Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Nichteinhaltens der Beschwerdefrist gewährt.

Der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 20.02.2019 wird abgeändert:

Nr. 3 des Tenors erhält die folgende Fassung:

Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragsgegnerin mit dem Ersten des Monats, der auf die Rechtskraft der Ehescheidung folgt, für die Dauer von drei Jahren einen monatlichen im Voraus zu zahlenden nachehelichen Unterhalt in Höhe von 562,- EUR, für die Dauer von weiteren drei Jahren in Höhe von 281,- EUR und im Anschluss daran in Höhe von 30,- EUR zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin 34 % und der Antragsteller 66 % zu tragen.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.480,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung nachehelichen Unterhalts. Die Ehezeit der 1978 geborenen Antragsgegnerin und des 1979 geborenen Antragstellers dauerte von August 2007 bis Dezember 2016. Ihre Tochter wurde im März 2009 geboren. Seit Januar 2015 leben die Beteiligten getrennt und das Kind ununterbrochen im Haushalt der Antragsgegnerin. Diese arbeitete vorehelich zunächst in ihrem erlernten Beruf der Bürokauffrau und nahm 2005 ein Fachhochschulstudium der Landschaftsarchitektur in Vollzeit auf, das sie im 8. Semester wegen der Geburt der Tochter für ein Jahr unterbrach. Sodann setzte sie ihr Studium in Teilzeit fort und das Mädchen besuchte die KiTa für sechs Stunden wochentäglich. Die Antragsgegnerin brach im März 2013 ihr Studium ab, weil sie krankheitsbedingt mit der Betreuung ihrer Tochter und dem Teilzeitstudium überfordert war. Als Bürokraft erwerbstätig war sie im Februar 2007 in Vollzeit, im März 2007, Juli 2012 und April 2013 bis Juni 2013 sowie im Oktober/November 2016 jeweils in Teilzeit. Die beiden letzten Beschäftigungen gab die Beschwerdeführerin wegen Krankheit auf. Erwerbstätig ist die Antragsgegnerin seitdem nicht mehr gewesen. Bereits im Jahr 2006 wurde bei ihr die Erkrankung Multiple Sklerose mit schubförmig remittierendem Verlauf (ICD-Code G35.11), bislang zwei Schübe, diagnostiziert. Im Mai 2013 musste sie sich wegen eines weiteren Schubs mit Kortison infundieren lassen. Im Dezember 2014 wurde zusätzlich eine rezidivierende depressive Störung, eine Autoimmunthyreoditis, soziale Phobien, sonstige Essstörungen und eine Fettstoffwechselstörung festgestellt, aber Arbeitsfähigkeit bescheinigt. Ab Oktober 2016 war die Antragsgegnerin ununterbrochen krankgeschrieben, und aufgrund ihres Antrags vom Oktober 2017 erhält sie seit 01.10.2017 Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 851,- EUR netto monatlich nach Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs. Das diesbezüglich erstellte ärztliche Gutachten vom 08.01.2018 diagnostiziert jeweils feststehend eine Enzephalomyelitis disseminata, schubförmig (G3510), Angst und depressive Störung (F412) sowie chronisches Müdigkeitssyndrom (G 933). Dauer der Leistungsminderung seit 13.06.2017, Besserung unwahrscheinlich innerhalb von drei Jahren, Erwerbstätigkeit als Bürokraft täglich unter drei Stunden möglich.

Der Antragsteller war während der Ehe durchgängig in Vollzeit berufstätig. Sein vor Eheschließung aufgenommenes, berufsbegleitendes Studium der Wirtschaftswissenschaften schloss er im Jahr 2009 ab und ist seitdem in Vollzeit als Projektmanager erwerbstätig. Als angestellter Projektmanager in seit 2010 ungekündigter Stellung bezog er im Jahr 2017 33.602,88 EUR und eine Steuererstattung in Höhe von 710,- EUR. Zugunsten der Tochter entrichtet er monatlich Barunterhalt in Höhe von 356,- EUR. Darüber hinaus betätigt sich der Antragsteller als DJ und betreibt ein Gewerbe, wobei sich die Beteiligten uneins darüber sind, ob er dabei seit 2018 Einnahmen erzielt hat. Spätestens seit Juli 2016 zahlt er an die Antragsgegnerin monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von rund 630,- EUR.

Die gemeinsame Tochter besuchte bis zu ihrer regelhaften Einschulung die Kita und gegenwärtig die Regelgrundschule. Der Kinderarzt empfahl erstmals im September 2018 eine kinderpsychologische Behandlung. Seit Januar 2019 befindet sich das Mädchen in kinderpsychotherapeutischer Behandlung in der psychotherapeutischen Ambulanz für Kinder und Jugendliche in P....

Die Antragsgegnerin hat nachehelichen Unterhalt in Form von unbefristetem Krankheits-, Betreuungs- und Aufstockungsunterhalt in vollem Umfang geltend gemacht. Nicht allein die 2006 diagnostizierte Multiple-Sklerose-Erkrankung, sondern erst die in der Ehezeit aufgrund der ehelichen Rollenverteilung aufgetretene Depression habe die MS-Erkrankung so verschärft, dass sie nunmehr dauerhaft erwerbsunfähig sei. Ihr Studienabbruch beruhe auf der ehelichen Rollenverteilung und der ihr allein obliegenden Betreuung der Tochter. Ohne diese Umstände wäre sie trotz Multipler Sklerose in der Lage gewesen, ihr Studium abzuschließen und als Landschaftsarchitek...

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