Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt: Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung gegen eine auf den Wegfall der Unterhaltspflicht zielenden Abänderungsklage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die auf den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung gerichtete Abänderung einer notariellen Vereinbarung kommt es nach materiellem Recht darauf an, ob Veränderungen in den tatsächlichen wie auch rechtlichen Verhältnissen eingetreten sind, die eine Anpassung unter dem Gesichtspunkt der geänderten Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB gebieten. Dabei hat der Abänderungskläger grundsätzlich alle für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände darzulegen und rechnerisch darzustellen, dass sich ein Unterhaltsanspruch nicht mehr ergibt.

2. Soweit Kindesunterhalt in titulierter Höhe weiter gezahlt worden ist, obwohl dessen Höhe wegen der Volljährigkeit des in der Ausbildung befindlichen Kindes nunmehr zweifelhaft ist, ist trotz des Grundsatzes, dass Unterhaltsansprüche so zu errechnen sind, als ob über alle Ansprüche zugleich entschieden würde, zu erwägen, es zumindest für die Vergangenheit bei dem entsprechenden Betrag zu belassen.

 

Normenkette

ZPO § 114; BGB §§ 313, 1570, 1572

 

Verfahrensgang

AG Fürstenwalde (Beschluss vom 01.09.2008; Aktenzeichen 10 F 173/08)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Beklagten kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden.

Entgegen der Auffassung des AG bietet die Rechtsverteidigung der Beklagten hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

Nach dem bisherigen Akteninhalt ist davon auszugehen, dass der Kläger mit seinem Hauptantrag, gerichtet auf Wegfall der durch notarielle Vereinbarung vom 14.4.2004 titulierten Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab 10.2.2008, nicht durchdringen kann. Daher bietet der Antrag der Beklagten, die Klage abzuweisen, hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Schon auf der Grundlage eines vom AG festgestellten Einkommens des Klägers von 1.915 EUR monatlich bei gleichzeitiger Zurechnung eines fiktiven Einkommens auf Seiten der Beklagten ergibt sich ein vollständiger Wegfall der Unterhaltspflicht des Klägers nicht. Soweit das AG ausführt, unter Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus von 1/7 stände der Beklagten ein maximaler Unterhaltsbedarf i.H.v. 820,71 EUR zu, den sie durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit selbst decken könne, verkennt das AG den Halbteilungsgrundsatz (vgl. Nr. 15.2 der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg, Stand 1.1.2008). Unabhängig von der Frage, ob die Beklagte während der Ehe erwerbstätig war, ist ein (fiktives) Einkommen aus Erwerbstätigkeit jedenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Surrogats der bisherigen Familienarbeit als eheprägend anzusehen (Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 4 Rz. 184a). Nähme man daher auf Seiten der Beklagten ein fiktives Einkommen von 820,71 EUR an, wie durch den angefochtenen Beschluss geschehen, errechnete sich immer noch ein ungedeckter Unterhaltsbedarf der Beklagten von rund 469 EUR [= (1.915 EUR-820,71 EUR) × 3/7].

Die Rechtsverteidigung der Beklagten bietet aber deshalb in vollem Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil der Kläger, den insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. Wendl/Dose, a.a.O., § 6 Rz. 726), sein Abänderungsbegehren nicht schlüssig dargelegt hat.

Allerdings gelten für die Abänderung einer notariellen Vereinbarung, wie vorliegend, die Vorschriften des § 323 Abs. 1 bis 3 ZPO nicht. Vielmehr kommt es nach materiellem Recht darauf an, ob Veränderungen in den tatsächlichen wie auch rechtlichen Verhältnissen eingetreten sind, die eine Anpassung unter dem Gesichtspunkt der geänderten Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, gebieten (vgl. Wendl/Schmitz, a.a.O., § 10 Rz. 158e). Dessen ungeachtet muss aber auch im Falle einer solchen Abänderungsklage der Kläger im Einzelnen darlegen, dass sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben. Nicht ausreichend ist insoweit, wenn geltend gemacht wird, ein einzelner Umstand, der für die Unterhaltsbemessung von Bedeutung ist, habe sich geändert. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die für die Unterhaltsverpflichtung als solche und für die Bemessung der Unterhaltsleistung maßgebenden Verhältnisse insgesamt eine wesentliche Änderung erfahren haben (Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, § 1 Rz. 401). Es bedarf einer Gesamtbeurteilung aller geänderten und unveränderten Umstände, zumal gegenläufige Veränderung einander aufheben können. Demgemäß hat der Abänderungskläger grundsätzlich alle für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände dazulegen. Geschieht dies nicht, kann er mit der Abänderungsklage nicht durchdringen (vgl. zu der Frage, ob die Abänderungsklage dann schon un...

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