Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 23.05.2005; Aktenzeichen 22 KLs 10/04)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 23. Mai 2005 wird als unbegründet verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

 

Gründe

I.

Der Betroffene wurde am 22. Februar 2000 durch das Landgericht Frankfurt/Oder - 22 KLs 2/00 - wegen einer zum Nachteil der Beschwerdeführerin begangenen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt; daneben wurde er wegen einer weiteren Vergewaltigung unter Einbeziehung einer Strafe aus einem anderen Urteil zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. In diesem Strafverfahren war die Beschwerdeführerin als Nebenklägerin vertreten.

Vor Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafen stellte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht den Antrag, gegen den Betroffenen nachträglich die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Auch in diesem Verfahren stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Zulassung als Nebenklägerin.

Mit Beschluss vom 23. Mai 2005 hat das Landgericht diesen Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das Rechtsmittel ist unbegründet. Im Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach §§ 66 b StGB, 275 a StPO ist die Nebenklage nicht zulässig, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt.

1.

Nach dem Wortlaut des § 395 Abs. 1 S. 1 StPO ist die Nebenklage nur bei erhobener öffentlicher Klage oder einem Antrag im Sicherungsverfahren zulässig. Was dabei mit "Sicherungsverfahren" gemeint ist, ist in § 413 StPO definiert; es handelt sich dabei um das in den §§ 413 - 416 StPO geregelte Verfahren über die selbstständige Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, wenn die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren wegen Schuldunfähigkeit oder Verhandlungsunfähigkeit des Täters nicht durchführt. Das in § 275a StPO geregelte Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zählt nicht dazu.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den in § 275a StPO getroffenen Regelungen. In den Absätzen 1 bis 4 dieser Vorschrift wird ein Verfahren eigener Art normiert, das neben der Antragsbefugnis der Staatsanwaltschaft (Abs. 1) an die Berufungshauptverhandlung (Abs. 2 und 3) und das Strafvollstreckungsrecht (Abs. 4) anlehnt. Ein Verweis auf die Vorschriften über die Nebenklage ist dort an keiner Stelle enthalten, insbesondere nicht in § 275a Abs. 2 StPO, der nur die entsprechende Anwendung der §§ 213 - 275 StPO vorsieht, nicht aber die entsprechende Anwendung der §§ 395 ff StPO.

2.

Eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Nebenklage auf das Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ist nicht geboten. Dagegen sprechen die Entstehungsgeschichte sowie die systematische und teleologische Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen.

3.

Die hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 66b StGB, 275a StPO, 74f GVG sind durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl. 2004 I, 1838) in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Jedenfalls der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 15/2887) sind keine Hinweise darauf zu entnehmen, dass die Beteiligung der Nebenklage gewollt war, deren gesetzgeberische Umsetzung aber versehentlich unterblieben ist.

Vielmehr ist es so, dass die ( ausdrückliche ) Zulässigkeit der Nebenklage im Sicherungsverfahren nach den §§ 413 ff. StPO erst kurz zuvor im Nachgang zu einer entsprechenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2001 - 1 StR 268/01 - , BGHSt 47, 202f, durch das Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004 (BGBl. I 1354) in § 395 StPO eingefügt worden war. Wenn der Gesetzgeber in enger zeitlicher Folge im Sicherungsverfahren die Möglichkeit der Nebenklage schafft, dies im Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung aber gerade nicht tut, deutet dies auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers hin.

3.

Nicht tragfähig ist das vom Landgericht verwandte systematische Argument, dass es sinnwidrig wäre, den Nebenkläger an einem Verfahren zu beteiligen, bei dem es allein um die Anordnung der Sicherungsverwahrung geht, weil dieser gemäß § 400 Abs. 1 StPO nur ein beschränktes Anfechtungsrecht habe und sich mit einem Rechtsmittel nicht gegen die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung wenden könne.

Das beschränkte Anfechtungsrecht des Nebenklägers nach § 400 Abs. 1 StPO besteht auch im Sicherungsverfahren nach §§ 413 f. StPO, hindert dort aber die Zulässigkeit der Nebenklage nicht.

Indes gibt es bei systematischer Betrachtung einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Sicherungsverfahren einerseits und dem Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung andererseits:

Mit der Nebenklage wird dem Verletzten Gelegenheit gegeben, im Verfahren seine persönlichen Interessen au...

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