Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Rechtshängigkeit eines unbezifferten Zahlungsantrages im Rahmen einer Stufenklage. Verwirkung von Ansprüchen auf Kindesunterhalt. Rückübertragung übergegangener Unterhaltsansprüche

 

Leitsatz (amtlich)

1. Enthält eine Stufenklage neben einem Antrag auf Verurteilung zur Auskunfterteilung einen unbezifferten Zahlungsantrag, wird mit der Zustellung der Klageschrift hinsichtlich der Stufenklage zugleich auch der Zahlungsantrag rechtshängig. Diese Rechtshängigkeit dauert fort, bis die Stufenklage auch hinsichtlich der Zahlungsstufe ihre prozessuale Beendigung gefunden hat. Bis dahin ist die Erhebung einer weiteren Klage, gerichtet auf Zahlung von Unterhalt, unzulässig.

2. Auch Ansprüche auf Kindesunterhalt können bei Vorliegen des sog. Zeit- und des sog. Umstandsmoments verwirkt sein, obwohl die Verjährung solcher Ansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist. Soweit es beim Umstandsmoment auch darauf ankommt, inwieweit sich der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich darauf eingerichtet hat, Unterhalt für die zurückliegende Zeit nicht mehr zahlen zu müssen, reicht die Feststellung aus, dass ein Unterhaltsverpflichteter erfahrungsgemäß seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anpasst, sodass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen kann und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerät. Sind Anhaltspunkte dafür, dass es im zu entscheidenden Fall anders lag, nicht ersichtlich, so bedarf es keiner besonderen Feststellungen dazu, dass der Unterhaltsschuldner sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderungen eingerichtet hat.

3. Ist einem Kind Unterhaltsvorschuss gewährt worden, kann es, soweit der auf das Land übergegangene Unterhaltsanspruch zurück übertragen worden ist, den gesamten Unterhaltsanspruch in voller Höhe gerichtlich geltend machen. Die Rückübertragung setzt den Abschluss eines Abtretungsvertrages voraus.

 

Normenkette

ZPO §§ 254, 261; BGB § 242; UVG § 7

 

Verfahrensgang

AG Fürstenwalde (Beschluss vom 01.11.2005; Aktenzeichen 9 F 294/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Dem Beklagten wird zur Rechtsverteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe insgesamt unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. in F. als Hauptbevollmächtigten und Rechtsanwalt K. in O. als Verkehrsanwalt bewilligt.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Dem Beklagten ist in weitergehendem Umfang, als vom AG angenommen, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Seine Rechtsverteidigung bietet insgesamt hinreichend Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 254) ist zugunsten des Beklagten davon auszugehen, dass die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig ist.

In dem Verfahren 9 F 380/01 vor dem AG hat die gesetzliche Vertreterin der Kläger gegen den Beklagten im Wege der Stufenklage für sich Trennungsunterhalt und in gesetzlicher Prozessstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB für die gemeinsamen Kinder Kindesunterhalt geltend gemacht. Die Stufenklage hat neben dem Antrag auf Verurteilung zur Auskunfterteilung, wie dies regelmäßig der Fall ist, auch einen unbezifferten Zahlungsantrag enthalten. Dieser Zahlungsantrag wird mit der Zustellung der Klageschrift hinsichtlich der Stufenklage und nicht erst mit Zustellung des Schriftsatzes, in dem der Zahlungsantrag beziffert wird, rechtshängig (BGH v. 18.1.1995 - XII ARZ 36/94, FamRZ 1995, 729; FamVerf/Schael, § 1 Rz. 382; vgl. auch FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 263, Rz. 623). Diese Rechtshängigkeit dauert fort, bis die Stufenklage auch hinsichtlich der Zahlungsstufe ihre prozessuale Beendigung gefunden hat, sei es durch Urteil, Vergleich, übereinstimmende Erledigungserklärungen oder Klagerücknahme. Allein der Umstand, dass das Verfahren wegen Nichtbetreibens über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinweg nach der Brandenburgischen Aktenordnung ausgetragen und vom Gericht als erledigt behandelt worden ist, reicht entgegen der vom AG in der Nichtabhilfeentscheidung vom 8.11.2005 geäußerten Rechtsauffassung nicht aus. Das Verfahren, in dem ein Anerkenntnisteilurteil hinsichtlich der Verpflichtung zur Auskunftserteilung ergangen ist, hätte jederzeit, insb. durch Stellung eines bezifferten Zahlungsantrags, wieder aufgenommen werden können und in diesem Fall vom AG unter dem bisherigen Aktenzeichen weitergeführt werden müssen. Die Rechtshängigkeit jenes Verfahrens 9 F 380/01 dauert somit an. Die fortdauernde Rechtshängigkeit in dem Verfahren 9 F 380/01 hat gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Wirkung, dass die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann. Geschieht dies dennoch, so ist die spätere Kl...

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