Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Festlegung eines fiktiven Einkommens bei Zweitausbildung des Unterhaltsverpflichteten

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Festlegung eines fiktiven Einkommens von 1800,- EUR zu Lasten eines Unterhaltspflichtigen, der regelmäßig ein Nettoeinkommen von etwa 2300, -EUR verdient hat, ist angesichts der Pflicht zur bestmöglichen Nutzung der Arbeitskraft nicht zu beanstanden. Eine Zweitausbildung oder Weiterbildung des Unterhaltspflichtigen hat hinter dem Unterhaltsinteresse jedenfalls minderjähriger unverheirateter Kinder zurückzustehen.

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Entscheidung vom 15.08.2007; Aktenzeichen 2 F 629/07)

 

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe über den Umfang hinaus, der sich aus teilweise abhelfenden Entscheidung des Amtsgerichts vom 13.9.2007 ergibt, nicht bewilligt werden. Insoweit bietet seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

1.

Zu Recht hat das Amtsgericht der Unterhaltsbemessung nicht das tatsächliche Einkommen des Klägers zu Grunde gelegt. Der Kläger hat, wie auch im Senatsbeschluss vom 9.5.2007 (10 WF 67/07) ausgeführt ist, bis September 2006 ein monatliches Nettoeinkommen von 2.326 EUR erzielt. Im Hinblick darauf wird man mangels anderweitiger vorgetragener Umstände ebenso wie schon im Beschluss vom 9.5.2007 und im Einklang mit der teilweise abhelfenden Entscheidung des Amtsgerichts vom 13.9.2007 davon ausgehen müssen, dass der Kläger, der gehalten ist, seine Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 614), jedenfalls ein bereinigtes Einkommen von 1.800 EUR erzielen kann.

Soweit der Kläger mit der Klageschrift vorträgt, tatsächlich eine Nettobesoldung in Höhe von 913,36 EUR zu erhalten, setzt er seine Arbeitskraft nicht bestmöglich ein. Dies gilt auch, wenn man den Vortrag des Klägers zu Grunde legt, wonach er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit der Dienstbezeichnung Brandmeister-Anwärter von der ... Feuerwehr eingestellt worden ist und er im zweiten Ausbildungsjahr bereits ein höheres Einkommen erzielen, ab dem dritten Einstellungsjahr sogar mit einem Nettoeinkommen von 1.900 EUR rechnen kann. Denn eine Zweitausbildung oder Weiterbildung des Unterhaltspflichtigen hat hinter dem Unterhaltsinteresse jedenfalls minderjähriger unverheirateter Kinder zurückzustehen (BGH, FamRZ 1981, 539, 540; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 653). Auch eine bereits begonnene Zweitausbildung ist im Interesse des Unterhaltsberechtigten aufzugeben, es sei denn, sie ist schon weit fortgeschritten und nach verhältnismäßig kurzer Zeit beendet (BGH, FamRZ 1983, 140, 141; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 653). Die Verpflichtung, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und sich Einkünfte anrechnen zu lassen, die er bei gutem Willen durch zumutbare Erwerbstätigkeit erreichen könnte, legt dem Unterhaltspflichtigen Beschränkungen bei der Wahl des Arbeitsplatzes auf. Wenn ein Unterhaltsschuldner nach seinem freien Willensentschluss eine voraussehbare rückläufige Entwicklung in seinen Einkünften herbeiführt, ist ihm zuzumuten, seinen Plan erst dann ins Werk zu setzen, wenn er in geeigneter Weise sichergestellt hat, dass ihm die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht jedenfalls vorerst auch bei geringeren Einkünften möglich ist. Ob dies durch Aufnahme eines Kredites geschieht oder in anderer Weise, etwa durch Bildung von Rücklagen, ist gleichgültig (BGH, FamRZ 1982, 365). Vor diesem Hintergrund hätte sich der Kläger, nachdem er zum 30.09.2006 arbeitslos geworden ist und die in dem Zusammenhang erhaltene Abfindung bis Januar 2007 verbraucht hat, jedenfalls rechtzeitig vor Beginn des Unterhaltszeitraums ab Juli 2007 um eine Erwerbstätigkeit bemühen müssen, die ihn in die Lage versetzt, zumindest Unterhalt in Höhe des Regelbetrages zu zahlen. Die Beschäftigung bei der ... Feuerwehr hätte er unterhaltsrechtlich somit nur aufnehmen dürfen, wenn er entsprechende Rücklagen gebildet hätte, um zumindest den Regelbetrag weiterhin zu leisten.

2.

Ausgehend von einem fiktiven Einkommen von 1.800 EUR ist der Kläger auch unter Berücksichtigung seiner weiteren Unterhaltspflichten in vollem Umfang leistungsfähig.

a)

Aufgrund eines vor dem Amtsgericht am 22.8.2007 geschlossenen Vergleichs (2 F 929/06) ist der Kläger verpflichtet, an die Beklagte, die im vorliegenden Verfahren Kindesunterhalt als Prozessstandschafterin nach § 1629 Abs. 3 BGB verlangt, monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 256,18 EUR zu zahlen. Auch wenn Unterhaltsansprüche grundsätzlich so zu berechnen sind, als ob über alle Ansprüche zugleich entschieden würde (vgl. BGH, FamRZ 1992, 797; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 228), kann vorliegend der titulierte Betrag von 256,18 EUR in die Berechnung eingestellt werden. Anhaltspunkte dafür, das...

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