Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf Kostenerstattung durch Revisionsbeklagte. Kostengrundentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

a) Nimmt der Revisionskläger die Revision zurück und verzichtet die Revisionsbeklagte auf die Kostenerstattung, so kommt ein Kostenerstattungsanspruch, der von der Prozessbevollmächtigten der Revisionsbeklagten und - bei Gewährung von Prozesskostenhilfe - von der Staatskasse geltend gemacht werden könnte (§ 126 Abs. 1 ZPO, § 59 RVG), nicht zur Entstehung. Eine spätere Kostengrundentscheidung, in welcher der Revisionskläger des Rechtsmittels für verlustig erklärt und ihm die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt werden, ändert daran nichts.

b) Der Revisionskläger kann in einem solchen Fall seine fehlende Kostenerstattungspflicht im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen.

 

Normenkette

ZPO § 126 Abs. 1; RVG § 59

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Entscheidung vom 22.10.2002; Aktenzeichen 13 UF 71/02)

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Entscheidung vom 30.01.2002; Aktenzeichen 150 F 16264/99)

 

Tenor

Auf die Erinnerung des Beklagten vom 3.1.2006 wird der Kostenansatz vom 18.7.2005 (Kostenrechnung vom 26.7.2005 Kassenzeichen 7.0.5103 0310) aufgehoben.

Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 66 Abs. 6 GKG).

 

Gründe

I.

[1] Die Klägerin hat den Beklagten auf Trennungsunterhalt in Anspruch genommen. Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das KG das amtsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beklagte - zugelassene - Revision eingelegt. Der Senat hat der Klägerin (notwendige) ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr Rechtsanwältin v. G. beigeordnet. Später hat der Beklagte die Revision zurückgenommen. Der Senat hat den Beklagten mit Beschluss vom 23.3.2005 (antragsgemäß) des Rechtsmittels für verlustig erklärt und ihm die Kosten auferlegt.

[2] Nunmehr wendet sich der durch seine zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vertretene Beklagte mit der Erinnerung gegen den (die Vergütung der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwältin betreffenden) Kostenansatz und macht geltend, er sei nicht Kostenschuldner und folglich auch nicht zur Zahlung verpflichtet. Gemäß einer mit der Klägerin am 22.2.2005 getroffenen Vereinbarung habe er an diese 10.000 EUR gezahlt und sich verpflichtet, die Revision zurückzunehmen. Die Klägerin habe sich verpflichtet, im Verfahren vor dem BGH keinen Kostenantrag zu stellen. Mit der Vereinbarung seien "sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien, egal aus welchem Rechtsgrund, beendet".

II.

[3] Die Erinnerung ist begründet:

[4] 1. Der Beklagte war der Klägerin nicht kostenerstattungspflichtig. Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin stand deshalb wegen ihrer Vergütung auch kein Anspruch (aus § 126 Abs. 1 ZPO) gegen den Beklagten zu, der mit der Befriedigung der Prozessbevollmächtigten (gem. § 59 RVG) auf die Staatskasse übergegangen sein könnte.

[5] a) Die Parteien haben vor der Rücknahme der Revision und der hierauf aufbauenden Kostengrundentscheidung des Senats auf "sämtliche wechselseitigen Ansprüche ..., egal aus welchem Rechtsgrund" verzichtet. Hierzu zählt auch der sich aus der Rücknahme des Rechtsmittels ergebende Kostenerstattungsanspruch der Klägerin und Revisionsbeklagten gegen den Beklagten und Revisionskläger. Das folgt aus dem zitierten Wortlaut der Abrede, aber auch aus deren Zusammenhang mit Nr. 2 der Abrede, nach der sich die Klägerin und Revisionsbeklagte verpflichtet, im Verfahren vor dem BGH keinen Kostenantrag zu stellen.

[6] b) Die Kostengrundentscheidung des Senats hat einen solchen Kostenerstattungsanspruch nicht entstehen lassen. Kostengrundentscheidungen sind allein nach Maßgabe der Vorschriften der ZPO über die Kostentragung - hier: nach § 269 Abs. 3 ZPO - zu treffen (BGHZ 5, 251, 258; Zöller/Herget ZPO 15. Aufl. vor § 91 Rz. 14; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 27. Aufl. vor § 91 Rz. 19). Abweichende Vereinbarungen werden durch die Kostengrundentscheidung nicht berührt und müssen ggf. im Verfahren nach § 767 ZPO, dessen Abs. 2 insoweit keine Anwendung findet, oder ausnahmsweise im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. dazu unter 2.) geltend gemacht werden (Zöller/Herget a.a.O. § 104 Rz. 21 "materiell-rechtliche Einwendungen"; Thomas/Putzo/Hüßtege a.a.O. § 104 Rz. 13; MünchKomm/Wax ZPO § 126 Rz. 12).

[7] c) Die Wirksamkeit der von den Parteien getroffenen Abrede über die Kostentragung wird auch nicht durch entgegenstehende Rechte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin berührt. Zwar steht dem Anwalt nach § 126 Abs. 1 ZPO ein Beitreibungsrecht an dem seinem Mandanten gegen den Gegner erwachsenen Kostenerstattungsanspruch zu; auch können diesem Beitreibungsrecht des Anwalts gem. § 126 Abs. 2 ZPO Einreden aus der Person der Partei nicht entgegengesetzt werden. Dies hindert jedoch nicht Abreden der Parteien, die dazu führen, dass ein Kostenerstattungsanspruch des Mandanten gegen den Gegner erst gar nicht entsteht, und die deshalb ein Beitreibungsrecht des Anwalts aus § 126 ZPO von vornherein ausschließen (BGHZ a.a.O. 258 f.; OLG Frankfurt NJW 1969, 144, 145; Zöller/Philippi a.a.O. § 126 Rz. 15; Thomas/Putzo/Reichold a.a.O. § 126 Rz. 7; MünchKomm/Wax ZPO § 126 Rz. 12, 14; Stein/Jonas/Bork ZPO § 126 Rz. 3, 6; anders für den Fall der Aufrechnung, vgl. etwa OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 420, 421).

[8] So liegen die Dinge hier: Die Parteien haben schon vor der Kostengrundentscheidung eine Kostenerstattung ausgeschlossen. Damit ist ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht zur Entstehung gelangt. Das muss sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin und in ihrer Rechtsnachfolge die Staatskasse entgegenhalten lassen (Senatsbeschluss vom 15.3.2006 - XII ZR 209/05 - FamRZ 2006, 853).

[9] 2. Der Beklagte kann seine fehlende Kostenerstattungspflicht auch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen.

[10] Zwar hat das Kostenfestsetzungsverfahren nur den Zweck, die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern. Deshalb sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; für sie steht nur der Weg über § 775 Nr. 4 und 5 ZPO oder die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO offen (Zöller/Herget a.a.O. § 104 Rz. 21 "materiell-rechtliche Einwendungen"; Thomas/Putzo/Hüßtege a.a.O. § 104 Rz. 13; MünchKomm/Wax ZPO § 126 Rz. 12). Hiervon wird indes aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen einer Einwendung feststehen (Zöller/Herget a.a.O. § 104 Rz. 21 "materiell-rechtliche Einwendungen" m.w.N.). Das ist hier - angesichts der vorgelegten notariellen Vereinbarung der Parteien - der Fall.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1641446

NJW 2007, 1213

BGHR 2007, 182

FamRZ 2007, 123

MDR 2007, 558

NJ 2007, 83

Rpfleger 2007, 283

FamRB 2007, 138

RVGreport 2007, 111

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