Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzung - Verfahrenszweck; keine materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Festsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO hat nur den Zweck, die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, nicht aber außerhalb dieser Zielsetzung liegende sonstige Streitigkeiten zwischen den Parteien zu entscheiden, weshalb materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind, es sei denn, sie sind zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Senat, Beschluss vom 04. Januar 2019 - 13 WF 1/19 -, m.w.N., juris).

2. Einwendungen gegen den Fortbestand der tenorierten Verpflichtungen zur Kostentragung können deshalb nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff ZPO erhoben werden; für sie steht nur der Weg über § 775 Nrn. 4 und 5 ZPO oder die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO offen (vgl. BGH NJW 2007, 1213, Rn. 10 m.w.N.).

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Aktenzeichen 2.2 F 292/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Strausberg vom 08.03.2019 aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen, das über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entscheiden soll.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

1. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Zurückweisung eines Kostenausgleichs- und Festsetzungsantrags in einer Trennungsunterhaltssache.

Aufgrund eines Beschlusses des OLG vom 10.07.2018 haben der Antragsgegner von den Kosten der I. Instanz 60 % und denen der II. Instanz 55 % zu tragen, die übrigen Kosten die Antragstellerin (1280r).

Der Antragsgegner hat die Zurückweisung des Antrages erbeten und hierzu eine Kostenregelung in einem amtsgerichtlich protokollierten Vergleich vom 29.01.2019 aus einem anderen Verfahren (vgl. 1318 ff.) herangezogen, die seiner Meinung nach die rechtskräftige Kostenentscheidung des hiesigen Senatsbeschlusses erfasst und überholt habe.

Die Antragstellerin ist dem vehement und unter Hinweis auf das Fehlen jeglicher Anhaltspunkte für einen Verzicht entgegen getreten und hat an ihrem Antrag festgehalten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht (Rechtspfleger) den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Aus der Kostengrundentscheidung des Senates vom 10.07.2018 lasse sich kein Kostenerstattungsanspruch ableiten, wie sich aus der Auslegung des Vergleichs vom 29.01.2019 ergebe (1335 ff.).

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde beanstandet die Antragstellerin die Auslegung des Vergleichs durch den Rechtspfleger als verfehlt.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Der Rechtspfleger hat die Sache unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses dem Senat vorgelegt.

2. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 11 Abs. 1 RpflG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO statthaft und zulässig, da der der Antragstellerin versagte zu erwartende Kostenerstattungsanspruch als Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 567 Abs. 2 ZPO) über 200 EUR liegt (vgl. 1312, 1317).

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache in das Kostenfestsetzungsverfahren.

Das Festsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO hat nur den Zweck, die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, nicht aber außerhalb dieser Zielsetzung liegende sonstige Streitigkeiten zwischen den Parteien zu entscheiden, weshalb materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind, es sei denn, sie sind zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Senat, Beschluss vom 04. Januar 2019 - 13 WF 1/19 -, m.w.N., juris).

Der Senatsbeschluss vom 10.07.2018 stellt nach Form und Inhalt einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel dar, wie keiner der Beteiligten in Zweifel zieht. Der Angriff des Antragsgegners auf den Fortbestand der dort tenorierten Verpflichtungen zur Kostentragung stellt eine materiell-rechtliche Einwendung dar, die zwischen den Parteien streitig ist. Der Antragsgegner kann sie deshalb nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff ZPO erheben; für sie steht nur der Weg über § 775 Nrn. 4 und 5 ZPO oder die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO offen (vgl. BGH NJW 2007, 1213, Rn. 10 m.w.N.).

Die Sache war nach § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, das bisher die Prüfung der Entstehung, Notwendigkeit und Zugehörigkeit der geltend gemachten Kosten zum Verfahren unterlassen hat.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 ZPO.

Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst (Nr. 1912 KV FamGKG).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht vorliegen.

 

Fundstellen

FamRZ 2019, 1349

JurBüro 2019, 309

ZfS 2020, 167

AGS 2019, 249

NJW-Spezial 2019, 443

RVGreport 2020, 70

NZFam 2019, 454

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