Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Einschränkung der unterhaltsrelevanten Leistungsfähigkeit aufgrund Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbricht nicht ein Verfahren über Unterhaltsansprüche, die erst nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind.

2. Zur Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners während des Insolvenzverfahrens bezüglich des Kindesunterhalts i.H.v. 100 % des Regelbetrages.

 

Normenkette

BGB § 1570; InsO § 304; ZPO § 850

 

Verfahrensgang

AG Cottbus (Beschluss vom 13.08.2007; Aktenzeichen 52 F 78/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das AG hat mit in jeder Hinsicht zutreffenden Erwägungen die Erfolgsaussichten einer Rechtsverteidigung für den Beklagten gem. § 114 ZPO verneint.

I. Soweit der Beklagte die Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO begehrt, geht dies fehl. Gemäß § 240 Satz 1 ZPO erfolgt eine Unterbrechung nur dann, wenn das streitige Verfahren die Insolvenzmasse betrifft. Betroffenheit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Streitgegenstand ganz oder teilweise zur Insolvenzmasse gehört oder aus ihr zu leisten wäre. Für regelmäßig wiederkehrende Leistungen, zu denen Unterhaltsforderungen zählen, gilt dies nur hinsichtlich der rückständigen Ansprüche gegen den Schuldner, nicht dagegen für solche, die nach Verfahrenseröffnung entstanden sind. Dies folgt aus der Vorschrift des § 40 InsO (vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2005, 279, 280; Musielak/Stadler, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 240 Rz. 5 m.w.N.).

Das Insolvenzverfahren ist ausweislich der eingereichten Kopie des Beschlusses des AG Cottbus vom 19.12.2005 (63 IN 464/05) zu diesem Tage eröffnet worden. Mit dem vorliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin Unterhaltsforderungen für die Zeit ab Februar 2006 geltend. Die vorgenannten Voraussetzungen einer Betroffenheit der Insolvenzmasse liegen daher nicht vor. Auf diese Umstände hat das AG den Beklagten bereits hingewiesen, ohne dass dieser hierauf näher eingegangen ist. Die abweichende Auffassung des Beklagten beruht wohl auf einem falschen Verständnis des Begriffs der Rückstände; seine insoweit vertretene Auffassung ist in keiner Weise nachvollziehbar.

II. Soweit der Beklagte auf die Pfändungsfreigrenzen hinweist, trägt dies nicht. Gerade mit der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens erlangt der Unterhaltsschuldner die Möglichkeit, sich gegenüber seinen sonstigen Gläubigern auf seine Pfändungsfreigrenzen zu berufen und dadurch bei Wahrung seines notwendigen Selbstbehaltes Unterhalt leisten zu können (vgl. nur Wendl/Staudigl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl. 2004, Rz. 122a m.w.N.). Dem Schuldner ist also einerseits sein notwendiger Unterhalt zu belassen, andererseits muss er - im Verhältnis zu sonstigen Gläubigern - in die Lage versetzt werden, seinen weiteren gesetzlichen Unterhaltspflichten nachzukommen (vgl. auch Rotax/Kreutzkam, Praxis des Familienrechts, 3. Aufl. 2007, S. 1292). Insoweit ist die unterhaltsrechtlich-relevante Leistungsfähigkeit anhand der allgemeinen materiell-rechtlichen Erwägungen zu prüfen. Einschränkungen aufgrund des Verbraucherinsolvenzverfahrens bestehen hier nicht.

III. Das AG hat den Beklagten zutreffend als zumindest fiktiv leistungsfähig zur Zahlung des geltend gemachten Mindestunterhaltes (100 % des Regelbetrages) behandelt. Insoweit übersieht der Beklagte, dass ihm hinsichtlich seiner fehlenden Leistungsfähigkeit die vollständige Darlegungs- und Beweislast trifft. Diesen insoweit strengen Anforderungen ist er bislang nicht im ausreichenden Maße nachgekommen.

1. Dies betrifft zunächst bereits seine tatsächliche Leistungsunfähigkeit. Insoweit hat der Beklagte darzulegen und nachzuweisen, dass er weder aus seinen erzielten Einkünften noch aus seinem Vermögen die geltend gemachten Mindestsätze decken kann. Hinsichtlich seiner Einkünfte hat er zwar Lohnbescheinigungen vorgelegt, diese sind aber teilweise nur schwer lesbar, was bereits Zweifel an der ausreichenden Darlegung aufkommen lässt. Jedenfalls fehlt es aber an einer weitergehenden Darlegung dazu, dass dem Beklagten keinerlei weiteren Einkünfte zukommen. Dies betrifft insbesondere die Frage des Erhalts einer Einkommensteuerrückerstattung, zu der bislang ein entsprechendes Vorbringen des Beklagten fehlt.

Unabhängig davon fehlt es bislang an jeglichen Ausführungen dazu, dass der Beklagte nicht in der Lage ist, aus seinem Vermögen den geltend gemachten Unterhalt zu befriedigen. Allein die Eröffnung der Verbraucherinsolvenz bedeutet nicht, dass es insoweit eines weitergehenden Vortrages des Beklagten nicht mehr bedarf. Vielmehr ist der Beklagte schon unter Berücksichtigung des Zeitablaufes gehalten, zu seinen jetzigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen umfassend vorzutragen. Nur so kann er seine mangelnde Leistungsfähigkeit ausreichend dartun.

Selbst wenn aber anhand der durch ...

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