Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebühren und Kosten: Erforderlichkeit von Informationsfahrten zum inhaftierten Mandanten. Beweislast der Staatskasse

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch wenn bei insgesamt sieben abgerechneten Fahrten grundsätzlich Anhaltspunkte für eine nicht sachgemäße Behandlung der Sache bestehen könnten, weil zwar die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft erst kurzzeitig bei dem Amtsgericht eingegangen war und das Hauptverfahren erst später eröffnet wurde, der Verteidiger aber den Verurteilten bereits fünf Mal besucht hat, als sich das Verfahren noch im Ermittlungsstadium bzw. im Zwischenverfahren befand, reicht allein dieser Umstand nicht, um die grundsätzlich anzuerkennende Notwendigkeit der Informationsfahrten im Sinne einer umgekehrten Beweislast im Sinne des § 46 Abs. 1 RVG zu widerlegen.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 24.10.2006)

 

Gründe

I.

In dem erstinstanzlich bei dem Amtsgericht Frankfurt (Oder) anhängigen Strafverfahren wurde dem Angeklagten das Einschleusen von Ausländern zur Last gelegt. Rechtsanwalt ... meldete sich mit Vollmacht vom 23. September 2005 als Verteidiger für den seinerzeit noch Beschuldigten, der in Untersuchungshaft in der JVA Frankfurt (Oder) einsaß. In der Hauptverhandlung am 24. Januar 2006 wurde der Verteidiger antragsgemäß als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der Angeklagte wurde verurteilt und ihm die Verfahrenskosten auferlegt.

Der Verteidiger mit Kanzleisitz in Braunschweig hatte den Verurteilten in der Untersuchungshaft am 23. September 2005 sowie am 6. Oktober 2005, 8. November 2005, 25. November 2005, 15. Dezember 2005, 22. Dezember 2005 und am 10. Januar 2006 - insgesamt sieben mal - in der Justizvollzugsanstalt in Frankfurt (Oder) besucht, daneben an den genannten Tagen vier weitere, ebenfalls in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt (Oder) inhaftierte Mandanten.

Mit Antrag vom 28. Januar 2006 sowie ergänzend vom 5. April 2006 begehrte der Verteidiger die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen:

Grundgebühr mit Zuschlag VV Nr. 4101 162,00 EUR

Verfahrensgebühr mit Zuschlag VV Nr. 4105 137,00 EUR

Verfahrensgebühr Amtsgericht mit Zuschlag VV Nr. 4107 137,00 EUR

Terminsgebühr Amtsgericht mit Zuschlag VV Nr. 4109 224,00 EUR

Einziehungsgebühr Streitwert 50,00 EUR VV Nr. 4142 25,00 EUR

Fotokopien (263 Kopien) VV Nr. 7000 56,95,EUR

Entgelte für Post- u. Telekommunikationsdienste VV Nr. 7002 20,00,EUR

Fahrkosten Braunschweig - Frankfurt (Oder) - Braunschweig

603 km VV Nr. 7003 180,90 EUR

Tage- u. Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise

VV Nr. 7005 60,00 EUR

7 Informationsfahrten in die Justizvollzugsanstalt

Frankfurt (Oder) (7 x 60,00 EUR = 420,00 EUR) plus

7 Fahrtkosten Braunschweig - Frankfurt (Oder) - Braunschweig

603 x 7 = 4.221 km = 1.266,30 EUR: Zwischensumme 1.686,30f

hiervon 20 % 337,26 EUR

16 % Mehrwertsteuer 214,41 EUR

Kostenübersendungspauschale 12,00 EUR

Gesamtbetrag: 1.566,52 EUR.

Hinsichtlich der sieben geltend gemachten Informationsfahrten in die Justizvollzugsanstalt Frankfurt (Oder) (Tage- u. Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise VV Nr. 7005) = 7 x 60,00 EUR = 420,00 Euro; Fahrtkosten Braunschweig - Frankfurt (Oder) - Braunschweig (603 km x 7 = 4.221 km = 1.266,30 EUR) rechnete der Verteidiger anteilig lediglich 20 % wegen der weiteren Besuche der in der gleichen Justizvollzugsanstalt inhaftierten Mandanten ab.

Am 12. April 2006 setzte das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die dem Verteidiger aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 1.287,08 EUR fest, dabei wurden nur die Kosten für zwei Informationsreisen anerkannt.

Am 29. Juni 2006 legte der Verteidiger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung ein. Zur Begründung führte er aus, dass sämtliche Informationsreisen zur Verteidigung erforderlich gewesen seien. Dem Geständnis in der Hauptverhandlung seien zahlreiche Gespräche mit dem Mandanten vorausgegangen. Es könne nicht pauschal bestimmt werden, wie viele Informationsreisen erstattungsfähig seien. Dies müsse dem Verteidiger überlassen bleiben, weil anderenfalls in die Grundrechte des Verteidigers als auch in die Rechte der Verteidigung unzulässig eingegriffen werde.

Mit Beschluss vom 8. August 2006 verwarf das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss als unbegründet.

Auf die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht Frankfurt (Oder), nach Übertragung der Sache vom Einzelrichter auf die Kammer gemäß § 33 Abs. 8 RVG, unter Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) die Vergütung des Beschwerdeführers in beantragter Höhe festgesetzt. Gleichzeitig hat das Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die weitere Beschwerde zugelassen, die der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse am 1. November 2006 eingelegt hat.

II.

Die weitere Beschwerde ist gem. § 56 Abs. 2 i. v. m. § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG statthaft, form- und fristgerecht. Auf einen bestimmten Wert des Beschwerdegegenstandes kommt es nicht an, weil das Landgericht die weitere Beschwerde wegen gr...

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