswert von 578,20 EUR (Bl. 45 VA) und eine Versorgungsanwartschaft der Antragsgegnerin mit einem Ausgleichswert von 528,26 EUR (Bl. 27 VA).

Der Antragsteller erwarb aus 2012 bis 2014 ausgeübter geringfügiger, nicht versicherungspflichtiger Beschäftigung ein Anrecht gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 0,0117 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 77,08 EUR (Bl. 16 ff. VA). Die Beschwerdeführerin, die für die Antragsgegnerin kontoführende Rentenversicherungsanstalt, hat darauf hingewiesen, die Antragsgegnerin werde aus einer Übertragung dieses Anrechts Leistungen nicht beziehen können, weil sie rentenrechtlich relevante Zeiten bislang nicht zurückgelegt habe und deshalb die allgemeine Wartezeit nicht erfülle (Bl. 42).

Die Antragsgegnerin erwarb in der Ehezeit keine Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Bl. 10 VA).

Beide Eheleute erwarben Anrechte aus sog. Riester-Renten mit Ausgleichswerten von 495,39 EUR (Antragsteller, Bl. VA) bzw. 117,79 EUR (Antragsgegnerin, Bl. 12 VA).

Nach inzwischen rechtskräftiger Scheidung der Ehe hat das AG im abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahren mit dem angefochtenen Beschluss die Anrechte aus der Beamtenversorgung jeweils intern geteilt. Für die Anrechte aus der privaten Altersvorsorge hat es festgestellt, die Differenz der Ausgleichswerte sei gering, und es hat sie nicht ausgeglichen. Auch das Anrecht des Antragstellers aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei geringfügig, aber es sei dennoch auszugleichen, weil der geringe Verwaltungsaufwand der Rentenversicherungsanstalt eine Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz nicht rechtfertigen könne. Wegen des weiteren Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 57 ff. VA verwiesen.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Übertragung des Anrechts aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Antragsgegnerin. Dazu wiederholt sie ihren Einwand, als versicherungsfreie Beamtin habe die Antragsgegnerin bislang rentenrechtliche Zeiten nicht zurückgelegt, so dass sie die Wartezeit nicht erfülle und aus dem übertragenen Anrecht Leistungen nicht werde beziehen können.

Der Antragsteller hat sich der Beschwerde angeschlossen. Er wolle sich mit Zustimmung der Antragsgegnerin die Beiträge von der Rentenversicherungsanstalt erstatten und das Rentenversicherungskonto auflösen lassen.

Die Antragsgegnerin hält die Beschwerde für begründet. Sie verzichte auf das Anrecht aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Antragstellers.

Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und auf die Anlagen verwiesen.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 III 2 FamFG). Die Beteiligten haben ihre Standpunkte ausführlich schriftlich dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, zu welchem Erkenntnisfortschritt eine mündliche Verhandlung führen könnte.

II. Die Beschwerde ist begründet.

Das Anrecht des Antragstellers aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird nach § 18 II, III VersAusglG nicht ausgeglichen.

Das Anrecht, dem ein gleichartiges Anrecht der Antragsgegnerin nicht gegenübersteht, ist geringfügig. Sein korrespondierender Kapitalwert von 77,08 EUR bleibt hinter dem für das Ende der Ehezeit maßgeblichen Wert von 3.318 EUR zurück.

Die gegen einen Ausgleich von Anrechten mit geringem Ausgleichswert formulierte Regel des § 18 II VersAusglG dient vornehmlich dem Schutz der Versorgungsträger vor dem Verwaltun...

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